Der Suizid – ein gesellschaftliches Phänomen - SCIP
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<strong>Der</strong> <strong>Suizid</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>gesellschaftliches</strong> <strong>Phänomen</strong> M.H.; <strong>SCIP</strong> 2005/2006<br />
sich selber getötet, weil er den Tod <strong>ein</strong>em Leben unter Cäsars Herrschaft vorgezogen<br />
hatte. 63<br />
4.7.3. Das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde<br />
Von 1783 bis 1793 erschien im deutschen Raum das Magazin zur Erfahrungsseelenkunde.<br />
Darin wurde der <strong>Suizid</strong> immer wieder thematisiert, allerdings vorwiegend anhand<br />
<strong>ein</strong>zelner Schicksale. Allgem<strong>ein</strong>e Thesen wurden kaum entworfen. 64 Erwähnenswert ist<br />
aber <strong>ein</strong> Bericht von Carl Friedrich Pockels, welcher von <strong>ein</strong>er Strafgefangenen schrieb,<br />
die <strong>ein</strong>e Mitgefangene umbrachte, um in der Folge mittels der Todesstrafe dem Diesseits<br />
zu entfliehen. Ganz sozialkritisch wies Pockels auf die den <strong>Suizid</strong> nahe legende Situation<br />
der armen Bevölkerungsschichten hin und zeigte Verständnis für deren Flucht aus dem<br />
Hier und Jetzt. 65<br />
5. Verstärkung der Entpönalisierungstendenzen<br />
5.1. Das Allgem<strong>ein</strong>e Preussische Landrecht (ALR) von 1794<br />
Im Allgem<strong>ein</strong>en Preussischen Landrecht von 1794 waren die Folgen des Selbstmords in<br />
den §§ 803-805 normiert. § 803 sah für Selbstmörder <strong>ein</strong> „stilles Begräbnis“ vor und<br />
enthielt <strong>ein</strong> Verbot der Beschimpfung aber auch <strong>ein</strong> Verbot der standesgemässen Ehrung.<br />
Auch die Beteiligung an <strong>ein</strong>em Selbstmord und die damit verwandte Tötung auf Verlangen<br />
waren noch unter Strafe gestellt. Gemässigte Positionen waren aber auf dem Vormarsch,<br />
gleichwohl mancherorts die Kirche weiterhin versuchte, <strong>Suizid</strong>enten von den geweihten<br />
Friedhöfen fernzuhalten. 66<br />
5.2. Allgem<strong>ein</strong>e Entpönalisierung<br />
Ab 1780 wurde die Entpönalisierung des <strong>Suizid</strong>s <strong>ein</strong>dringlicher gefordert. Vermehrt<br />
gewann die Ansicht Oberhand, dass die Gesellschaft darum bemüht s<strong>ein</strong> muss, nach<br />
Ursachen der Selbsttötung zu suchen und gestützt auf die Ergebnisse Veränderungen<br />
vorzunehmen, um die Selbstmordrate zu senken. In Genf fand 1732 die letzte Hinrichtung<br />
<strong>ein</strong>es Leichnams <strong>ein</strong>es <strong>Suizid</strong>enten statt. In Preussen verschwanden die den <strong>Suizid</strong><br />
bestrafenden Gesetze um 1751, als Friedrich II. alle bestehenden Sanktionen aufheben liess<br />
und für <strong>Suizid</strong>enten <strong>ein</strong> ehrliches Begräbnis verlangte, das den betroffenen Familien k<strong>ein</strong>e<br />
63<br />
Baumann, S. 50 f..<br />
64<br />
Baumann, S. 65 ff..<br />
65<br />
Baumann, S. 81 ff..<br />
66<br />
Baumann, S. 23 ff.; Simson, S. 46; Wellauer, S. 9.<br />
19