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Der Suizid – ein gesellschaftliches Phänomen - SCIP

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<strong>Der</strong> <strong>Suizid</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>gesellschaftliches</strong> <strong>Phänomen</strong> M.H.; <strong>SCIP</strong> 2005/2006<br />

Behörden. Damit konnte die Kirche <strong>Suizid</strong>e nicht mehr bestrafen, indem sie den Leichen<br />

der Unglücklichen auf dem Friedhof k<strong>ein</strong>en Platz zugestand. Die weltlichen Stellen hatten<br />

fortan dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene <strong>ein</strong> schickliches Begräbnis erhielt. Dabei<br />

hielt der Bundesrat klar fest, dass auch Selbstmörder nicht zur Unzeit oder an<br />

abgesonderter Stelle begraben werden durften. 86<br />

5.6. Statistische Erfassung der <strong>Suizid</strong>e<br />

Im Verlaufe des 19. Jh. nahm die Selbstmordrate zu, wobei nicht schlüssig gesagt werden<br />

kann, ob die <strong>Suizid</strong>e effektiv zugenommen haben oder lediglich die verbesserte statistische<br />

Erfassung für den Anstieg verantwortlich zu machen ist. Zuverlässige Statistiken mit<br />

relativ starker Aussagekraft lagen erst Ende des 19. Jh. vor. 87<br />

5.6.1. Problematik der Erfassung<br />

<strong>Der</strong> Gerichtsmediziner Johann Ludwig Caspar (1796-1864) befasste sich mit der<br />

<strong>Suizid</strong>häufigkeit in Berlin und Preussen. Für s<strong>ein</strong>e Arbeit benutzte er Polizeiakten,<br />

amtliche Nachrichten und Sterbelisten und stellte auf dieser Basis Unglücksfälle und<br />

<strong>Suizid</strong>e <strong>ein</strong>ander gegenüber. Er hegte den Verdacht, dass zu den statistisch erfassten<br />

Unglücksfällen auch nicht erkannte Selbsttötungen subsumiert wurden. Vor allem bei im<br />

Wasser gefundenen Toten war es oft unmöglich, die genaue Todesursache zu eruieren.<br />

Caspar stellte <strong>ein</strong>e Zunahme bei den <strong>Suizid</strong>en durch Ertränken fest und ging davon aus,<br />

dass diese <strong>Suizid</strong>art offenbar grössere Verbreitung fand. Allerdings dürfte sich dieser<br />

Anstieg eher dadurch erklären lassen, dass bei Wasserleichen nun häufiger <strong>Suizid</strong> als<br />

Todesursache angenommen wurde. <strong>Der</strong> Gerichtsmediziner war sich der Probleme bei der<br />

Erfassung der <strong>Suizid</strong>e ansonsten weitgehend bewusst und erkannte, dass auch<br />

Vertuschungen häufig vorkamen. In Berlin verbesserte sich die Situation mit der<br />

Einführung der ärztlichen Leichenschau im Jahr 1835. Die effektive Todesursache konnte<br />

aber weiterhin häufig nicht festgestellt werden, und bei im Freien gefundenen Leichen<br />

(Bettler und Landstreicher) fand in der Regel k<strong>ein</strong>e Leichenschau statt. Eine<br />

Unterscheidung zwischen Unglücksfall und <strong>Suizid</strong> war vor allem bei Tod durch<br />

Erschiessen, Sturz aus beträchtlicher Höhe, Ertrinken und Vergiftungen schwierig. Die<br />

preussische Criminalordnung von 1805 hielt in § 156 die Obduktionspflicht bei Verdacht<br />

auf <strong>ein</strong>en gewaltsamen Tod, fest. Vorübergehend fand diese Bestimmung dann jedoch<br />

86<br />

Wellauer, S. 35 ff..<br />

87<br />

Baumann, S. 202 ff.; Wellauer, S. 28. Auf allgem<strong>ein</strong>e Probleme bei der Erfassung der <strong>Suizid</strong>e wird<br />

betreffend das Zustandekommen der Akten, welche Basis der eigenen Erhebungen waren,<br />

zurückzukommen s<strong>ein</strong>.<br />

25

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