Integrationshemmnis Leiharbeit - Otto Brenner Shop
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„Viele Leute aus Russland sprechen gar<br />
nicht mehr über ihre Arbeit, um diese Abwertung<br />
nicht stets vor Augen zu haben.<br />
Auch deshalb, weil die Landsleute ja noch<br />
mit Freunden und Bekannten aus dem Herkunftsland,<br />
dem Dorf in Verbindung stehen<br />
und es sich dann dort ausbreitet, dass der<br />
Lehrer oder der Arzt hier nur <strong>Leiharbeit</strong>er<br />
ist. Manchmal ist dann dort die Schadenfreude<br />
groß, und sie wird den Bekannten<br />
des Betroffenen weitergegeben, und das<br />
Bild, dass es den Leuten hier besser geht,<br />
bricht zusammen. Da spielen sich Dramen<br />
in den Familien ab, weil ja die ganze Familie<br />
zum Mitwisser wird und nichts sagen<br />
darf“ (Migrationsberaterin).<br />
„Meine Landsleute trauen sich ihren Familien<br />
in der Türkei gar nicht zu sagen, dass<br />
sie hier nur in <strong>Leiharbeit</strong> sind, sondern sie<br />
sagen, sie sind bei Thyssen. Die türkischen<br />
Verwandten würden sonst sagen: Wenn ihr<br />
in Deutschland nur diese Arbeit habt, dann<br />
kommt doch wieder zurück. Das ist die<br />
Scham, dass man es in Deutschland nicht<br />
geschafft hat“ (Betriebrat Entleiher).<br />
Daneben leiden häufig männliche Migranten –<br />
je nach Herkunft unterschiedlich stark40 –<br />
darunter, dass ihr Verdienst als Hilfskraft nicht<br />
ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Dieser<br />
Verlust des Bread-Winner-Status41 verursacht<br />
zusätzlich Scham, da dieser Kontrollverlust sowohl<br />
persönlich als auch gegenüber der Community<br />
als eine weitere Statusabwertung empfunden<br />
wird.<br />
6.5. Selbstwahrnehmung der<br />
<strong>Leiharbeit</strong>er<br />
Um einen noch tieferen Einblick in die Arbeitssituation<br />
und die damit verbundene Wahrnehmung<br />
eines <strong>Leiharbeit</strong>nehmers bzw. einer <strong>Leiharbeit</strong>erin<br />
mit Migrationshintergrund zu erhalten,<br />
wurden einzelne Intensivinterviews mit<br />
Migranten durchgeführt. Diese persönlichen<br />
Schilderungen lassen auch die kulturell geprägten<br />
Beobachtungs- und Deutungsmuster<br />
hervortreten, die wiederum Ursache von Diskriminierung<br />
sein können.<br />
40 Diese traditionellen Rollenmodelle finden sich jedoch nicht nur bei türkischen oder muslimischen Herkunftsgruppen,<br />
sondern auch bei älteren osteuropäischen Migranten (BMAS 2009: 135).<br />
41 Traditionelle Familienarrangements (männlicher Haupternährer, Partnerin mit vorrangiger Familien- und Sorgearbeit)<br />
finden sich nach Familiengründungen sehr häufig auch in Deutschland (vgl. Kreyenfeld/Konietzka/<br />
Böhm 2007; Grunow/Schulz/Blossfeld 2007). Das Ernährermodell (37 %) ist unter den Familien mit Migrationshintergrund<br />
neben dem Zuverdienermodell (29 %) am weitesten verbreitet. Bei Familien ohne Migrationshintergrund<br />
präferieren hingegen die meisten (43 %) das Zuverdienermodell. In jeder vierten Familie ohne Migrationshintergrund<br />
sind beide Elternteile Vollzeit (mind. 30 Std. wöchentlich) erwerbstätig, während dieses Modell<br />
unter den Familien mit Migrationshintergrund nur etwa in einer von sechs Familien vorkommt (BMFSFJ<br />
2010a: 54). Die Gründe dafür liegen jedoch auch im erschwerten Zugang von Frauen mit Migrationshintergrund<br />
zum Arbeitsmarkt (vgl. Kap. 4.1., 6.1.).<br />
MIGRANTEN AUF DEM LEIHARBEITSMARKT<br />
Statusverlust, Scham<br />
und Rückzug<br />
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