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Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus

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120 Erinnerungen Eva A.<br />

Eva A. mit 80 Jahren<br />

in Neuseeland<br />

Hochzeitsfoto <strong>von</strong> Risa und<br />

viktor S., den Eltern <strong>von</strong> Eva A.<br />

Eva A. Erinnerungen 121<br />

Wien, 12. Mai 1939<br />

Liebste Frau P[…],<br />

schon sehr lange habe ich nichts <strong>von</strong> Ihnen gehört, ich habe sogar schon vergessen,<br />

ob Sie mir oder ich Ihnen zuletzt schrieb. Aber das ist nicht <strong>von</strong> Wichtigkeit. Wie<br />

geht es Ihnen? Haben Sie viel zu tun, und was hören Sie <strong>von</strong> Ihrem l[ieben] Mann?<br />

Wie geht es Familie E[…]? Bitte sind Sie so lieb und grüßen Sie sie herzlichst <strong>von</strong><br />

uns, vielleicht hat er einmal Zeit und schreibt uns wieder. Was macht Ihr Mann? Wir<br />

hören jetzt gar nichts <strong>von</strong> ihm, jedenfalls ist er sehr beschäftigt und hat auch Gründe,<br />

uns nicht aufzusuchen. Ich hätte Ihnen schon längst geschrieben, habe aber soviel<br />

Unangenehmes in der letzten Zeit erlebt, dass ich wirklich nicht dazu die Geduld<br />

hatte und auch nicht die Zeit. Wie Sie ja wissen, wohnen wir seit Anfang April im<br />

1. Bezirk […], wo wir eine große Wohnung mit noch einer Familie, sehr netten und<br />

feinen Leuten, haben. Er war Arzt und ist jetzt im Ruhestand. Wir vertragen uns<br />

glänzend, und es wäre alles so weit gut gewesen, wenn wir nicht am ersten Morgen<br />

in unserer neuen Wohnung einen Brief <strong>des</strong> Arbeitgebers meines Mannes bekommen<br />

hätten, der uns da<strong>von</strong> Mitteilung machte, dass die Pension ab nächsten Tag, das war<br />

der 1.4., eingestellt wird. Sie können sich denken, wie das auf uns gewirkt hat, ich<br />

stand da, die Kisten und Koffer noch um mich herum, und hatte kaum die Energie,<br />

alles in Ordnung zu bringen. Nun werden seit dieser Zeit Verhandlungen gepflogen,<br />

aber es besteht leider sehr wenig Aussicht auf einen günstigen Ausgang derselben, so<br />

dass wir auch daran denken müssen, unser Ränzlein zu schnüren und uns irgendwo<br />

ein Asyl zu suchen. Noch dazu sind wir durch einen s.z.tigen Irrtum dazu verpflichtet,<br />

eine Kontribution <strong>von</strong> M 1200,- zu zahlen, wir haben bereits ein Gesuch um Streichung<br />

derselben gemacht, warten aber noch auf die Erledigung. Inzwischen kam aber<br />

der Exekutionsbeamte, der unser Inventar einstweilen mit Beschlag belegte, und wir<br />

erreichten wenigsten so viel, dass mit der Vollstreckung so lange gewartet wird, bis<br />

die Erledigung in unseren Händen ist. Bitte erwähnen Sie aber dies nicht Eva, falls<br />

Sie mit ihr sprechen, ich will ihr doch nicht unnötige Sorgen machen. […] Abgesehen<br />

da<strong>von</strong>, dass die Übersiedlung eine Menge Geld verschlungen hat, müssen wir<br />

natürlich jetzt sehr haushalten, um uns irgendwie bis zu unserer Auswanderung über<br />

Wasser zu halten. Was, da staunen Sie, liebe Frau P[…], Sie hätten das nicht gedacht,<br />

als Sie uns letztens besuchten? Ich auch nicht, trösten Sie sich! Da wir aber moderne<br />

Menschen sind, müssen wir eben alles mitmachen, und ich hoffe, trotz allem meinen<br />

Humor nicht zu verlieren, obwohl ich oft nahe daran bin. Die einzige Kraft geben<br />

uns die Briefe Evas, die in der Schule dort sehr gute Fortschritte macht und <strong>von</strong> den<br />

Professoren sehr gelobt wird, die sich nach wie vor unendlich glücklich fühlt und die

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