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Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus

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160 Erinnerungen Jenny de Nijs<br />

Ich war jedenfalls sehr glücklich darüber. Mit Heini habe ich auch ziemlich viel<br />

getanzt, das letzte war ein Walzer (es war das letzte Mal, dass ich mit Heini getanzt<br />

habe, ich war allerdings mit ihm und Edi noch 2-mal am Eislaufverein (auch adieu)<br />

und habe das letzte Mal mit ihm auch dort gesprochen. Und zwar sagte ich, dass<br />

sein Freund Klaus eine Karikatur wäre, was er ihm gleich zurückerzählte. Auch<br />

mit Erich, den ich jetzt schon lange nicht gesehen habe, habe ich oft getanzt, ihm<br />

geht es ja jetzt gleich wie mir. Mit Erich Fischer tanzte ich sehr oft, der blieb mir<br />

noch erhalten (Freude, was ich habe), ferner mit Ernstl Neuhofer (komme noch<br />

zusammen trotz Umständen). Schimpf Hans, und etlichen anderen. Guidos Eltern<br />

sind sehr herzig. Er hat mich am Kränzchen das vorletzte Mal geküsst. Phantastisch<br />

in der Gifthütte vor der Holzinger und dem Heini, die sich übrigens auch<br />

vor uns geküsst haben. Aber Guidos Küsse waren und sind mir immer <strong>von</strong> allen die<br />

liebsten. Er ist so süß, gefühlvoll und zart. Mein lieber, lieber Guido, ich glaube,<br />

ich werde ihn immer lieben, so verliebt war ich noch nie, ich seh ihn doch jetzt so<br />

selten und kenne viele andere, aber er steht einzig und allein in meinem Herzen.<br />

Es gibt schon nebenbei kleine Seitensprünge, aber er ist meine, ich glaube 2. oder<br />

3., ganz große Liebe, aber sie ist wirklich unheimlich groß, obwohl ich sicher bin,<br />

dass er mich nicht mehr liebt, aber es genügt nur die Erinnerung, wie glücklich wir<br />

waren, als wir uns beide hatten. Ich wollt, es wäre noch so. – Also das Kränzchen<br />

war unheimlich klass, auch Ernstl hat mich oben auf der Galerie geküsst, obwohl<br />

ich ihm schon 3x gesagt habe, dass ich ihn nur gern habe und nur den Guido liebe.<br />

Kurt tanzte fast nur mit Lily Oblass. Das Ende war nach 2 h, aber es war unheimlich<br />

klass. Prof. Stur und Prof. Kreis, auch [...] Seidelhofer tanzten mit mir.<br />

Dazwischen war ich oft mit Ernstl, manchmal war auch Ilse dabei, spazieren,<br />

was nie ohne Kuss ablief. Dann war das Dirndlkränzchen, war auch sehr klass. Edi,<br />

Guido, F. Kern, Pappas Demetris, Ernstl, Nutschi, Lehrner u. a. waren, es war<br />

das letzte Mal, dass ich mit Guido getanzt habe. – Dann kam jenes Ereignis. Kurt<br />

war sehr anständig, ich war viel mit ihm zusammen, ebenso Ernstl. Eva fuhr bald<br />

darauf für immer nach Brünn, um sie tut es mir schrecklich leid. Damals an dem<br />

Tag waren wir: Kurt, Ernstl, Edith Zeiß und ich bei Teddy Herzbaum. Abends<br />

ging dann Kurt weg, mit ihm Edith, und Teddy ging gerade in die Küche und kam<br />

lange nicht. Mizzi, Evas Mädchen, weinte um Evi im Nebenzimmer, der Abschied<br />

war ja wirklich tragisch, so dass ich allein mit Ernstl war. Ich stand beim Fenster<br />

und schaute, da es schon dunkel im Zimmer war, auf die hell erleuchtete Straße<br />

hinunter. Da kam er hinzu und fragte: Liebst du Guido noch immer, worauf ich<br />

Jenny de Nijs Erinnerungen 161<br />

selbstverständlich ja sagte. Er sagte, er wäre sehr traurig, da er mich sehr gern<br />

hätte. Ich sagte: Na, weißt du, ich hab dich auch sehr gern, du kommst bald nach<br />

dem Guido. Er sagte, dass man immer viel auf Lager haben müsse, und dass es<br />

ein Wunder sei, dass ich eine große Liebe habe, wo ich doch alle haben kann, die<br />

ich will. Worauf ich antwortete: Die Liebe ist eben immer nur für zwei, aber man<br />

kann für viele freundschaftliche Gefühle hegen. Das nahm er zur Kenntnis und<br />

küsste mich sehr lange. Ich hab ihn ja sehr gern, aber einen zweiten Guido gibt<br />

es für mich nicht, ob das jetzt Jugendschwärmerei ist oder echte Liebe: Ich kenne<br />

das nicht auseinander – wird schon kommen. Paar Mal war ich noch mit Ernstl,<br />

Pappas und Nutschi bzw. Kurt spazieren.<br />

Dann kam sozusagen der Abschied <strong>von</strong> Guido, das war nämlich, als wir den<br />

letzten Tag in meiner geliebten Marchettischule waren. Wir trafen uns Nachmittag<br />

und gingen dann spazieren. Er sagte, dass es ihm schrecklich leid tut, dass<br />

wir aufhören müssen zusammen zu gehen. Mir natürlich auch. Ich weinte sowieso<br />

genug <strong>des</strong>halb. Aber ich liebe ihn noch immer, und solange kein so süßer, richtiger<br />

dazwischenkommt, werde ich mich nicht entlieben. Wir sprachen sehr lange<br />

mitsammen. Sehr viel und sehr interessant, und er küsste mich das letzte Mal, zart<br />

und gefühlvoll wie immer, dazu mischten sich viele, viele Tränen. Wir liebten uns<br />

doch so. Er sagte zwar, dass er noch nie verliebt war, das erste Mal in mich, und er<br />

verliebt sich sehr selten, aber wenn, dann ausgiebig, und er wird mich noch weiter<br />

lieb haben, und wir machten uns aus, jeden Tag in der Früh, wenn wir aufstehen,<br />

solange wir uns lieben, den ersten Gedanken dafür zu verwenden. Darauf küsste<br />

er mich noch sehr viel, ungefähr 12-mal, aber immer mehrere, und ich hab dann<br />

noch die ganze Nacht geheult, denn so was Vollkommenes wie Guido finde ich<br />

nicht so bald und ich will auch gar keinen anderen finden. – Jetzt sehe ich ihn nur<br />

immer sehr wenig und flüchtig. Gestern war ich in der alten Schule, und er hat<br />

mich so traurig angeschaut, dass ich heulen können hätte. Es ist furchtbar, dass wir<br />

auseinander mussten.<br />

In der Albertgasse ist es ganz klass. Die Professoren sind sehr streng, besonders<br />

der Geschichte- und Geografieprofessor. Er ist allerdings erst 30 Jahre, heißt<br />

Emil Thiel, und er will mir anscheinend den Kopf verdrehen, da er die ganze<br />

Stunde mit mir kokettiert, und er prüft mich fortwährend, nämlich jede Stunde,<br />

und immer kann ich doch nichts können. Jetzt schau ich ihn immer so verliebt an,<br />

dass er mir keine Versetzungsprüfung gibt. Er ist übrigens sehr frech und hübsch,

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