Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus
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Susan Courses Mutter<br />
Hertha Langer<br />
Foto: SuSan CourSe<br />
Susan Course Erinnerungen 91<br />
Es ist<br />
ein gutes Land,<br />
in das ihr kommt<br />
Susan Course, Australien, geboren 1933<br />
Susan Course wurde am 27. Dezember 1933 geboren und war fast fünf Jahre alt, als<br />
sie mit ihrer Familie Wien im August 1938 verließ. Ein Onkel war zu dieser Zeit bereits<br />
in einem Konzentrationslager, ein anderer Onkel hatte Selbstmord begangen,<br />
um der Verfolgung zu entgehen. Nach der Ankunft der Familie Langer in Australien<br />
am 7. November 1938 war es sehr schwer für Susans Vater Peter Langer, Arbeit zu finden.<br />
In Wien war er ein angesehener Rechtsanwalt gewesen – in Australien wurden<br />
die Prüfungen nicht anerkannt. Aufgrund der deutschen Sprache wurden die Eltern<br />
außerdem <strong>von</strong> den Nachbarn als Spione verdächtigt und bei der Polizei angezeigt.<br />
Die folgenden Tagebucheinträge stammen <strong>von</strong> Susans Mutter Hertha Langer, die<br />
ihr Tagebuch bereits als Kind zu Weihnachten 1919 erhalten hat. Ein kurzer Eintrag<br />
mehr als zwanzig Jahre später lässt Hertha Langers Gefühle während <strong>des</strong> Krieges im<br />
Exil erahnen.<br />
Wien, 24. Dezember 1919<br />
Der Weihnachtstag Heute am Weihnachtstag bekam ich das Tagebuch. Diesen Tag hatten ich<br />
und meine Brüder schon sehnsüchtig erwartet. In der Früh stand ich auf und war den ganzen<br />
Tag sehr aufgeregt. Am meisten aber nach dem Mittagessen. Ich wusste gar nicht, was ich anfangen<br />
sollte. Meine Schwester, die erst 3 Jahre alt ist, vertrieb sich die Zeit mit singen. Endlich<br />
kamen Großmama und Großpapa. Sie gingen gleich zu uns Kindern. Meine Schwester war nur<br />
sehr lustig und wild.<br />
Um 5 Uhr rief uns Poldi, unser Dienstmädchen, zur Jause. Nach der Jause gingen wir nochmals<br />
ins Zimmer. Plötzlich hörte ich meine Brüder rufen: „Es hat geläutet“, denn läuten war [das]<br />
Zeichen, dass wir kommen sollten. Schnell eilten wir ins Herrenzimmer. Diesmal war ich sehr<br />
zufrieden mit der Bescherung. Ein großer Christbaum, der vom Boden bis zur Decke reichte,<br />
war aufgestellt. Meine Schwester schaute mit großen Augen den Christbaum [an]. Als ich mich an