17.12.2012 Aufrufe

Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus

Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus

Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

222 Erinnerungen Ferdinand Hafner<br />

Für mich bedeutete die Nazi-Zeit eine Zeit ständiger Angstzustände, verursacht<br />

vor allem in der Schule: Dort wurde ich für je<strong>des</strong> kleine Vergehen geschlagen<br />

– mit dem Haselstock auf den Rücken, die Handflächen und Finger, und<br />

wenn ich die Hände zurückzog, auf den Kopf. Oft musste ich vor dem Unterricht<br />

vor der Tafel knien, wenn Mitschüler dem Lehrer berichteten, dass ich slowenisch<br />

geredet habe. Besondere Furcht hatte ich vor dem Oberlehrer K., der ein<br />

fanatischer Nationalsozialist war. Dieser sperrte mich oft nach dem Unterricht<br />

ins Klassenzimmer ein, und dort versuchte er mich zu Aussagen zu zwingen über<br />

Geschehnisse zuhause, ob ich Partisanen gesehen hätte, wie zuhause gesprochen<br />

wird und Ähnliches. Und weil er keine befriedigende Antwort bekam, wurde ich<br />

viel verprügelt und geohrfeigt. Meine Mutter schärfte mir immer wieder ein, ja<br />

nichts zu sagen, und so blieb ich bei solchen Befragungen stumm. Diese Angst<br />

vor Aussagen verfolgte mich zeit meines Lebens und äußerte sich bei mir zum<br />

Beispiel bei Prüfungen in der Schule, da hatte ich große Schwierigkeiten, und<br />

auch im Privatleben.<br />

Dann erlebte ich im Mai 1944 das fürchterliche Geschehen <strong>des</strong> To<strong>des</strong> meines<br />

Onkels. Er wurde als Angehöriger der OF-Widerstandsbewegung durch Verrat<br />

aufgedeckt und auf dem Weg <strong>von</strong> Feistritz nach Matschach <strong>von</strong> einem Gestapo-<br />

Mann erschossen. Bald darauf der unbeschreibliche Schock der Verhaftung meiner<br />

Mutter: In den frühen Morgenstunden umstellte eine SS-Einheit unser Haus,<br />

und Mutter musste die Haustür öffnen. Wir Kinder waren alle wach, umringten<br />

unsere Mutter und mussten zusehen, wie ein SS-Mann Mutter mit angeschlagener<br />

und auf ihre Brust gerichteter Maschinenpistole bedrohte. Wir alle dachten,<br />

er wird unsere Mutter gleich erschießen. Dann erfolgte eine Hausdurchsuchung.<br />

Großmutter lag krank im Bett, sie hatte einen Schock erlitten durch die Ermordung<br />

meines Onkels. Ich musste erleben, wie ein SS-Mann sie mit dem Bettzeug<br />

aus dem Bett zerrte und sie wimmernd auf dem Boden liegen blieb. Mutter wurde<br />

im Hinterzimmer lautstark verhört. Unbeschreiblich war die Furcht <strong>von</strong> uns Kindern,<br />

die wir ständig hin- und hergeschoben wurden. Dann wurde Mutter verhaftet,<br />

und wir Kinder mussten zusehen, wie sie mit Tränen in den Augen abgeführt<br />

wurde. Vorher hat sie uns noch gebeten, der Großmutter zu folgen, da Vater seit<br />

1942 bei der Deutschen Wehrmacht war.<br />

Mutter war bis zum Herbst 1944 im Gefängnis in Klagenfurt eingesperrt. Bis<br />

Kriegsende lebten wir auch in ständiger Angst vor einer Aussiedelung.<br />

Hemma V. Erinnerungen 223<br />

Auf einmal gab es<br />

nur noch Deutsch<br />

Hemma V., Österreich, geboren 1935<br />

Hemma V. wurde 1935 in Remschenig/Remsenik ˇ<br />

in Kärnten in eine slowenische Familie<br />

geboren. Die Großfamilie lebte <strong>von</strong> einer kleinen, gepachteten Landwirtschaft.<br />

Hemma V.s Vater wurde zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Noch bevor er seinen<br />

Entschluss, sich beim nächsten Fronturlaub den PartisanInnen anzuschließen, in die<br />

Tat umsetzen konnte, fiel er im Krieg. Frau V.s Mutter war im Widerstand aktiv und unterstützte<br />

die PartisanInnen. Hemma V. musste schon als kleines Mädchen viele Demütigungen<br />

über sich ergehen lassen und schreckliche Dinge mit ansehen. In der Schule<br />

wurde sie physisch und psychisch misshandelt, die Familie wurde bespitzelt und mit<br />

Deportation bedroht. Diese Erlebnisse belasten Hemma V. bis heute in Form <strong>von</strong> Angstzuständen,<br />

Albträumen und depressiven Zuständen.<br />

Ich bin in Remschenig geboren. Meine Eltern hatten eine kleine Wirtschaft gepachtet, und wir<br />

hatten zwei Kühe und zwei Schweine. Bei uns wohnten noch mein Opa, Oma, ein Bruder und<br />

eine Schwester. Zuhause sprachen wir nur slowenisch.<br />

Als der Krieg begann, wurde der Vater zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Wir haben<br />

ihn später nur noch einmal gesehen, als er auf Heimurlaub kam – danach ist er im Krieg gefallen.<br />

1942 kam ich in die Volksschule nach Eisenkappel. Auf einmal gab es nur noch<br />

Deutsch. Die Lehrerin durfte kein Wort Slowenisch hören, ich aber konnte überhaupt<br />

nicht Deutsch. Es war schrecklich. Ich musste stundenlang in der Ecke knien. Da ich auf<br />

den Beinen starken Wundschorf hatte, hatte sich unter meinen Knien immer eine Blutlacke<br />

gebildet. Es hat höllisch weh getan. Wenn ich dann noch geweint habe, bekam ich<br />

noch Schläge mit dem Stock. Wie oft habe ich in die Hose gemacht – teils, weil ich nicht<br />

wusste, wie man auf Deutsch sagt, dass man aufs WC gehen muss, teils aus Angst. Ich hatte<br />

höllische Angst vor der Lehrerin und wollte überhaupt nicht mehr in die Schule gehen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!