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September 2018 I Jahrgang 17 I Nr. 195<br />

Blickpunkt 07<br />

Des einen Freud, des anderen Leid<br />

Vom heißen und trockenen Sommer haben einige Branchen profitiert, andere mussten herbe Verluste hinnehmen.<br />

VON KERSTIN DORN<br />

Seit dem 1. September ist –<br />

meteorologisch gesehen –<br />

Herbst. Er beendet einen heißen<br />

und trockenen Sommer, der<br />

einigen Branchen die Kassen gefüllt<br />

und bei anderen zu herben<br />

Verlusten geführt hat. Hier einige<br />

Gewinner und Verlierer eines sich<br />

verändernden Klimas.<br />

GETRÄNKEHERSTELLER Die<br />

hochsommerlichen Temperaturen<br />

ließen die Deutschen nicht<br />

nur schwitzen, sondern auch verstärkt<br />

zu Erfrischungsgetränken<br />

und zur Bierflasche greifen. Ein<br />

Ernte: In diesem Jahr war das eine staubige Angelegenheit.<br />

kräftiges Umsatzplus können deshalb<br />

die Getränkehersteller verzeichnen.<br />

Bei der Eico-Quelle,<br />

dem Mineralbrunnen im Altkreis<br />

Crailsheim, wird das Umsatzplus<br />

bis einschließlich August mit 5,2<br />

Prozent beziffert. Der Zuwachs betraf<br />

das komplette Sortiment: Mineralwasser,<br />

Limonaden und<br />

Fruchtsaftschorlen, war jedoch<br />

beim Mineralwasser am Höchsten,<br />

wie Vertriebsleiter Harald<br />

Oberndörfer erklärt. Auch die<br />

Brauereien freuen sich über den<br />

gestiegenen Durst. Denn selbst<br />

wenn es tagsüber zu heiß für Alkoholisches<br />

war, sorgte das stabil<br />

warme und trockene Wetter für<br />

Grilllaune in den Abendstunden,<br />

wo dann auch öfter zum Bier gegriffen<br />

wurde. In Baden-Württemberg<br />

stieg der Bierkonsum im Juli<br />

2018 gegenüber dem Vorjahresmonat<br />

um 12,3 Prozent, der bei<br />

Biermischgetränken um 10,5 Prozent<br />

an. Dabei ist der Zusammenhang<br />

mit den Temperaturen offensichtlich:<br />

Während des ersten<br />

Halbjahres lagen die Steigerungsraten<br />

im Bundesland laut Angaben<br />

des Statistischen Bundesamtes<br />

bei nur 5,5 Prozent beim Bier<br />

Foto: Siegfried Geyer/NPG-Archiv<br />

sowie 7 Prozent bei Biermischgetränken.<br />

Der große Durst sorgte<br />

zuweilen in den regionalen Brauereien<br />

zu Engpässen beim Leergut.<br />

FREIBÄDER Gut gelaufen ist die<br />

Saison auch in den Freibädern. In<br />

Crailsheim beispielsweise konnten<br />

bis einschließlich Sonntag,<br />

26. August, 56 129 Besucher gezählt<br />

werden. Das ist ein Drittel<br />

mehr als im gleichen Zeitraum<br />

des Vorjahres (2017: 42 072 Besucher).<br />

WASSERVERSORGER Auch<br />

die Wasserversorger konnten Rekorde<br />

brechen: Allein am 31. Juli,<br />

dem Spitzentag, lieferte der<br />

Zweckverband Wasserversorgung<br />

Nordostwürttemberg (NOW)<br />

116 000 Kubikmeter Wasser. Das<br />

übertrifft die Vorjahresspitze um<br />

11,5 Prozent (2017 waren es<br />

104 000 Kubikmeter in der<br />

Spitze).<br />

TOURISMUS Erstaunlich wenig<br />

Einfluss hatte das Wetter hingegen<br />

auf die Freizeitwünsche der Urlauber.<br />

Beim Tourismus-Verein Hohenohe-Schwäbsich<br />

Hall jedenfalls<br />

sieht man keine Veranlassung,<br />

Reisen oder Programme an<br />

das heiße Wetter anzupassen. Vereinzelt<br />

gab es in Beratungsgesprächen<br />

Anfragen nach Wandertouren<br />

im Wald oder am Fluss, um<br />

nicht ständig der Sonne ausgesetzt<br />

zu sein, erklärt Manuela Laritz. Da<br />

die Gegend damit reichlich gesegnet<br />

ist, konnten diese Wünsche<br />

ohne viel Aufwand erfüllt werden.<br />

KLIMAGERÄTE Ein erhöhtes<br />

Interesse beim Thema Kühlen<br />

kann Achim Bauer, verantwortlich<br />

für den Vertrieb bei der Firma<br />

Klarluft mit Sitz in Ingelfingen, feststellen.<br />

Seine Firma setzt dabei insbesondere<br />

auf Lüftungsgeräte mit<br />

integrierter Wärmepumpe zum<br />

Heizen und Kühlen bis 100kW<br />

Kühlleistung, bei denen die Kühlung<br />

der Luft mit Wärmerückgewinnung<br />

und Luftaustausch verbunden<br />

ist. Ein direktes Umsatzplus<br />

heizte der Sommer allerdings<br />

noch nicht in die Kassen. Klarluft-<br />

Lüftungsgeräte würden immer auftragsbezogen<br />

konzipiert, berechnet<br />

und gebaut. Allerdings ließen<br />

verschiedene Projekte in der Vorbereitung<br />

eine zunehmende Umsatzentwicklung<br />

erwarten.<br />

LANDWIRTSCHAFT Was die<br />

touristischen Anbieter noch ruhig<br />

schlafen ließ, trieb manchem Bauern<br />

den Schweiß auf die Stirn. In<br />

Ilshofen wurden die Niederschläge<br />

konkret gemessen, denn<br />

dort betreibt das landwirtschaftliche<br />

Technologiezentrum Augustenberg<br />

(LTZ) eine Wetterstation.<br />

2018 sind sehr viel weniger Niederschäge<br />

gefallen als im langjährigen<br />

Mittel. Seit Februar waren es<br />

lediglich 50 Prozent, nämlich 260<br />

Millimeter pro Quadratmeter. Zusätzlich<br />

stresste die über Wochen<br />

anhaltende Sommerhitze die Pflanzen<br />

und sorgte für teilweise erhebliche<br />

Ertragseinbußen. Während<br />

der Winterweizen im Kreis Schwäbisch<br />

Hall im langjährigen Vergleich<br />

annähernd durchschnittliche<br />

Erträge brachte, lag die Ernte<br />

bei Wintergerste und bei Sommergetreide<br />

(Gerste, Hafer) sowie bei<br />

Winterraps mit jeweils minus 20<br />

Prozent deutlich darunter. Auch<br />

bei den Zuckerrüben werden Einbußen<br />

von einem Drittel bis zur<br />

Hälfte der durchschnittlichen Erträge<br />

befürchtet. Bei Silomais und<br />

Grünland, den wichtigsten Futtergrundlagen<br />

der Tierhalter, konnten<br />

je nach Lage zwischen 30 bis<br />

70 Prozent weniger Erträge eingefahren<br />

werden. Beim Grünland,<br />

wo in Normaljahren drei bis vier<br />

Schnitte möglich sind, war in diesem<br />

Jahr nach zwei Schnitten<br />

Schluss, was maximal 50 bis 60<br />

Prozent der durchschnittlichen Erträge<br />

entspricht.<br />

Mit Mindererträgen bis zur Hälfte<br />

eines Normaljahres rechnet Werner<br />

Balbach, Leiter des Landwirtschaftsamtes,<br />

auch beim zu dreschenden<br />

Körnermais: Die Kolbenbildung<br />

sei schlecht, die Reife ungleich.<br />

Den Wald fit für die Zukunft machen<br />

Erhöhte Temperaturen und wenig Niederschlag fordern den Wald und die Förster heraus. Nun heißt es: Umdenken.<br />

VON ANNIKA SCHNEIDER<br />

Grüne Baumkronen, schöne<br />

Wanderwege und für viele ein<br />

Zufluchtsort, um dem Stress des<br />

Alltags zu entfliehen. Die Rede ist<br />

vom Wald. Doch höhere Temperaturen<br />

und wenig Niederschlag machen<br />

den „heimischen Baumsorten“<br />

zu schaffen. Das spüren auch<br />

die Bauern und Förster in der Region.<br />

Es heißt also umdenken.<br />

Und wohl auch umpflanzen. Konrad<br />

Leicht, Trainee des höheren<br />

Forstdienstes des Landkreises<br />

Schwäbisch Hall, kennt die Auswirkungen<br />

und weiß worauf es in<br />

Zukunft in der Forstwirtschaft ankommt.<br />

VERÄNDERUNG „Der überwiegende<br />

Anteil an der Verjüngung<br />

der Wälder erfolgt auf natürlichem<br />

Wege über den Samenfall<br />

von Altbäumen. Ergänzend werden<br />

dazu auch Pflanzungen von<br />

Laub- und Nadelbäumen vorgenommen<br />

– und zwar insbesondere<br />

dort, wo die Standortsbedingungen<br />

für den vorhandenen Bewuchs<br />

eher ungünstig sind und<br />

ein Baumartenwechsel erforderlich<br />

wird. Dabei spielt auch die<br />

Douglasie eine gewisse Rolle,“,<br />

weiß Konrad Leicht. Der Vorteil:<br />

Douglasien haben eine vergleichbare<br />

Wuchs- und Holzeigenschaften<br />

wie die Fichte.<br />

„Doch bei einer Wasserknappheit<br />

unterscheiden sie sich hinsichtlich<br />

ihrer Stresstoleranz.<br />

»Alle Baumarten,<br />

die schon zum jetzigen<br />

Zeitpunkt an<br />

der Grenze ihrer<br />

Möglichkeit leben,<br />

werden es zukünftig<br />

schwerer haben,<br />

als jene, die<br />

in ihrem Wohlfühlbereich<br />

leben.«<br />

Die Douglasie ist hierbei der<br />

Fichte überlegen und wird seltener<br />

von Schadorganismen heimgesucht“,<br />

meint der Wald-Experte.<br />

„Die Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur<br />

(BWI 2012) für<br />

den Landkreis Schwäbisch Hall<br />

zeigen, dass sich im Zeitraum von<br />

1987 bis 2012 die Flächen der<br />

Baumarten deutlich verändert haben.<br />

Das Laubholz steigert sich<br />

von 8,7 Prozent auf 28 Prozent,<br />

Buche von 12,7 Prozent auf 19<br />

Prozent, Eiche von 11,4 Prozent<br />

auf 13 Prozent und die Baumartengruppe<br />

Weißtanne, Douglasie, Kiefer<br />

und Lärche von 11,5 Prozent<br />

auf 12 Prozent. Im Gegensatz verringert<br />

sich die Fichtenfläche von<br />

55,7 Prozent auf 28 Prozent“, erklärt<br />

Leicht.<br />

Doch der Klimawandel fördert<br />

auch Schädlinge, wie den Borkenkäfer.<br />

Das flexible Gleichgewicht,<br />

dass normalerweise zwischen<br />

Schädlingen und den Bäumen als<br />

ihre Wirtspflanzen besteht, ist bei<br />

bestimmten Baumarten verloren<br />

gegangen. „Der Fichte zum Beispiel<br />

wird es in unseren Breiten aller<br />

Voraussicht nach zukünftig<br />

nicht mehr gelingen, ein solches<br />

Gleichgewicht wieder herzustellen.“,<br />

ist sich Leicht sicher. Ganz<br />

klar, seien der Eichenprozessionsspinner<br />

und der Buchdrucker typische<br />

Gewinner des Klimawandels.<br />

Und auch in Bezug auf die Sägewirtschaft<br />

zeigt der Klimawandel<br />

Klimawandel: Erhöhte Temperaturen fördern auch Schädlinge, wie den Borkenkäfer. Sich an das neue<br />

Gleichgewicht anzupassen, wird vielen heimischen Baumarten schwer fallen. Die Folge: Ihr Anteil wird<br />

auch in Hohenlohe-Franken weiter zurückgehen.<br />

Foto: Lino Mirgeler/NPG-Archiv<br />

seine Folgen. „Hohe und ungeplante<br />

Schadholzmengen führen<br />

kurzfristig betrachtet zu einer<br />

Überversorgung der Sägewerke“,<br />

sagt Leicht. Zudem reiche die Kapazität<br />

der regionalen Säger häufig<br />

nicht aus, um das ganze Holz<br />

aufzunehmen.<br />

AUSBLICK „Nach großen Schadereignissen<br />

wird dem Wald in den<br />

Folgejahren planmäßig weniger<br />

Holz entnommen, was dann oft zu<br />

einer Unterversorgung mit heimischem<br />

Holz führt“, erzählt Konrad<br />

Leicht. Er glaubt, dass sich der<br />

Laubholzanteil im Landkreis<br />

Schwäbisch Hall langfristig zu Lasten<br />

des Nadelholzanteils erhöhen<br />

wird. Die regionale und auch die<br />

angrenzende Sägewirtschaft sei<br />

aber zum großen Teil auf das Verarbeiten<br />

von Nadelholz ausgerichtet.<br />

Daher müssen in Leichts Augen<br />

die Forst- und Holzwirtschaft<br />

„gemeinsam den sich veränderten<br />

Verhältnissen konzeptionell entgegentreten“.<br />

Doch welche Herausforderungen<br />

kommen dann in Zukunft<br />

auf den Förster zu? „Wälder<br />

sind durch ihre starke Umweltbindung,<br />

durch lange Bewirtschaftszeiträume<br />

und durch ihr Unvermögen,<br />

den Ort zu wechseln, sehr anfällig<br />

gegenüber den möglichen<br />

Einwirkungen des Klimawandels“,<br />

sagt Leicht. „Wälder müssen<br />

an die klimatischen Veränderungen<br />

angepasst werden“.<br />

Konkret bedeutet das: Weniger<br />

Reinbestände, sondern eher<br />

Mischbestände, geringerer Nadelholzanteil,<br />

dafür höherer Laubholzanteil<br />

und zudem weniger<br />

gleichalte Wälder, dafür mehr ungleichalte<br />

Wälder.<br />

www.lrasha.de

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