_flip_joker_2018-10
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18 KULTUR JOKER NACHHALTIG<br />
Mit Hambacher Braunkohle wird Fessenheimer<br />
Brennstoff produziert<br />
Der Hambacher Wald ist derzeit in aller Munde. Mutige, vor allem junge Menschen, die seit einigen Jahren in<br />
luftiger Höhe, in Baumhäusern in diesem rund 12.000 Jahre alten Rest eines einmaligen Biotops in Europa leben,<br />
stellen sich einer schier unbezwingbaren Macht aus Stromkonzern, Politik und Polizei entgegen<br />
Die Solidarität wächst, tausende<br />
Menschen kommen Woche<br />
für Woche in den Wald, schließen<br />
sich dem empathischen<br />
Waldpädagogen Michael Zobel<br />
an, der eigentlich davon träumt,<br />
wieder in Frieden mit Kindergruppen<br />
Tierspuren, Blätter und<br />
Baumrinden zu betrachten.<br />
In der sich immer höher aufschaukelnden<br />
Woge der Solidarität<br />
entdeckt manch einer seine<br />
eigenen Möglichkeiten, so er an<br />
einer Schlüsselposition sitzt, an<br />
einem Schalthebel der Macht.<br />
Arbeitsbühnen-Verleih-Firmen<br />
wie Gerken, Cramer und Hundrup<br />
haben mittlerweile ihre<br />
Geräte aus dem Wald abgezogen.<br />
Rocklegende Udo Lindenberg<br />
ruft alle „Paniker“ zur „vollen<br />
Solidarität mit den Aktivisten“<br />
auf, denn was „der RWE Konzern<br />
im Hambacher Wald veranstaltet,<br />
ist unfassbar - und fordert<br />
unseren Widerstand“. Liedermacher<br />
Bodo Wartke zaubert eine<br />
wortgewaltige Ballade aus der<br />
Klaviatur und erreicht damit<br />
binnen weniger Tage Zehntausende<br />
über youtube. Der Gründer<br />
der Suchmaschine Ecosia,<br />
Christian Kroll, ruft unter dem<br />
Hashtag #CiaoRWE zum Stromwechsel<br />
auf. Große Zeitungen<br />
liefern mit Hintergrundinformationen<br />
über Kapitalverflechtungen<br />
im Strommarkt Entscheidungshilfen<br />
zum Ökostrom. Die<br />
Satire-Sendungen extra3 und die<br />
Heute Show machen sich über<br />
eine missglückte Baumhaus-<br />
Wochenend-Aktion von Landwirtschaftsministerin<br />
Klöckner<br />
Ein Polizist hört einer Aktivistin in knapp 20 Meter Höhe zu<br />
lustig und Moderator Oliver<br />
Welke animiert ganz beiläufig<br />
zum RWE-Boykott.<br />
Die großen Umweltschutzorganisationen<br />
rufen zur Demonstration<br />
am 6. Oktober im Hambacher<br />
Forst auf und organisieren<br />
Busse ins Rheinland. Das wird<br />
all die freuen, die die Berichterstattung<br />
verfolgen, bei denen die<br />
Arroganz der Macht inzwischen<br />
eine unheilige Wut provoziert hat<br />
und diejenigen, die das Gefühl<br />
haben, etwas zu verpassen, wenn<br />
sie bei der großen Bewegung im<br />
Hambacher Wald nicht mit dabei<br />
sein können.<br />
Das Kohlebündnis aus RWE,<br />
der NRW-Landesregierung und<br />
der Polizei entfaltet ebenfalls<br />
eine gewisse Kreativität: Das<br />
Innenministerium verbreitete<br />
Falschmeldungen von ausgebufften<br />
Tunnelsystemen unter<br />
Der Klimawandel ist unleugbar,<br />
daher muss jetzt gehandelt<br />
werden. Wann auch<br />
sonst? Die Veranstaltungsreihe<br />
„Klimawandel. Hier und Jetzt:<br />
Handeln“, eine Reihe des Fuss<br />
e.V., Förderverein für umweltfreundliche<br />
Stromverteilung<br />
und Energieerzeugung in Schönau<br />
im Schwarzwald und der<br />
Fabrik für Handwerk, Kultur<br />
und Ökologie e.V. in Freiburg,<br />
bringt im Oktober und November<br />
viele Instututionen und<br />
dem Hambacher Forst – „wie im<br />
Vietnamkrieg“ und von „Eimerfallen“<br />
– ähnlich dem Prinzip<br />
der Spunkfalle, die einst Pippi<br />
Langstrumpf ersann, was sich<br />
jedoch als eine harmlose Seilbefestigung<br />
entpuppte. Pressebeobachter<br />
subsumierten die<br />
kläglichen Diskreditierungsversuche<br />
unter den Schlagworten<br />
„Tunnelgate“ und „Eimergate“.<br />
Relativ durchsichtig auch der<br />
erstaunliche Ausfall exakt derjenigen<br />
S-Bahn, die eigentlich<br />
pünktlich zum sonntäglichen<br />
Waldspaziergang am 23. September<br />
hätte nach Buir kommen<br />
sollen. Die DB-Kommunikationsabteilung<br />
war sich offenbar<br />
nicht schlüssig, ob ein – nicht für<br />
die ganze Schicht, sondern nur<br />
für einen einzigen Zug – krankgemeldeter<br />
Lokführer plausibler<br />
sei oder eine technische Störung<br />
Formate in Freiburg zusammen,<br />
um auf dieses wichtige Thema<br />
eindringlich aufmerksam zu<br />
machen und Handlungsmöglichkeiten<br />
vorzustellen. Am<br />
16. Oktober, 18 Uhr macht der<br />
Vortrag von Sarah Daum und<br />
Virginia Boye den Anfang. Auf<br />
dem Grethergelände stellen<br />
sie die provokante Frage: Sind<br />
2000m² pro Mensch genug um<br />
alle Bedürfnisse abzudecken?<br />
Weitere Vorträge von Professor<br />
Mojib Latif zur Nachhaltigkeit<br />
und kommunizierte kurzerhand<br />
beides. Ohne den Widerspruch<br />
aufzulösen.<br />
Bahnvorstand Ronald Pofalla<br />
ist übrigens nicht als Lokführer<br />
eingesprungen, sondern blieb<br />
auf seinem Posten als Co-Vorsitzender<br />
der Kohlekommission.<br />
Seine juristische Expertise<br />
ist beim Kohleausstieg sicher<br />
gefragt, schließlich hat er den<br />
Konzernen schon beim Atomausstieg<br />
über die Organisation<br />
handwerklicher Fehler den<br />
Weg zu Entschädigungsklagen<br />
geebnet. Legendär der Brief des<br />
Ex-RWE-Chefs Großmann, der<br />
da schrieb: „Herr Minister Pofalla<br />
sagte mir zu, mir ... einen<br />
schriftlichen Bescheid zu geben,<br />
dass Sie ein evtl. Anfahren verhindern<br />
werden. Wann können<br />
wir mit diesem Schreiben rechnen?“<br />
in unserer aktuellen Gesellschaft<br />
(24. Oktober, 19 Uhr,<br />
Aula in der Universität) und Dr.<br />
Ralph Hintemann zum Internet<br />
als Umweltgefährder (25. Oktober,<br />
20 Uhr, Kulturaggregat)<br />
zeigen die Probleme auf, die<br />
uns aktuell belasten. Optimistischer<br />
blickt der Film Wasser<br />
für alle? Alle für Wasser am 26.<br />
Oktober, 20 Uhr im Kulturaggregat<br />
auf die Möglichkeiten,<br />
sauberes Wasser für alle zu<br />
schaffen. Und auch der Vortrag<br />
Ist der Hambacher Braunkohle-<br />
Tagebau weit weg oder tangiert<br />
es auch die Hitze-überverwöhnte<br />
Region Südbaden? Durchaus,<br />
und zwar in mehrerlei Hinsicht.<br />
Das grenznahe AKW Fessenheim<br />
wird nämlich auch mithilfe<br />
des Image-geschädigten Fossil-<br />
Nuklear-Konzerns am Laufen gehalten:<br />
1/6 der Anteile hält RWE<br />
an Urenco, der Uran-Fabrik,<br />
die im Nordrheinwestfälischen<br />
Gronau energieaufwendig Uranhexafluorid<br />
durch Zentrifugen-<br />
Kaskaden schickt, um für die<br />
Brennstäbe der Atomkraftwerke<br />
in ganz Europa den Spaltstoff<br />
Uran 235 anzureichern. Urenco<br />
gibt an, dass „der größte Teil der<br />
eingesetzten elektrischen Energie<br />
zum Antrieb der Zentrifugen und<br />
zu Kühlzwecken erforderlich“<br />
sei. „Der Strom unseres Energieversorgers<br />
RWE …“ so Urenco<br />
in seiner „Umwelterklärung<br />
2016“ setzte sich aus überwiegend<br />
schmutzigen Komponenten<br />
zusammen. Die Hälfte des Mixes<br />
stammt aus Kohle, also wird mit<br />
Hambacher Braunkohle Fessenheimer<br />
Brennstoff produziert<br />
und somit hängt auch die ach-so-<br />
CO2-arme Atomkraft am Tropf<br />
der „billigen“ – weil subventionierten<br />
- Braunkohle. Auch ohne<br />
die gesamte Gespensterdebatte<br />
um Leitungen aus den nördlicheren<br />
Netzverstopfer-Regionen in<br />
den Schwarzwald wird deutlich:<br />
„Jedes verhinderte Windrad verlängert<br />
die Gefahrzeit von Kohleund<br />
Atomkraftwerken“. So sagt’s<br />
der BUND Freiburg und ruft gemeinsam<br />
mit vielen anderen Umweltgruppen<br />
zur Unterstützung<br />
des Protestes im Hambacher<br />
Wald auf. Infos zur Busfahrt am<br />
6.<strong>10</strong>.<strong>2018</strong> ab Freiburg unter http://<br />
www.bund-rvso.de. Eva Stegen<br />
Sofort gegen den Klimawandel<br />
Ein umfangreiches Programm verschiedener Freiburger Institutionen informiert über den<br />
Klimawandel und Methoden, ihm zu begegnen<br />
Foto: Ron Weimann<br />
„Cowfunding Freiburg“ am 27.<br />
Oktober, 20 Uhr im Kulturaggregat<br />
stellt ungewöhnliche<br />
Perspektiven vor.<br />
Offizieller wird es am 29. Oktober,<br />
20 Uhr im Vorderhaus.<br />
Dort informiert Dr. Klaus von<br />
Zahn vom Umweltschutzamt<br />
Freiburg über die städtische Anpassung<br />
an den Klimawandel.<br />
Über die Veranstaltungen im<br />
November informiert zeitnah<br />
die entsprechende Ausgabe des<br />
Kultur Joker!