_flip_joker_2018-10
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THEATER KULTUR JOKER 3<br />
„Es gibt nur uns – und uns ist alle“<br />
Das Theater Basel eröffnet seine Saison mit einem großartigen, spartenübergreifenden „King Arthur“<br />
„Alles ist Illusion“, sagt<br />
Zauberer Merlin in Henry<br />
Purcells „King Arthur“ – und<br />
gibt damit schon die Überschrift<br />
für den Abend vor.<br />
Purcells Semiopera aus dem<br />
Jahr 1691 nach einem Libretto<br />
von John Dryden über den<br />
siegreichen Kampf der Briten<br />
gegen die Sachsen ist wegen<br />
ihrer speziellen Mischung aus<br />
gesprochenen Texten, Gesang<br />
und Tanz und dem häufigen<br />
Wechsel zwischen Realität<br />
und Fiktion nicht leicht auf<br />
die Bühne zu bringen. Am<br />
Freiburger Theater machte<br />
Regisseur Robert Schuster<br />
daraus vor einigen Jahren ein<br />
brutal überzogenes, völlig unmusikalisches<br />
Drama. 2016<br />
karikierte Herbert Fritsch am<br />
Züricher Opernhaus den Stoff<br />
à la Monty Pythons „Die Ritter<br />
der Kokosnuss“. Stephan<br />
Kimmig hingegen macht bei<br />
dieser spartenübergreifenden<br />
Produktion zur Eröffnung<br />
der Basler Saison das Theater<br />
und seine Imaginationskraft<br />
selbst zum Gegenstand. Die<br />
Bühne von Katja Haß besteht<br />
allein aus schweren roten Vorhängen,<br />
die diesen Spielraum<br />
begrenzen und auch mal unterteilen.<br />
Kimmig setzt ganz<br />
auf die kreativen Kostüme<br />
von Anja Rabes, die hochemotionale<br />
Musik von Henry<br />
Purcell und das grandiose,<br />
körperliche Spiel der Akteure.<br />
Vor allem aber vertraut er der<br />
Sprache. Der Basler Hausautor<br />
und Dramaturg Ewald Palmetshofer<br />
hat eine großartige<br />
Neudichtung des Stoffes geschrieben,<br />
die nicht nur wunderbar<br />
rhythmisiert ist, sondern<br />
den Figuren mehr Profil<br />
und Nuancen verleiht. Lange<br />
Monologe zeigen wie bei den<br />
großmäuligen Kontrahenten<br />
König Arthur (Elias Eilinghoff)<br />
und dem Sachsenkönig<br />
Oswald (Michael Wächter)<br />
den weichen Kern der rauen<br />
Charaktere. Der von beiden<br />
begehrten, anfangs blinden<br />
Emmeline verleiht Lisa Stiegler<br />
Ecken und Kanten. Der<br />
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Abend erzählt von menschlichen<br />
Abgründen, wenn drei<br />
Männern im ersten Akt die<br />
Kehle durchgeschnitten wird,<br />
um die Götter günstig zu stimmen<br />
oder Oswald seine Annäherungsversuche<br />
fast bis zur<br />
Vergewaltigung forciert. Die<br />
vier Tänzer (Frank Fannar<br />
Pedersen, Javier Rodríguez<br />
Cobos, Mirko Campigotto und<br />
die enorm präsente Raquel<br />
Rey Ramos), die auch Sprechrollen<br />
übernehmen, erzählen<br />
in ihrer drastischen Körpersprache<br />
von Gewaltexzessen.<br />
Trotzdem besitzt der umjubelte<br />
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Abend eine Leichtigkeit, die<br />
verzaubert. Besonders Carina<br />
Braunschmidt als kindlichtapsiger<br />
Luftgeist Philidel<br />
mit Ingrid-Steeger-Frisur und<br />
Reibeisenstimme ist ein echtes<br />
Erlebnis. Aber auch Max Mayer<br />
als Zauberer Guillamar mit<br />
Zöpfen und flackerndem Blick<br />
und Vincent Glander als fieser<br />
Erdgeist Grimbald brechen<br />
immer wieder genüsslich den<br />
hohen Ton.<br />
Musikalisch ist der Abend<br />
ebenfalls eine Wucht. Das<br />
La Cetra Barockorchester<br />
Basel unter der Leitung von<br />
domani_AZ_45x45_rz.indd 1 12.01.18 13:05<br />
Steffen Höld,<br />
Crina<br />
Braunschmid,<br />
Elias Ellinghof,<br />
Michael<br />
Wächter,<br />
Riccardi Fassi,<br />
Raquel Ray<br />
Ramos<br />
Foto: Sandra Then<br />
Max Mayer,<br />
Lisa Stiegler,<br />
Michael<br />
Wächter<br />
Foto: Sandra Then<br />
Christopher Moulds befeuert<br />
das Geschehen mit markigen<br />
Trommelschlägen und starken<br />
Akzenten, gibt aber auch den<br />
verinnerlichten Momenten<br />
den notwendigen Raum. Sarah<br />
Brady besticht nicht nur in der<br />
Frost-Szene mit reichen Farben<br />
und darstellerischer Präsenz.<br />
Auch Leela Subramaniam (Sopran),<br />
Kristina Stanek (Mezzosopran),<br />
Hyunjai Marco Lee<br />
(Tenor) und der italienische<br />
Bass Riccardo Fassi (Bariton)<br />
singen und spielen in diesem<br />
Gesamtkunstwerk in den verschiedensten<br />
Rollen auf hohem<br />
Niveau – ob auf Rollschuhen<br />
oder einem Karussellpferd.<br />
Der Chor (Leitung: Michael<br />
Clark) ist ähnlich wandlungsfähig<br />
und gibt auch auf der<br />
Tanzfläche alles. Die Polarität<br />
zwischen den Briten und<br />
den Sachsen kulminiert am<br />
Ende im Zweikampf zwischen<br />
Arthur und Oswald. Die beiden<br />
duellieren sich erbittert<br />
mit Kunstblut, das sie dem<br />
Gegner, tragisch und komisch<br />
zugleich, mit dem Mund entgegenspritzen.<br />
Mit den Worten<br />
„Es gibt nur uns – und uns ist<br />
alle ohne Unterschied“, ruft<br />
am Ende Merlin zur Versöhnung<br />
auf und umarmt seinen<br />
noch zögerlichen Widersacher<br />
Guillamar. Selbst der auf<br />
Krawall gebürstete Grimbald<br />
reicht dem zur anderen Seite<br />
übergelaufenen Philidel die<br />
Hand. Liebe ist stärker als<br />
Hass, Gemeinsamkeiten entdecken<br />
schöner als Gegensätze<br />
heraufbeschwören, lautet die<br />
Botschaft des Theaters an die<br />
Wutbürger und Nationalisten.<br />
Weitere Vorstellungen:<br />
1./6./13./18./21./23.<strong>10</strong>.,<br />
1./3./7./18./23.11., 16.12.<strong>2018</strong>.<br />
Georg Rudiger<br />
Badenweiler Musiktage<br />
Echos – ferne Erinnerungen<br />
Minguet Quartett | Jean-Efflam Bavouzet | Jake Arditti |<br />
Arditti-Quartett | GrauSchumacher Piano Duo<br />
www.badenweiler-musiktage.de<br />
08.–11. November <strong>2018</strong><br />
Künstlerische Leitung: Lotte Thaler