Berliner Kurier 21.10.2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
*<br />
POLITIK<br />
Dröhnendes<br />
Schweigen<br />
Na, dann ist ja gut! Einer<br />
nahm die saudische<br />
Räuberpistole von der tödlichen<br />
Prügelei in Istanbul<br />
für bare Münze: Donald<br />
Trump. Nicht weil der US-<br />
Präsident so leichtgläubig<br />
ist. Sondern weil er endlich<br />
wieder in Ruhe seine Deals<br />
einfädeln will: Schwamm<br />
drüber über den Khashoggi-Mord<br />
–die Saudis sind so<br />
reich, denen kann man gar<br />
nicht böse sein! Damit ist<br />
Trump besonders dreist.<br />
Doch alleine steht er nicht.<br />
Die Festnahmen im Umfeld<br />
des saudischen Kronprinzen<br />
sind das Eingeständnis<br />
einer Panne: Diese Aktion<br />
war so stümperhaft vorbereitet,<br />
dafür rollen Köpfe.<br />
Möglicherweise im Wortsinne.<br />
Doch jetzt bitte zurück<br />
zum Alltag!<br />
Was allen Seiten nur recht<br />
ist: Die Briten grübeln zwar<br />
noch über „nächste Schritte“.<br />
Aus Berlin ist aber auch<br />
18 Tage nach dem Gemetzel<br />
außer Ermahnungen wenig<br />
zu hören. Niemand redet<br />
Tacheles, niemand bestellt<br />
den Botschafter ein, niemand<br />
wirft Diplomaten<br />
raus. Es ist ein dröhnendes<br />
Schweigen. Man kann den<br />
Saudis einfach nichts übelnehmen.<br />
Weil es sich nicht<br />
rechnet.<br />
Nick Clegg<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Facebook holt sich den ehemaligen<br />
britischen Vize-<br />
Premier Nick Clegg (51) als<br />
neuen Politik- und Kommunikationschef<br />
an Bord.<br />
Clegg<br />
werde<br />
zum Jahresbeginn<br />
ins<br />
Silicon<br />
Valley<br />
ziehen<br />
und<br />
Nachfolger von Elliot<br />
Schrage werden, hieß es.<br />
Clegg, ein Pro-Europäer,<br />
war monatelang von Facebooks<br />
Gründer und Chef<br />
Mark Zuckerberg umworben<br />
worden.<br />
Foto: dpa<br />
Von<br />
Ralf<br />
Dorschel<br />
MANN DES TAGES<br />
Istanbul – Am Tod des saudischen<br />
Regimekritikers Jamal<br />
Khashoggi zweifelte<br />
längst niemand mehr, doch<br />
nun haben es auch die Saudis<br />
bestätigt: Nach ihrer Darstellung<br />
starb Khashoggi bei<br />
einem „Kampf“ im Konsulat<br />
in Istanbul. Türkische Ermittler<br />
haben eine andere<br />
Version: die eines Killerteams<br />
aus dem Umfeld des<br />
allmächtigen saudischen<br />
Thronfolgers Mohammed<br />
bin Salman.<br />
Der reagierte gestern mit einem<br />
Großreinemachen: Vertraute<br />
wurden gefeuert, 18 Personen<br />
festgenommen. Den wütenden<br />
Türken reicht das nicht.<br />
„Es wird keine Vertuschung<br />
geben“, so ein Regierungssprecher<br />
in Ankara –erkündigte<br />
gestern an, Ton- und Videoaufnahmen<br />
aus dem Konsulat zu<br />
veröffentlichen. Weil die nämlich<br />
eine ganz andere Geschichte<br />
erzählen als das halbe<br />
Geständnis der Saudis: Ein 15-<br />
köpfiges Killerteam reist nach<br />
Istanbul, um Khashoggi zu ermorden.<br />
Alle Mitglieder sind<br />
hochrangige Agenten, Bodyguards<br />
und Mitarbeiter im Büro<br />
des Thronfolgers in Riad.<br />
Dazu kommt ein erfahrener<br />
Arzt und Forensiker, der mit<br />
der Knochensäge im Gepäck<br />
einfliegt. Sie foltern Khashoggi<br />
innerhalb von Minuten nach<br />
seiner Ankunft im Konsulat<br />
Kenntnisreicher Kritiker<br />
des Saudi-Kronprinzen:<br />
Jamal Khashoggi starb im<br />
saudischen Konsulat.<br />
Fall Khashoggi<br />
Saudis gestehen<br />
Journalisten-Mord<br />
Kronprinz feuertMitarbeiter,will aber nichts gewusst haben. Türkei fürchtet<br />
„Vertuschung“. Deutsche Politiker halten Version für unglaubwürdig<br />
und beginnen, den Körper zu<br />
zerlegen, während ihr Opfer<br />
noch lebt. Alles nach türkischer<br />
Darstellung auf Band<br />
festgehalten – genau wie die<br />
müden Proteste des Hausherrn:<br />
Konsul Mohammed al-<br />
Otaibi bat seine Gäste, doch lieber<br />
draußen weiter zu morden.<br />
In Riad rollen nun Köpfe: Geheimdienst-Vize<br />
Ahmed al-<br />
Asiri kann genauso einpacken<br />
wie der einflussreiche Medienstratege<br />
Saud al-Kahtani –beide<br />
gehören zum engsten Kreis<br />
um Mohammed bin Salman.<br />
Der aber –sodie Kernbotschaft<br />
der Saudis –von allem nichts<br />
gewusst habe.<br />
Für die Regierung in Riad<br />
kommt der Skandal nämlich<br />
zur Unzeit: Immer mehr Staaten<br />
und Großkonzerne sagen<br />
ihre Teilnahme an der „Future<br />
Investment Initiative“ in Riad<br />
für die kommende Woche ab –<br />
hier wollte sich das salafistische<br />
Wüstenreich der Welt als<br />
seriöser Handelspartner präsentieren.<br />
Der Königssohn hat<br />
vorsichtige Reformen eingeleitet,<br />
ein paar der besonders mittelalterlichen<br />
islamistischen<br />
Regeln und Gesetze über Bord<br />
geworfen.<br />
Der mit dem Königshaus vertraute<br />
Khashoggi hatte das in<br />
seinen Kolumnen für die „Washington<br />
Post“ gelobt, den<br />
Kronprinzen aber für seinen<br />
immer brutaleren Umgang mit<br />
Kritikern scharf kritisiert.