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hinnerk November 2018

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MUSIK<br />

&<br />

INTERVIEW<br />

BOY GEORGE<br />

CULTURE CLUB<br />

Große Emotionen<br />

Wer hätte das gedacht? „Life“<br />

heißt das Comeback-Album<br />

der Achtziger-Helden Culture Club<br />

(„Karma Chameleon“, „Do You Really<br />

Want To Hurt Me?“), und tatsächlich<br />

steckt noch ordentlich Leben<br />

in der notorisch streitenden – und<br />

momentan friedlich koexistierenden<br />

– Truppe. Wir unterhielten uns mit<br />

Boy George.<br />

Es gibt Künstler, denen muss man jedes<br />

Wort förmlich rauspressen, und es gibt Boy<br />

George. Den braucht man allenfalls leicht<br />

anzustupsen, eigentlich ist nicht einmal das<br />

nötig, und schon beginnt er zu erzählen.<br />

Zum Beispiel über „Let Somebody Love<br />

You“, die sehr angenehm melodische und<br />

gut gelaunt klingende Single aus „Life“,<br />

dem ersten Album von Boy George und<br />

seinem Culture Club seit „Don’t Mind If I<br />

Do“ aus dem Jahre 1999. Das Lied handelt<br />

nämlich von Selbstakzeptanz, und da<br />

FOTO: RANKIN<br />

kann er mitreden, der nunmehr 57 Jahre<br />

alte und in den vergangenen Jahren dank<br />

vegetarischer Kost und dem Verzicht<br />

auf allzu viele alkoholische Kaltgetränke<br />

signifikant erschlankte, inzwischen der<br />

buddhistischen Lehre folgende Frontmann.<br />

„Dich selbst als liebenswert zu empfinden,<br />

ist die entscheidende Voraussetzung, um<br />

deinerseits lieben zu können. In der Liebe<br />

geht es um Risiken, du lebst in der Gefahr,<br />

dass dein Herz gebrochen wird. Der Song<br />

sagt, es lohnt sich, dieses Risiko einzugehen,<br />

wenn du lieben willst.“ George mag es<br />

zum Beispiel, so plaudert er munter weiter,<br />

wenn der andere eigentlich komplett<br />

inkompatibel ist, wenn zwei Liebende wie<br />

Feuer und Wasser sind. „Ich schätze die<br />

Komplexität der Liebe. Klassische romantische<br />

Liebe ist ja eine seltene Sache. Wo hat<br />

man das schon?“ In seinem persönlichen<br />

Leben aktuell jedenfalls nicht. „Ich suche<br />

immer noch. Und ich gucke überall. Selbst<br />

in den Ritzen.“ An dieser Stelle bricht Boy<br />

George, den wir telefonisch in Los Angeles<br />

an einem freien Tour-Tag erwischen, in<br />

schallendes Gelächter<br />

aus. „Aber es<br />

muss sich<br />

niemand<br />

um mich sorgen. Ich lebe nicht wie<br />

ein Mönch, und mir fehlt nichts. Ich war<br />

nie jemand, der unbedingt einen Partner<br />

brauchte, nur um einen Partner zu haben.<br />

Ich habe viel Lebenszeit als Single-Mann<br />

verbracht. Und ich bin wirklich gerne<br />

Single.“<br />

Und außerdem sei er ohnehin die meiste<br />

Zeit am Arbeiten, nicht zuletzt an seiner<br />

Zweitkarriere als Reality-TV-Experte in „The<br />

Voice UK“, „The Voice Australia“ und „Celebrity<br />

Apprentice“, sondern insbesondere an<br />

dieser Comeback-Platte. Dass die Entstehung<br />

von „Life“ keine ganz unkomplizierte<br />

Erfahrung war, kann sich ein jeder denken,<br />

der auch nur ansatzweise mitbekommen<br />

hat, wie sehr sich diese vier Herren – Boy<br />

George, Roy Hay, Mikey Craig und Jon Moss<br />

– immer wieder mehr oder weniger herzlich<br />

beharkten. Dass Boy George und Schlagzeuger<br />

Moss damals in den Achtzigern ein<br />

heimliches Liebespaar waren und tumultartig<br />

auseinandergingen, beschäftigte George<br />

noch jahrelang. Damals schlitterte er gar in<br />

eine Heroinabhängigkeit, die er auch leicht<br />

hätte nicht überleben können. „In einer<br />

Band zu sein, ist nie unkompliziert“, sagt er.<br />

„Wir sind wie eine Familie mit vier Persönlichkeiten<br />

und vier Egos. Wir mussten warten,<br />

bis wir wieder eine Verbindung spürten<br />

und untereinander gut auskamen und gute<br />

Musik schreiben konnten.“ Anfang dieses<br />

Jahres sei es endlich so weit gewesen, und<br />

„Life“ nahm Gestalt an. „Das neue Album<br />

ist sicher nicht perfekt, aber es kommt von<br />

uns, es ist aufrichtig.“ Nicht zuletzt ist es<br />

sehr zugänglich und durchaus zeitgemäß.<br />

Soul, Pop und Reggae sind wie immer<br />

bewährte Zutaten, in „Bad Blood“ wird es<br />

dann sogar ein bisschen funky, „Human<br />

Zoo“ gehört definitiv in jeden Mainstream-<br />

Radiosender und „What Does Sorry Mean“<br />

oder „Oil & Water“ sind hübsch besinnlich.<br />

„Das hat sich so entwickelt mit den großen<br />

Refrains, auch mit dem Pathos, wir sind halt<br />

in den Siebzigern und Achtzigern aufgewachsen,<br />

wir kommen aus einer Zeit, in<br />

der Songs mächtige Melodien und große<br />

Emotionen hatten.“<br />

*Interview: Steffen Rüth

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