SchlossMagazin Bayerisch-Schwaben November 2018
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mittlerweile zweijährigen Tochter als Hausregisseurin ins<br />
Festangestelltenverhältnis nach Augsburg holte, ist für sie ein<br />
Riesenvorteil. Ihr bisheriges Theaterleben war immer geprägt<br />
durch mehrwöchige Abwesenheiten von zuhause und von ihrem<br />
damals in Salzburg lebenden, langjährigen Freund. Mittlerweile<br />
ist die junge Familie in Augsburg heimisch geworden;<br />
ihr Lebensgefährte hat sich hier mit einem IT-Unternehmen<br />
selbstständig gemacht. Als feste Hausregisseurin genießt sie<br />
nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern vor allem die Möglichkeit<br />
einer optimalen, dauerhaften Kommunikation mit allen<br />
Teammitgliedern am Theater. Sie kann nun die Schauspieler<br />
viel besser kennenlernen und gegenseitiges Vertrauen aufbauen.<br />
So sei über mehrere Inszenierungen hinweg ein ganz anderes<br />
Feedback möglich.<br />
Zuständig<br />
für „Plan A“<br />
Ihre erste Arbeit in Augsburg im Rahmen<br />
Ihres Ressorts „Plan A“ war das neue zeitgenössische<br />
Stück „Paradies fluten“. Für<br />
die Inszenierung engagierte sie als Gast eine Vertikalseil-Artistin<br />
– gemäß ihres Faibles für Körper und Bewegung. Nach jeder<br />
Vorstellung gab es Publikumsgespräche: „Den direkten unmittelbaren<br />
Austausch zwischen Zuschauern und Ensemble halte<br />
ich für einen äußerst wichtigen Faktor“, erläutert Schneiderbauer.<br />
Die Projekte der interdisziplinären Plattform „Plan A“<br />
finden auch an ungewöhnlichen Orten wie dem Orchesterprobensaal<br />
oder dem Kunstmuseum Walter statt. Im Sinne einer<br />
optimalen Verknüpfung verschiedener Sparten wird auch mit<br />
dem Textilmuseum tim und dem Grandhotel Cosmopolis zusammengearbeitet<br />
– im Rahmen offener Veranstaltungsformate<br />
mit Inhalten, die stets Bezug zu Augsburg haben und die aus<br />
„Plan A“ eine wahre Wundertüte machen.<br />
Auf den Trümmern Hinter diesem Titel verbirgt sich eine<br />
das Morgen neue multimediale und multiperspektivische<br />
Reihe, die in unterschiedlichen Formaten<br />
das Spielzeitmotto „Geistzeit“ beleuchtet. Den Auftakt<br />
hatte im Oktober eine Filmnacht im Kühlergebäude des Gaswerks<br />
gemacht, mit dem legendären Filmepos „Metropolis“ von<br />
Fritz Lang (Uraufführung 1927). Mit musikalischer Live-Begleitung<br />
begab sich das Publikum auf eine Reise in die zukunftsweisende<br />
Vergangenheit der Filmkunst. Weiter geht es in regelmäßigen<br />
Abständen mit Diskussionsabenden mit Philosoph/*innen<br />
und Wissenschaftler/*innen, Filmabenden, Lesungen und Konzerten,<br />
die soziale, politische und ästhetische Zusammenhänge<br />
der vergangenen hundert Jahre untersuchen und in Bezug zu<br />
unserer Gegenwart und Zukunft setzen.<br />
Europe Central<br />
Am 12. Januar feiert die Uraufführung von<br />
„Europe Central“ nach dem preisgekrönten<br />
Roman von William T. Vollmann im Gaswerk Premiere. „Mich hat<br />
der Text fasziniert, hat mich regelrecht hineingezogen“ begründet<br />
Nicole Schneiderbauer die Wahl dieses Sujets. Berühmte, berüchtigte<br />
und auch anonyme Menschen schildern darin subjektiv<br />
ihre Erlebnisse aus den Jahren von 1906 bis 1975. Dieser Handlungszeitraum<br />
deckt sich mit den Lebensdaten des Komponisten<br />
Dmitri Schostakowitsch, dessen Werke immer wieder wie ein<br />
apokalyptischer Soundtrack zwischen den Erzählungen zu hören<br />
sind. Der ganze Roman ein zur Symphonie gewordenes Stimmengewirr,<br />
das multiperspektivisch ein Panorama des 20. Jahrhunderts<br />
öffnet. Nicole Schneiderbauer hat es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, den ausufernden, überbordenden und grandiosen Tausendseiter<br />
mit fünf Schauspielern und einer Musikerin zu raffen,<br />
auf die wesentlichen Aussagen zu reduzieren und gleichzeitig<br />
den Geist der Ursprungwerkes spürbar zu machen. Für die Dramaturgie<br />
zuständig ist Nicole Schneiderbauer bei der Wiederaufnahme<br />
von „Das Ungeheuer“ auf der Alten Orchesterprobenbühne,<br />
einer filmisch-theatralen Adaption des Romans von<br />
Terézia Mora, die im Oktober den Georg-Büchner-Preis erhielt.<br />
Sinnstiftendes<br />
Warten<br />
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen<br />
stieß das Team um Nicole Schneiderbauer<br />
auf tönende Ampeltaster: gelbe „Dinger“, die normalerweise<br />
an Ampelmasten hängen, um das Signal für Fußgänger<br />
zu aktivieren. Wer genauer hinschaut, erkennt an einigen, die<br />
eben NICHT an Ampeln angebracht sind, das pinkfarbene Ananas-Logo<br />
des Theaters. Diese sog. „Sinnboxen“ stellen Hörstationen<br />
dar, mit denen Passanten an sieben verschiedenen Orten<br />
im Stadtgebiet, z. B. am Merkurbrunnen oder am Domplatz, auditiv<br />
in die Theatersaison eintauchen können. Betätigt man die<br />
Taste, sind Texte und Fragestellungen bekannter Autoren zu<br />
hören. Die reaktive Intervention verwebt „Sinnsucht“ und<br />
„Geistzeit“, verknüpft das alte und das neue Spielzeitmotto des<br />
Staatstheaters Augsburg. Entwickelt wurde die Sinnbox innerhalb<br />
eines Jahres vom Augsburger Labor für Medienkunst LAB<br />
BINÆR in Zusammenarbeit mit der Plattform Plan A, technisch<br />
gesponsert von der Langmatz GmbH.<br />
Bindeglied zur<br />
Aber nicht nur „Plan A“ fällt in Nicole<br />
Freien Szene Schneiderbauers Aufgabenbereich. Sie ist<br />
zudem Ansprechpartnerin für die Freie<br />
Szene. Ihr ist es ein besonderes Anliegen, mit ihren Inszenierungen<br />
und neuen Formaten auch vermehrt das jüngere Publikum<br />
anzusprechen. So setzt sie in Zukunft u. a. auf Kooperationen<br />
mit freien Theatergruppierungen, Künstlerinnen und<br />
Akteurinnen der Stadtgesellschaft. Vernetzung und Austausch<br />
lautet die Prämisse. Bleibt abzuwarten und zu staunen, was Nicole<br />
Schneiderbauer und ihr Team demnächst sonst noch aus<br />
der Wundertüte ziehen. #