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Achtung! Warum Unternehmen Menschenrechte beachten müssen

Bei Menschenrechten geht es um Würde und Achtung. Daran haben sich auch Unternehmen und Staaten zu halten. Aber tun sie das auch? Die aktuelle Ausgabe des Wirtschaftsmagazins UmweltDialog lotet auf 84 Seiten die vielen Facetten des hochaktuellen und brisanten Themas Menschenrechte aus.

Bei Menschenrechten geht es um Würde und Achtung. Daran haben sich auch Unternehmen und Staaten zu halten. Aber tun sie das auch? Die aktuelle Ausgabe des Wirtschaftsmagazins UmweltDialog lotet auf 84 Seiten die vielen Facetten des hochaktuellen und brisanten Themas Menschenrechte aus.

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<strong>Menschenrechte</strong><br />

Dagegen setze ich einen qualitativen Freiheitsbegriff,<br />

der lautet: „Je besser, desto<br />

mehr“. Also je besser unsere individuelle<br />

Freiheit mit dem universellen Gedanken<br />

der Freiheit übereinstimmt, desto echter<br />

ist die Freiheit und desto stärker sollten<br />

wir sie schätzen, schützen und stärken.<br />

Da rollen aber zwei sehr entgegengesetzte<br />

Züge aufeinander …<br />

In der Tat! Genau an der Bruchstelle erleben<br />

wir im Moment eine heftige Auseinandersetzung:<br />

Die einen wollen minimale<br />

Restriktionen, minimale Regierung,<br />

minimale Steuern und so weiter. Die<br />

anderen halten dagegen und sagen: Die<br />

Freiheit der anderen ist zwar die Grenze meiner Freiheit,<br />

aber auch die Grundlage, von der her meine eigene Freiheit<br />

erst zu denken ist: Individuelle Freiheit und kosmopolitische<br />

Verantwortung gehören zusammen.<br />

Dieser Freiheitsbegriff beruht auf gegenseitiger Toleranz.<br />

Ihr Kollege John Gray hat sich jüngst in einem spannenden<br />

Essay sehr frustriert geäußert. Für ihn ist es nicht<br />

weit her mit Toleranz – der Liberalismus habe sich vielmehr<br />

von einem Konzept der Toleranz hin zu einer Orthodoxie<br />

verwandelt, die kein Abweichen zulässt. Leben wir<br />

in zunehmend intoleranten Zeiten?<br />

Ich freue mich, dass Sie das ansprechen, weil die Verorthodoxierung<br />

des Liberalismus – also die Intoleranz gegenüber<br />

anderen Meinungen – genau jener quantitativen<br />

Art von egoistischer Freiheitsauslegung geschuldet ist.<br />

Wenn wir uns anschauen, was Neoliberale und Libertäre<br />

in den letzten Jahrzehnten so gemacht haben, dann gibt es<br />

da schon ein Muster:<br />

Sie übernehmen einen eng verstandenen Positivismus<br />

und sagen: Wir <strong>müssen</strong> wertfrei an die Geschichte ran,<br />

weil wir ja so fürchterlich tolerant sind. Und weil wir<br />

wertfrei über alles reden, auch über die Freiheit selbst,<br />

dürfen wir auch nicht mehr sagen, welche Freiheiten wir<br />

eigentlich meinen oder welche Freiheiten für uns wichtig<br />

sind. Da wir das nicht mehr tun dürfen, aber trotzdem<br />

beurteilen wollen, welche Regierungssysteme besser sind<br />

– das von Putin oder von Merkel – bleibt uns stattdessen<br />

nur noch die Quantität der individuellen Optionen.<br />

Am Ende entsteht ein System, das wertfrei sein möchte,<br />

aber durch und durch mit der Wertung besetzt ist, weil<br />

diejenigen Freiheiten, die zähl- und messbar sind, darin<br />

”<br />

besser performen und entsprechend wichtiger werden.<br />

So kriegen wir Freiheit für die Konsumgesellschaft, aber<br />

keine Freiheit der Lebenschancen. Faktische Besitzstände<br />

und erworbene Rechte lassen sich so wohl schützen, kontrafaktische<br />

Ansprüche (etwa auf Sozialleistungen) eher<br />

nicht. Die kriegen wir erst in den Blick, wenn wir zugestehen,<br />

dass zur Freiheit auch Aspekte gehören, die wir nicht<br />

messen, zählen oder wiegen können.<br />

Es geht gar nicht in erster<br />

Linie darum, zu sagen, wer<br />

Recht hat, sondern darum<br />

festzulegen, wer das Recht<br />

hat zu entscheiden.<br />

Wie kommen wir aus der Zwickmühle wieder raus?<br />

Umdenken! Den Pseudo-Positivisten sage ich: Indem ihr<br />

zählt, wertet ihr. Wir <strong>müssen</strong> zurück zur Ausgangsfrage:<br />

Was gilt uns eigentlich als eine Freiheit, die wir schützen,<br />

schätzen und stärken wollen?<br />

Bei jedem Menschen ist intuitiv die Einsicht vorhanden,<br />

dass es Freiheiten unterschiedlicher Rangstufe gibt. Ein<br />

Beispiel dazu: Es gibt die Freiheit, entweder auf der linken<br />

oder der rechen Fahrbahn zu fahren, welche sinnvollerweise<br />

durch die Straßenverkehrsordnung eingeschränkt<br />

wird.<br />

Das kann man aber nicht über einen Kamm scheren etwa<br />

mit Einschränkung von Freiheit, sich politisch nur links<br />

oder nur rechts äußern zu dürfen. Beides reduziert unsere<br />

Freiheit, aber dennoch sind die Beschränkungen keinesfalls<br />

gleichwertig. Das sieht jeder. Um es aber begründen<br />

zu können, <strong>müssen</strong> wir auf Werte zurückgreifen und<br />

erklären, warum etwa die Meinungsäußerungsfreiheit<br />

wichtiger ist als die freie Wahl des Fahrstreifen. Dafür<br />

brauchen wir Pluralität, Differenz, Divergenz: Solche Gewichtungen<br />

lassen sich nicht im voraus auf Kreidetafeln<br />

berechnen, man muss man darüber Dialog führen und es<br />

dann demokratisch entscheiden.<br />

14 Ausgabe 10 | November 2018 | Umweltdialog.de

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