KEM Konstruktion 04.2017
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MESSE<br />
HANNOVER MESSE<br />
Künstliche Intelligenz: Die Digital Factory wird zu einem Hot Spot der Hannover Messe<br />
Kristallkugel gefällig?<br />
Wohl niemand hätte sich 2004 bei der ersten Ausrichtung der Digital Factory als Internationaler Leitmesse für<br />
integrierte Prozesse und IT-Lösungen innerhalb der Hannover Messe gedacht, dass sie sich zu einem Kern der<br />
ganzen Veranstaltung entwickeln würde. Wenn man heute Digital Factory sagt, denken alle an Industrie 4.0 und<br />
das Industrial Internet of Things (IIoT), an intelligente Prozesse und autonome Maschinen – und wer genau<br />
hinschaut, der kann auch in diesem Jahr wieder ein bisschen vorausschauen.<br />
Ulrich Sendler, unabhängiger Technologieanalyst und Autor, München<br />
Wegen der Nähe zur deutschen Industrie hat<br />
IBM die weltweite Zentrale von Watson IoT in<br />
München errichtet (im Bild). Vorgestellt wird<br />
das ‚Cognitiv Computing‘ auf der Digital<br />
Factory; im Umfeld von Plattformen als Teil<br />
der digitalen Transformation – wie Bosch IoT<br />
Cloud, SAP Hana Cloud Plattform, Mindsphere<br />
von Siemens oder Microsoft Azure<br />
Überquellende Listen mit potenziellen Ausstellern, eine bis auf den<br />
letzten Quadratmeter gefüllte und gegenüber dem letzten, bereits<br />
sehr erfolgreichen Jahr nochmals gewachsene Digital Factory – es ist<br />
ganz offensichtlich, dass sich hier gerade etwas Besonderes abspielt.<br />
Das Besondere ist ein ziemlich umfassender Spiegel der tatsächlichen<br />
Umbrüche, die die Industrie insgesamt erlebt. Waren vor 13 Jahren IT-<br />
Systeme und ihre Integration in die Prozesse der industriellen Wertschöpfung<br />
der wichtigste Hebel, mit dem die Industrie ihre Innovation<br />
vorantreiben konnte, sind jetzt die IT-Systeme eher der Standard, auf<br />
dem eine vernetzte, smarte Industrie aufsetzt. Die Nutzung der IT-Systeme<br />
allein reicht nicht mehr aus – und es ist wieder die Digital Factory,<br />
auf der sich dies sehr eindrucksvoll<br />
exemplarisch zeigt.<br />
Schon im letzten Jahr dehnte sich<br />
die Messe aus der Haupthalle 7 in<br />
die Halle 6 aus und bildete einen<br />
Brückenkopf in die Industrial Supply.<br />
Die größere Veränderung hat aber, zunächst weitgehend unbemerkt,<br />
die Haupthalle 7 erfahren. Denn – neben Beratungshäusern und den<br />
Herstellern von IT für ERP und MES – haben sich dort mit IBM Watson<br />
IoT und Microsoft Azure zwei der wichtigsten Anbieter für ‚Künstliche<br />
Intelligenz‘ (KI) und ‚Maschinenlernen‘ sehr zentral positioniert. Nicht<br />
auf einer IT-Messe, sondern im Rahmen der weltweit größten Industriemesse.<br />
Microsoft war nicht immer in der Digital Factory. IBM war hier<br />
„Die Daten, die ein Gerät erzeugt<br />
oder sammelt, werden wichtiger<br />
als das Gerät selbst.“<br />
bis vor einigen Jahren als Partner von PLM-Anbieter<br />
Dassault Systèmes. Aber dann wurde<br />
dieser Bereich vollständig an den französischen<br />
Softwareanbieter verkauft. Wenn IBM jetzt mit<br />
Watson IoT zurück ist, dann spielt dabei das<br />
Thema PLM nur eine Nebenrolle. Die Hauptsache<br />
ist ähnlich wie bei Microsoft das Angebot<br />
völlig neuer Methoden, die IBM ‚kognitiv‘<br />
(Cognitive Computing) nennt. Dinge, Produkte,<br />
Maschinen und Anlagen sollen während ihres Betriebs und ihrer Nutzung<br />
Erkenntnisse sammeln und daraus lernen.<br />
Bild: Konradin Mediengruppe<br />
Maschinen lernen<br />
Dass mittels Algorithmen der Künstlichen Intelligenz Maschinen lernen,<br />
ist gleichsam über Nacht nicht mehr Science Fiction und reines Forschungsthema,<br />
sondern eine Frage, die selbst mittelständische Unternehmen<br />
umzutreiben beginnt. Der Grund ist derselbe, der Industrie 4.0<br />
und das Industrial Internet of Things zu so rasantem Erfolg verholfen<br />
hat: Sensoren, Aktoren, Kameras und andere digitale Komponenten zur<br />
Erfassung von Daten aus vernetzten Geräten aller Art sind massenhaft<br />
preisgünstig zu haben; Speicher und<br />
Rechenleistung sind über Miniaturisierung,<br />
Cloud-Technologie und Serverfarmen<br />
beinahe grenzenlos verfügbar.<br />
Da können plötzlich neuronale<br />
Netze und Algorithmen für die<br />
Auswertung von riesigen Datenmengen dort zum Einsatz kommen, wo<br />
man zuletzt damit gerechnet hat: in der Industrie.<br />
Was ändert sich? Die Industrie steht an der Schwelle zu einer gänzlich<br />
neuen Art der Wertschöpfung. Künftig werden die Unternehmen weniger<br />
über den Verkauf eines Produktes ihre Gewinne realisieren als über<br />
neuartige Dienstleistungen, die sie mit dem Produkt oder auf seiner Basis<br />
anbieten. Die Daten, die ein Gerät erzeugt oder sammelt, werden<br />
wichtiger als das Gerät selbst. Das ist nicht nur neu und ungewohnt, es<br />
verlangt auch ein gänzlich anderes Denken bei den Verantwortlichen für<br />
Produktentwicklung, Produktion, Vertrieb und Service. Sie brauchen da-<br />
26 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> 04 2017