22.11.2018 Aufrufe

ECHO Top1000 2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

top 1000 | INTERVIEW<br />

der Bedarf an Lehrlingen decken ließe, stünde<br />

damit trotzdem ein großes Potenzial junger<br />

Arbeitskräfte zur Verfügung. Die Politik<br />

steht dem aber immer wieder skeptisch gegenüber.<br />

Kann Niederösterreichs Wirtschaft<br />

auf dieses Arbeitskräftepotenzial verzichten?<br />

Zwazl: Darum geht es nicht. Wir sollten<br />

die Asylfrage streng von der Migrationsfrage<br />

trennen. Die demoskopische Entwicklung<br />

zeigt ganz klar, wie rapide die Überalterung<br />

in Österreich zunehmen wird. Deshalb<br />

brauchen wir eine kluge Migrationspolitik.<br />

Die Lehre darf aber nicht zum Einfallstor<br />

für Asylwerber werden, das wäre der komplett<br />

falsche Weg. Ich bin für humanitäre<br />

Lösungen für Asylwerber, die hier bereits<br />

eine Lehre machen und ordentlich arbeiten.<br />

In ihrem eigenen und im Interesse des sie<br />

beschäftigenden Betriebs. Dennoch müssen<br />

wir das System ändern. Es braucht mehr<br />

Rechtssicherheit für alle Beteiligten, die kann<br />

es nur durch kürzere Asylverfahren geben.<br />

Als Wirtschaftskammer Nieder österreich<br />

leisten wir einen Beitrag zur Versachlichung<br />

der Diskussion, indem wir gemeinsam mit<br />

dem AMS Niederösterreich die Potenziale<br />

von lehrstellensuchenden jungen Menschen<br />

austesten. Und zwar bei ÖsterreicherInnen<br />

ebenso wie bei Asylberechtigten.<br />

<strong>ECHO</strong>: Protektionisten gegen Freihandelsbefürworter<br />

lautet derzeit die Konfrontation<br />

auf internationaler Ebene. Wie geht<br />

dieses Match aus?<br />

Zwazl: So klare Fronten sehe ich da nicht.<br />

Die Republikaner in den USA waren seit jeher<br />

glühende Verfechter des Freihandels, nur<br />

Mister Trump hat da anderes im Sinn. Die<br />

Frage ist nur, was? Gleiches gilt für Brexit-<br />

Hardliner in England wie Boris Johnson. Ich<br />

hoffe jedenfalls inständig, dass nicht erst das<br />

Weltgeschehen – sozusagen die Probe aufs<br />

Exempel – die allgemeine Erkenntnis bringt,<br />

dass Protektionismus in den wirtschaftlichen<br />

Abgrund führt.<br />

<strong>ECHO</strong>: Zölle und Exportbeschränkungen,<br />

wie sie zurzeit zur Diskussion stehen, treffen<br />

Niederösterreichs exportorientierte Wirtschaft<br />

überproportional. Wie lässt sich mit<br />

dieser Situation umgehen?<br />

Zwazl: Es wäre unseriös, hier ein Patentrezept<br />

anzubieten. Die Unternehmensführungen<br />

haben es sicherlich nicht leicht, da<br />

die politischen Entwicklungen immer unvorhersehbarer<br />

werden. Das erfordert enorme<br />

Flexibilität und großes strategisches<br />

Geschick. Eine grundsätzliche strategische<br />

Ausrichtung kann und wird aber nie falsch<br />

sein. Nämlich auf Qualität zu setzen und<br />

mit Innovationen zu punkten. Da weiß ich<br />

unsere niederösterreichischen Unternehmen<br />

sehr gut aufgestellt. Und mit unserer<br />

Außenwirtschaftsorganisation haben sie<br />

überall auf der Welt einen starken Partner<br />

zur Seite.<br />

<strong>ECHO</strong>: Hoffnungsmärkte wie der Iran<br />

drohen aufgrund der US-Sanktionen komplett<br />

wegzubrechen. Wie beurteilen Sie die<br />

Chancen von Unternehmen, dort ihre Geschäftstätigkeit<br />

aufrechterhalten zu können?<br />

Zwazl: Hier hoffe ich, dass es mithilfe der<br />

EU gelingt, unsere Unternehmen vor der<br />

Bevormundung, um nicht zu sagen Erpressung,<br />

der USA in Schutz zu nehmen. Es gibt<br />

ja hier entsprechende Pläne der Union, um<br />

den in den Iran exportierenden Betrieben<br />

zu helfen. Gerade dieses Beispiel zeigt sehr<br />

deutlich, dass wir eine stärkere und keine<br />

schwächere Europäische Union brauchen.<br />

Ein europäischer Nationalstaat allein kann<br />

auf der weltpolitischen Bühne so gut wie<br />

gar nichts für seine Unternehmen ausrichten.<br />

<strong>ECHO</strong>: Auch innerhalb Europas zeichnen<br />

sich verschärfte Bedingungen ab, Stichwort<br />

Hard Brexit. Lässt sich dieser noch abwenden?<br />

Und wenn nicht: Was bedeutet das für<br />

Niederösterreichs Wirtschaft?<br />

„Kein Land, keine Region<br />

kann sich in unserer<br />

globalisierten Welt von<br />

der internationalen wirtschaftlichen<br />

Entwicklung<br />

abkoppeln. Diese Tatsache<br />

ist zur Kenntnis zu<br />

nehmen, ob es einem<br />

nun passt oder nicht.“<br />

Zwazl: Ich hoffe, dass am Ende doch die<br />

Vernunft siegt. Es steht so viel auf dem<br />

Spiel. Da kann man die Lösung nicht einfach<br />

einem Pokerspiel überlassen, sondern es<br />

muss alles getan werden, um einen vernünftigen<br />

Kompromiss zu erzielen. Die Folgen<br />

eines Hard Brexit möchte ich mir gar nicht<br />

ausmalen, weder wirtschaftlich noch politisch.<br />

Da kann es nur Verlierer geben. England<br />

findet sich zwar nicht unter den Top<br />

Ten der niederösterreichischen Handelspartner,<br />

liegt mit einem Warenexportvolumen<br />

von 477 Millionen Euro an elfter Stelle,<br />

aber selbstverständlich würden wir die negativen<br />

Auswirkungen in vielerlei Hinsicht zu<br />

spüren bekommen. 15 Prozent des gesamteuropäischen<br />

Bruttoinlandsprodukts gehen<br />

auf das Konto von England, ein Hard Brexit<br />

würde England und die verbleibende EU<br />

insgesamt enorm schwächen. Josef Temper<br />

Foto: Andreas Kraus<br />

22 <strong>ECHO</strong> TOP 1000 UNTERNEHMEN <strong>2018</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!