Leo Dezember 2018
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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
Im Prinzip ist sie ein Kumpeltyp:<br />
RITA ORA<br />
Wer die bunten Blätter liest,<br />
gewinnt den Eindruck, Rita<br />
Ora sei vor allem eins: ein oberflächliches<br />
Partygirl. Ein gutes Jahr<br />
war die Sängerin mit dem Musiker<br />
Calvin Harris liiert, danach wurde<br />
sie angeblich immer wieder mit<br />
anderen Männern gesichtet. So<br />
geisterte es zumindest durch die<br />
Boulevardpresse. Dennoch fragt<br />
man sich, ob diese Frau nicht mehr<br />
zu bieten hat. Ein Treffen mit der<br />
28-Jährigen in einem Hotel im<br />
Londoner Stadtteil Notting Hill soll<br />
Licht ins Dunkel bringen.<br />
Schon der erste Eindruck ist vollkommen<br />
anders als erwartet. Rita Ora tritt nicht<br />
etwa im knappen Glitterfetzchen, das viel<br />
nackte Haut zeigt, zum Interview an. Abseits<br />
der Bühne zieht sie bequeme Klamotten<br />
vor: Baggy Pants, Pullover, Turnschuhe.<br />
„Privat laufe ich meistens so rum“, stellt sie<br />
klar. Im Prinzip ist sie ein Kumpeltyp. Mit<br />
ihr kann man einfach drauflosquatschen.<br />
Sie mag Körperkontakt, manchmal berührt<br />
sie während des Gesprächs den Arm ihres<br />
Gegenübers. Wie passt das mit der öffentlichen<br />
Rita zusammen, die so divenhaftglamourös<br />
wirkt? Ist das nur eine Fassade,<br />
die die Künstlerin der Musikwelt entgegenhält?<br />
„Für meine Auftritte“, sagt sie,<br />
„bringe ich mich in den Performer-Modus.<br />
Wenn ich mein Bühnenoutfit anziehe, fühle<br />
ich mich um einiges selbstbewusster.“ Sie<br />
sucht nach den passenden Worten: „Ich<br />
werde praktisch unberührbar.“<br />
Das kommt an. Ihr Debütalbum „Ora“<br />
führte 2012 wochenlang die britischen<br />
Charts an, ein Nummer-eins-Hit jagte den<br />
nächsten. Dennoch gleicht ihre Karriere<br />
einer Achterbahnfahrt. Erst nach einem<br />
Rechtsstreit konnte sich die gebürtige<br />
Kosovo-Albanerin, die als Einjährige mit<br />
ihrer Familie nach London emigrierte, aus<br />
dem Vertrag mit ihrer früheren Plattenfirma<br />
aussteigen. Ihr Ex-Freund Calvin Harris<br />
wollte nach der Trennung plötzlich nicht<br />
mehr, dass sie seine Songs sang. Nächster<br />
Schock: Die Single „Girls“ löste einen<br />
Shitstorm aus, der durch die Social-Media-<br />
Kanäle tobte. Das Lied sei voller Klischees,<br />
hieß es. Besonders Frauen regten sich über<br />
Zeilen wie „Wenn ich Rotwein trinke, will<br />
ich einfach Mädchen küssen“ auf. Solche<br />
Aussagen hätten zur Folge, dass man die<br />
Liebe zwischen zwei Frauen nicht ernst<br />
nehmen könne, schimpfte zum Beispiel<br />
die lesbische Sängerin Hayley Kiyoko auf<br />
Twitter.<br />
Diese Kritik lässt Rita Ora nicht gelten.<br />
„Ich bin mit mehreren Homosexuellen<br />
befreundet, die ich seit meiner Kindheit<br />
kenne“, kontert sie. „Also habe ich hautnah<br />
mitgekriegt, was sie durchmachen mussten.“<br />
Einige hatten wegen ihrer sexuellen<br />
Orientierung Stress mit ihren Eltern, andere<br />
brauchten einen Therapeuten, weil sie<br />
nicht mit sich zurechtkamen. Das berührte<br />
Rita Ora. Sehr sogar: „Mit ,Girls‘ ergriff ich<br />
Partei für die LGBTIQ*-Community, die<br />
ich seit jeher unterstützt habe. Mein Lied<br />
sendet diese Botschaft: Fühlt euch frei,<br />
seid stolz auf euch.“<br />
Wenigstens in ihren Konzerten kommt das<br />
an: „Meine Fans schwenken Regenbogenflaggen<br />
und singen mit mir ,Girls‘.“ Darum<br />
findet sich dieser Titel – eine Kooperation<br />
mit Cardi B, Bebe Rexha und Charli<br />
XCX – nun auch auf Rita Oras zweiter CD<br />
„Phoenix“. In ihren neuen Liedern zeigt<br />
sie sich erwachsener. Die Ballade „Soul<br />
Survivor“ schlägt einen Bogen zu Krisenmomenten<br />
– seien es Rita Oras unschöne<br />
Erfahrungen mit der Musikindustrie<br />
oder die Krebserkrankung ihrer Mutter.<br />
Tracks wie „Cashmere“ oder „Let you love<br />
me“ locken auf den Dancefloor. Zu den<br />
persönlichen Favoriten der Musikerin zählt<br />
die Midtempo-Nummer „Falling to Pieces“:<br />
„Ich mag das dezente Beatles-Flair und die<br />
vielseitige Instrumentierung.“<br />
*Interview: Dagmar Leischow