Leo Dezember 2018
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MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
ZAZ<br />
„Ich habe noch<br />
nie so intime Songs<br />
geschrieben“<br />
Noch eine Zigarette? Dafür<br />
reicht die Zeit nicht. ZAZ<br />
muss ein Interview nach dem<br />
nächsten geben. Also lässt sich die<br />
Sängerin – schmal, in Jeans und<br />
T-Shirt, kaum geschminkt, die Haare<br />
leicht zerzaust, fernab von Pariser<br />
Eleganz – wieder auf ihren Sessel im<br />
Konferenzraum ihrer Berliner Plattenfirma<br />
plumpsen und verzichtet<br />
schweren Herzens aufs Rauchen.<br />
Eigentlich wollte sie es sich abgewöhnen –<br />
hat aber nicht geklappt. Genauso wenig wie<br />
der konsequente Verzicht auf Alkohol. Nach<br />
einem Konzert gönnt sich die Französin<br />
gern einen guten Rotwein zur Entspannung.<br />
Sie ist halt ein Genussmensch. Das hilft ihr,<br />
ihr ungeheures Arbeitspensum zu kompensieren.<br />
Rund sieben Jahre lang hat sich<br />
die 38-Jährige keine richtig lange Pause<br />
zugestanden. Freiwillig und mit Elan konzentrierte<br />
sie sich auf ihre Karriere. Wenn<br />
sie nicht gerade tourte, war sie im Studio.<br />
In Paris, Brüssel oder Montreal. Ihr neues<br />
Album „Effet Miroir“ nahm sie in verschiedenen<br />
Ländern auf. Die Musik ist heterogen,<br />
aber in sich stimmig. Die Ballade „Laponie“<br />
badet in Melancholie. Die Inspirationsquelle<br />
für „Ma valse“ war das Chanson. „Qué<br />
vendrá“ verschreibt sich Latino-Rhythmen.<br />
Mal singt ZAZ da auf Französisch, mal auf<br />
Spanisch: „Dieser Song handelt davon, alles<br />
so zu akzeptieren, wie es kommt.“<br />
Für viele Menschen ist das ein Ding der Unmöglichkeit.<br />
Auch ZAZ bleibt nicht immer<br />
nur gelassen – egal, welche Hindernisse das<br />
Leben ihr in den Weg stellt. Davon zeugen<br />
ihre persönlichen Texte, die fast eine Form<br />
von Selbsttherapie sind: „Ich habe noch<br />
nie so intime Songs geschrieben. Weil ich<br />
mein Innerstes nach außen kehrte, konnte<br />
ich bestimmte Erlebnisse für mich selbst<br />
begreifbar machen.“ „Résigne moi“ lässt<br />
eine höchst vertrackte Beziehung Revue<br />
passieren. „St Valentin“ erzählt eindrucksvoll<br />
ehrlich von Einsamkeit, von Selbstentfremdung.<br />
Damit hätte man die quirlige ZAZ, die<br />
redet wie ein Wasserfall, nicht unbedingt<br />
in Verbindung gebracht. Sie zuckt mit den<br />
Schultern: „Niemand ist eindimensional. Wir<br />
haben alle ganz unterschiedliche Facetten.“<br />
Es gibt Momente, in denen sich ZAZ, die<br />
eigentlich Isabelle Geffroy heißt, allein<br />
fühlt. Dann wieder genießt sie die Stille.<br />
Am meisten aber liebt sie den Austausch<br />
mit anderen Leuten. Nicht umsonst hat sie<br />
2017 mit ihrem internationalen Netzwerk<br />
Zazimut, das sich für eine gerechtere Welt<br />
einsetzt, in Saint-Péray ihr Crussol Festival<br />
ins Leben gerufen – mit dem Ziel, Menschen<br />
zusammenzubringen. Sie bucht<br />
nicht bloß Musiker, sondern lädt Wohltätigkeitsorganisationen<br />
ein. Die Festivalbesucher<br />
können an Workshops und Diskussionen<br />
teilnehmen: „Ich habe genug vom<br />
Geschwafel der Politiker. Handeln bringt<br />
einfach mehr als reden.“<br />
Bei ihrem Berliner Konzert holte sie einen<br />
jungen Mann zu sich auf die Bühne. Er<br />
repräsentierte Lambda, einen Jugendverband<br />
für Lesben, Schwule, Bisexuelle und<br />
Trans*. Sich gegen die Diskriminierung von<br />
Minderheiten einzusetzen, das hat für ZAZ<br />
Priorität. Oft fragt sie sich, warum Homooder<br />
Transsexualität bis ins 21. Jahrhundert<br />
hinein auf Ablehnung stoßen: „Die<br />
Gesellschaft tut immer noch so, als wäre<br />
Heterosexualität das einzig Normale. In der<br />
Konsequenz haben nicht wenige in Bezug<br />
auf weitere sexuelle Orientierungen ein<br />
ungeheures Wissensdefizit. Das schürt ihre<br />
Angst vor dem Fremden.“ Da steuert ZAZ<br />
gegen, indem sie sich unermüdlich für die<br />
LGBTIQ*-Community starkmacht: „Jeder<br />
hat das Recht, seine Individualität auszuleben.<br />
Ich bewundere alle, die den Mut haben<br />
zu sagen: ,Ich bin anders als die anderen<br />
und stehe dazu.‘“<br />
*Interview: Dagmar Leischow