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Berliner Kurier 25.11.2018

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38 REISE<br />

BERLINER KURIER, Sonntag, 25. November 2018<br />

Im tiefen Blau<br />

vonPalau<br />

Kriegsschrott,Wracks und<br />

bunte Fische: Der pazifische<br />

Inselstaat Palau hat viel zu bieten<br />

Wir sind unterwegs im tiefen<br />

Blau. Selbst 20 Meter unter<br />

der Wasseroberfläche zeigt<br />

der Computer am Handgelenk<br />

noch Wohlfühltemperaturen<br />

von weit über 20 Grad.<br />

Dann schiebt sich etwas<br />

Schemenhaftes, Großes vor<br />

die Masken. Je näher die kleine<br />

Tauchergruppe heranpaddelt,<br />

desto deutlicher wird,<br />

worum es sich handelt.<br />

Es ist das Wrack der „Iro“, ein<br />

japanisches Versorgungsschiff.<br />

Es wurde im März 1944 von einem<br />

Torpedo getroffen und<br />

sank. Immer deutlicher wird<br />

der Bug der fast 150 Meter langen<br />

„Iro“, die auf dem sandigen<br />

Meeresgrund vor uns ruht.<br />

Palau, der kleine Inselstaat in<br />

Mikronesien, östlich der Philippinen<br />

im weiten Pazifik gelegen,<br />

ist ein Traum für Scuba-<br />

Diver und Geschichtsinteressierte<br />

gleichermaßen. In den<br />

tropischen Gewässern treiben<br />

sich Massen an bunten Fischen<br />

herum. Wer von einem Tauchurlaub<br />

zurückkommt und keine<br />

Haie (etwa am Spot „BlueCorner“)<br />

oder Mantarochen (vor<br />

allem am „German Channel“,<br />

einem Kanal, den die deutschen<br />

Kolonialherren 1909 ins Riff<br />

sprengten) gesichtet hat, der<br />

hat etwas falsch gemacht.<br />

Und dann gibt es da noch den<br />

Kriegsschrott. Denn Palau war<br />

einer der Schauplätze des Pazifikkrieges,<br />

der zwischen den<br />

USA und Japan in den 1940ern<br />

tobte. Er hat bis heute seine<br />

Spuren hinterlassen. Allein,<br />

wer vom kleinen Strand des<br />

Hotels „Sea Passion“ auf der<br />

Hauptinsel Koror losschnorchelt,<br />

entdeckt nach ein paar<br />

Metern das verrostete Wrack<br />

eines Kampfjets fast direkt<br />

unter der Wasseroberfläche.<br />

Das „Iro“-Wrack aber ist eines<br />

der größten Mahnmale, die<br />

man aus dieser Phase des Zweiten<br />

Weltkriegs in den Gewässern<br />

Palaus ohne großen Aufwand<br />

ergründen kann, den<br />

Tauchschein vorausgesetzt.<br />

Mit dem Boot ist man von der<br />

Tauchbasis zum Spot keine 20<br />

Minuten unterwegs.<br />

Der Tiefenmesser zeigt jetzt<br />

35 Meter. Wir gleiten langsam<br />

um den Bug herum und müssen<br />

mit der Strömung kämpfen. An<br />

der Backbordseite gelangen die<br />

Taucher schließlich bis zum<br />

korallenumwucherten Heck<br />

und schweben über die Kante<br />

des Decks. Als hätte sie jemand<br />

erst gestern sortiert, stapeln<br />

sich dort Kriegshelme, eine Getränkekiste<br />

mit Flaschen steht<br />

daneben. Groß vor Ungläubigkeit<br />

werden die Augen hinter<br />

den Masken.<br />

Auch auf der weiter südlich<br />

gelegenen Insel Peleliu ist der<br />

Krieg noch gegenwärtig. Am<br />

„Orange Beach“ landeten im<br />

September 1944 die Amerikaner<br />

und verwickelten<br />

die Japaner in eine<br />

drei Monate<br />

währende<br />

Schlacht. Auch<br />

auf der Nachbarinsel<br />

Angaur<br />

gab es<br />

heftige Gefechte.<br />

Noch<br />

heute liegt<br />

im Dschungel<br />

der<br />

Kriegsschrott<br />

– längst verrostete<br />

Panzerwracks,<br />

Reste<br />

von demolierten<br />

Kampfflugzeugen,<br />

Granaten, scharfe<br />

Munition. In die kalkigen<br />

Berge bohrten die Japaner<br />

Gänge, in die sie sich zurückzogen,<br />

auch dort entdecken<br />

Besucher Hinterlassenschaften<br />

wie alte Flaschen oder<br />

Gasmasken.<br />

Vor Ort auf Peleliu organisiert<br />

die Firma Peleliu Adventures<br />

„WWII historical“-Touren, um<br />

Touristen die Geschichte begreiflich<br />

zu machen, sie auf sicheren<br />

Pfaden aber auch vor<br />

der Munition zu schützen, die<br />

trotz Reinigungsaktionen im<br />

Dschungel noch immer teils<br />

scharf herumliegt. Schon am<br />

kleinen Hafen warnt ein Schild:<br />

„Denken Sie daran, die Munition<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

ist gefährlich und kann Verletzungen<br />

oder Tod verursachen.“<br />

Die Schlacht um Peleliu forderte<br />

auf Seiten der Japaner<br />

über 10 000 Opfer und unter<br />

der Amerikanern über 2000,<br />

sagt Des Matsutaro, Besitzer<br />

von Peleliu Adventures, als er<br />

Fotos: Weißenborn<br />

Guide Des Matsutarobringt<br />

Urlaubern Geschichte auf ganz<br />

anschauliche Artund Weise näher.<br />

den Gästen den Strand zeigt, wo<br />

die Amerikaner damals mit ihren<br />

Amphibienfahrzeugen landeten.<br />

Auch Tauchbasen wie<br />

Sam'sTour auf Koror haben<br />

WWII-Touren im Angebot.<br />

Doch deren Kerngeschäft ist<br />

das Fischegucken. Im Korallenriff<br />

gibt es über 1500 Fischarten,<br />

auch der Korallenreichtum<br />

ist noch immens. Hier treffen<br />

drei große Meeresströmungen<br />

aufeinander, was die Biodiversität<br />

fördert. Wohl bekanntester<br />

Spot ist „Blue Corner“ nahe<br />

der Insel Ngemelis, ein kleines<br />

Unterwassergebirge mit viel<br />

Strömung, aber auch nahezu<br />

garantierten Auftritten von Napoleon-Lippfischen,<br />

Barrakudas,<br />

Zackenbarschen, Meeresschildkröten<br />

oder neugierigen<br />

Weißspitzen-Riffhaien, die den<br />

Tauchern an der<br />

Riffkante manchmal<br />

auf drei Meter ganz<br />

schön nahe kommen.<br />

Auch über der<br />

Wasseroberfläche ist<br />

Palau überaus reizvoll,<br />

wenn auch weniger<br />

nervenzermürbend. Auf<br />

der Erde einzigartig sind<br />

die Rock Islands. Seit 2012<br />

zählen Teile des Archipels<br />

zum Unesco-Erbe. Es gilt aufgrund<br />

der charakteristischen<br />

Erscheinung als das maritime<br />

Markenzeichen Palaus. Wie<br />

grün bewachsene Pilze ragen<br />

die teils stark unterspülten<br />

Kalksteingebilde aus dem Türkis<br />

des Ozeans. Wer in den Lagunen<br />

mit dem Paddelboot unterwegsist,<br />

scheint nicht nur zu<br />

schweben, so klar ist das Wasser,<br />

sondernkann in Paddelnähe<br />

auch Baby-Haie oder -rochen<br />

entdecken. Es ist die Kinderstube<br />

der Raubfische. Auch Krokodile<br />

brüten dort zur Saison.<br />

Unser Tauchergrüppchen<br />

muss mittlerweile auf künstliches<br />

Licht zurückgreifen.<br />

Tauchlampen werden angeknipst,<br />

dann wagen wir uns in<br />

die Dunkelheit: durch ein<br />

schwarzes Loch, den Zugang zu<br />

den Quartieren der einstigen<br />

Crew unter der Brücke. Jetzt<br />

nur bloß nicht mit den Schläuchen<br />

an etwas Scharfkantigem<br />

hängen bleiben!<br />

Urplötzlich wirbelt einer der<br />

Froschmänner mit der Flosse<br />

Sedimente auf. Im Lichtkegel<br />

tanzen dicht an dicht die Partikel,<br />

doch man sieht sonst nichts<br />

mehr. Wir Taucher fassen uns<br />

an den Händen und warten, bis<br />

sich alles gesetzt hat. Und finden<br />

danach den Weg zurück,<br />

durch die Öffnung, nach oben –<br />

bis wir wieder auftauchen, in<br />

der oberflächlichen Schönheit<br />

Palaus.<br />

Stefan Weißenborn<br />

I<br />

nfo<br />

Anreise: Der Flug ab Frankfurtam<br />

Main über Taipeh zum Beispiel mit<br />

China Airlines (www.chinaairlines.de)<br />

Einreise: Notwendig ist ein Visum,<br />

das Touristen nach Vorlage eines<br />

Rück- oder Weiterflugtickets erhalten.<br />

Der Reisepassmuss<br />

sechs Monate gültig sein.<br />

Touren: Ausflüge in die Rock Islands<br />

können über die Tauchbasis<br />

Sam’sTours gebucht werden<br />

(www.samstours.com). Auf Peleliu<br />

führtPeleliu Adventures (peleliuadventures.com).<br />

Reisezeit: Palau kann zu jeder<br />

Jahreszeit bereist werden; die<br />

Temperaturen weichen nur wenig<br />

von durchschnittlich 27 Grad ab.

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