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Berliner Zeitung 08.12.2018

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12 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 287 · 8 ./9. Dezember 2018<br />

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Berlin<br />

Krank durch<br />

Scham und<br />

Angst<br />

HIV-Infizierte wissen nichts<br />

von Virus<br />

VonMelanie Reinsch<br />

Etwa 89,3 Prozent der HIV-infizierten<br />

Menschen in Berlin wissen,<br />

dass sie das Virusinsich tragen,<br />

das zu einem Ausbruch vonAids führenkann.<br />

Damit hat die <strong>Berliner</strong> Regierung<br />

ihr Ziel, dass 90 Prozent der<br />

Menschen vonihrer Infizierung wissen,<br />

fast erreicht. Weltweit haben<br />

sich fast 100 Städte dieses Ziel bis<br />

zum Jahr 2020 gesetzt.<br />

DieVorgaben gehen noch weiter:<br />

90 Prozent der HIV-Infizierten sollen<br />

bis zum Jahr 2020 in Behandlung<br />

sein und eine nachhaltige Unterdrückung<br />

der Viruslast erreichen. Die<br />

gute Nachricht: Da ist Berlin schon<br />

weiter: 92 Prozent der infizierten<br />

Menschen sind in Behandlung und<br />

bei 95 Prozent der Behandelten ist<br />

die Viruslast unter der Nachweisgrenze.<br />

Das geht aus den Antworten<br />

der Gesundheitsverwaltung auf eine<br />

Anfrage der Grünen-Fraktion in Berlin<br />

hervor.<br />

Insgesamt sind 14 900 Menschen<br />

in Berlin mit HIV-infiziert (Stand<br />

Ende 2017). Die Zahlen basieren auf<br />

Schätzungen des Robert-Koch-Instituts.Demnach<br />

wissen allerdings immer<br />

noch etwa 1600 Menschen<br />

nichts vonihrer Infizierung. Obwohl<br />

die Bereitschaft wächst, sich testen<br />

zu lassen, sind HIV und Aids noch<br />

immer ein Tabu-Thema.<br />

Ein HIV-Test müsse so selbstverständlich<br />

wie das Blutdruckmessen<br />

sein, betont Sebastian Walter, Sprecher<br />

für Antidiskriminierung und<br />

Queerpolitik bei den <strong>Berliner</strong> Grünen.<br />

Er fordert: „Null Prozent Diskriminierung.“<br />

Um dieses Ziel zu erreichen,<br />

müsse der Senat eine Antidiskriminierungsstrategie<br />

entwickeln<br />

und Aufklärungsarbeit nachhaltig<br />

stärken. Angst, Scham und Stigmatisierung<br />

führten dazu, dass Menschen<br />

sich scheuten, einen HIV-Test<br />

durchzuführen.<br />

Warnung vor Judenfeindlichkeit<br />

Eine Initiative türkischstämmiger <strong>Berliner</strong> soll gegen den Antisemitismus an Schulen vorgehen<br />

VonMartin Klesmann<br />

An einer Weddinger Sekundarschule<br />

lobt ein Mädchen<br />

im Streit um den<br />

Nahost-Konflikt gegenüber<br />

einem jüdischen Mitschüler<br />

Adolf Hitler, aneiner Zehlendorfer<br />

Eliteschule traktieren Mitschüler einen<br />

jüdischen Jugendlichen mit Hakenkreuz-Aufklebern,<br />

und schon<br />

Grundschüler übernehmen antisemitische<br />

Ansichten ihrer Eltern.<br />

Alarmiert durch Vorfälle dieser<br />

Art hat der Senat nun eine zentrale<br />

Stelle geschaffen, um antisemitischen<br />

Einstellungen unter Schülern<br />

zu begegnen. Eine von türkischstämmigen<br />

<strong>Berliner</strong>ngegründete Initiative<br />

soll künftig Lehrer fortbilden<br />

und vor Ort auf Schüler einwirken.<br />

Der Befund ist deutlich: „Wir stoßen<br />

an den Schulen meist auf Erinnerungs-<br />

und Schuldabwehr sowie auf<br />

israelbezogenen Antisemitismus“,<br />

sagt Dervis Hizarci von der Kreuzberger<br />

Initiative gegen Antisemitismus<br />

(Kiga). Zunehmend wollten<br />

Schüler nichts mehr von der deutschen<br />

Schuld am Holocaust wissen,<br />

zudem würden viele muslimische<br />

Kinder und Jugendliche Israel für<br />

den Nahost-Konflikt verantwortlich<br />

machen. DieKiga, eine seit mehr als<br />

15 Jahren aktive Initiative, wird nun<br />

mit 120 000 Euro jährlich vom Land<br />

gefördert. Sie soll auch junge Leute<br />

qualifizieren, die vor Ort in den<br />

Schulen tätig werden.<br />

„Wir haben eingewanderten und<br />

eingeborenen Antisemitismus“, sagt<br />

Dirk Behrendt (Grüne), Senator für<br />

Antidiskriminierung. Und Bildungssenatorin<br />

Sandra Scheeres (SPD)<br />

macht klar,dass die Einrichtung dieser<br />

Praxisstelle ausgelöst worden sei<br />

durch religiöse Mobbingvorfälle an<br />

einer Tempelhofer Grundschule und<br />

den Übergriff auf einen Kippa tragenden<br />

jungen Mann in Prenzlauer<br />

Berg.„UnsereSchulen sind ein Spiegelbild<br />

der Gesellschaft –imguten<br />

wie im schlechten.“<br />

Dervis Hizarki, in Neukölln aufgewachsen,<br />

ist selbst Lehrer für Politik<br />

Aycan Demirel (l.) und Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative<br />

und Geschichte an der Kreuzberger<br />

Ossietzky-Gemeinschaftsschule,<br />

aber für sein Kiga-Engagement abgestellt.<br />

Er sagt, viele Lehrer seien<br />

beim Thema Antisemitismus verunsichert.<br />

„Sie wollen sich nicht die<br />

Finger verbrennen.“ Oft spielten sich<br />

die Vorfälle auch in einer Grauzone<br />

ab. Er nennt ein Beispiel: Als der<br />

Fußballnationalspieler Mesut Özil<br />

massiv in die Kritik geriet, weil er<br />

VOLKMAR OTTO<br />

sich mit dem türkischen Präsidenten<br />

Recep Erdogan fotografieren ließ,<br />

machten an einer Neuköllner Schule<br />

bald andere Bilder die Runde: Vom<br />

Fußballstar Lionel Messi, der sich<br />

mit dem israelischen Premier voreiner<br />

Israel-Fahne hatte fotografieren<br />

lassen. Über jenes Bild mit Messi<br />

habe sich niemand empört, meinten<br />

einige Schüler aufgebracht. Diese<br />

Haltung sei nicht unbedingt antisemitisch,<br />

aber man sollte darüber reden,<br />

sagte der 35-jährige Hizarci. „Es<br />

kann dabei sehr hilfreich sein, auf<br />

die Familiengeschichte der Schüler<br />

einzugehen.“VorOrt an den Schulen<br />

setzen die Mitarbeiter auch aufklärerische<br />

Filme über den Nahost-Konflikt<br />

ein, informieren über den Holocaust,<br />

widerlegen die gängigen Verschwörungstheorien<br />

oder betonen<br />

die gemeinsamen Grundlagen von<br />

Judentum und Islam. Kiga sieht sich<br />

keineswegs nur für migrantische<br />

Schüler zuständig, sondern macht<br />

ein Angebot für alle Schüler und<br />

Lehrkräfte. Kiga-Mitarbeiter diskutieren<br />

mit Schülernzum Beispiel die<br />

Frage„Darfman das?“, indem sie Fotos<br />

vonlachenden Jugendlichen zeigen,<br />

die Selfies vor dem Eingangstor<br />

vonAuschwitz machen.<br />

Die Initiative Kiga gründete sich<br />

bereits vor über 15 Jahren. Auslöser<br />

seien die Anschläge vom11. September<br />

2001, die zweite Intifada in den<br />

Palästinensergebieten, aber auch<br />

Anschläge auf Synagogen in<br />

Deutschland gewesen, erinnert sich<br />

Kiga-Direktor Aycan Demirel, 50<br />

Jahrealt. DieInitiativeist bereits seit<br />

vielen Jahren in <strong>Berliner</strong> Schulen aktiv.Immer<br />

wieder kämpften Demirel<br />

und seine Mitstreiter durchaus geschickt<br />

um öffentliche Förderung.<br />

Inzwischen gibt es auch eine Kiga-<br />

Projektgruppe in Bielefeld, auch in<br />

Rostock ist etwas geplant.<br />

Viel weiß der Senat allerdings<br />

nicht über das Ausmaß des Antisemitismus.<br />

InBerlin registrierte man<br />

im ersten Halbjahr 2018 gut 80 antisemitisch<br />

motivierte Straftaten, ein<br />

SpitzenwertinDeutschland. Künftig<br />

werden antisemitische Vorfälle von<br />

der Bildungsverwaltung als Notfall-<br />

Meldung eigens erfasst. Die Antidiskriminierungsbeauftragte<br />

Saraya<br />

Gomis berichtete zuletzt vonfast 200<br />

Diskriminierungsfällen an Schulen,<br />

die ihr zugetragen wurden. Meist<br />

ging es gegen muslimische oder<br />

schwarze Schüler, antisemitische<br />

Vorfälle gab es demnach nur neun,<br />

von einer hohen Dunkelziffer ist<br />

aber auszugehen.<br />

Ex-BER-Chef<br />

staunt über<br />

Verzögerungen<br />

Manfred Körtgen weist aber<br />

alle Verantwortung von sich<br />

Die jahrelangen Verzögerungen<br />

am neuen Hauptstadtflughafen<br />

BER erstaunen auch den früheren<br />

Technikchef Manfred Körtgen. „Das<br />

war für uns damals nicht vorstellbar“,<br />

sagte Körtgen, der nach der geplatzten<br />

Eröffnung 2012 entlassen<br />

worden war, am Freitag. Zugleich<br />

verteidigte er im Untersuchungsausschuss<br />

des Abgeordnetenhauses die<br />

zahlreichen Planänderungen während<br />

der Bauphase.Sie gelten als ein<br />

Grund für das Debakel. Auch der frühere<br />

Flughafenchef Rainer Schwarz<br />

wies im Ausschuss jede Verantwortung<br />

für die geplatzte Eröffnung 2012<br />

vonsich.<br />

„Jede Änderung stört den Bauablauf“,<br />

gestand Körtgen zu. Deshalb<br />

habe er ein Änderungs-Management<br />

eingeführt, sodass immer alle<br />

relevanten Abteilungen der Flughafengesellschaft<br />

einbezogen worden<br />

seien. Alles sei transparent gelaufen.<br />

„Dagab es keinen Ansatz, dass da irgendwas<br />

gefährdet wäre. Daswar für<br />

mich nicht erkennbar“, sagte der 65-<br />

Jährige. „Jetzt wissen wir natürlich<br />

mehr als vorsechs Jahren.“<br />

DasProjekt mit bis zu 7000 Arbeitern<br />

auf der Baustelle sei 2012 aus<br />

dem Vollspurt von hundert auf null<br />

abgebremst worden, sagte Schwarz.<br />

„Der Aufsichtsrat hat jeden, der so<br />

halbwegs etwas von Technik verstand,<br />

rausgeworfen.“ Neben<br />

Körtgen musste auch die Planungsgemeinschaft<br />

BBI gehen, zu der das<br />

Büro des Flughafen-Architekten<br />

Meinhardvon Gerkan gehörte.<br />

Ursprünglich sollte der Flughafen<br />

2011 in Betrieb gehen, jetzt ist der<br />

Start für 2020 geplant. Körtgen erinnerte<br />

daran, dass der BER ursprünglich<br />

für 20 Millionen Passagiere geplant<br />

worden sei, was Kritiker damals<br />

für übertrieben hielten. „Ich<br />

habe so oft gehört: 20 Millionen, wo<br />

sollen die denn aus der Brandenburger<br />

Gegend herkommen?“ (dpa)<br />

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