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Berliner Zeitung 08.12.2018

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30 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 287 · 8 ./9. Dezember 2018<br />

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Feuilleton<br />

Vom<br />

Puppenhaus zu<br />

Fall gebracht<br />

Kevin Hart moderiert doch<br />

nicht die Oscar-Verleihung<br />

Oscar-Drama in Hollywood: Nur<br />

zwei Tage nach der groß gefeierten<br />

Ernennung hat US-Komiker<br />

Kevin Hart (39)seineOscar-Moderation<br />

abgesagt. „Ich möchte<br />

keine Ablenkung in einer Nacht<br />

sein, die von sovielen großartigen,<br />

talentierten Künstlern gefeiert werden<br />

sollte“, schrieb Hart am Donnerstagabend<br />

(Ortszeit) auf Twitter.<br />

DerHintergrund: Kritik an Hartsals<br />

schwulenfeindlich empfundenen<br />

Tweets und Witzen aus den Jahren<br />

2009 bis 2011.<br />

Mehrere Nutzer machten nach<br />

der Oscar-Ankündigung auf Hart-<br />

Tweets aufmerksam, die danach<br />

laut Hollywood Reporter gelöscht<br />

wurden. 2011 schrieb der dreifache<br />

Familienvater demnach: „Wenn<br />

mein Sohn nach Hause kommt und<br />

mitdem Puppenhaus meinerTochter<br />

spielt, werde ich esüber seinem<br />

Kopf kaputtmachen und sagen:<br />

’Stop, das ist<br />

schwul‘“.Außerdem<br />

habe er Medienberichten<br />

zufolge immer<br />

wieder die in<br />

den USA häufig<br />

benutzten<br />

Schimpfwörter<br />

Der Comedian<br />

Kevin Hart(39)<br />

AFP<br />

„homo“ oder<br />

„fag“benutzt.<br />

„Es tut mir<br />

leid, dass ich Menschen verletzt<br />

habe.Ich entwicklemich weiter und<br />

werde das weiter tun. Ich möchte<br />

Menschen zusammenführen und<br />

nicht trennen“, erklärte Hart nun.<br />

Stunden zuvor hatte der 39-Jährige<br />

noch mitgeteilt, er werde sich nicht<br />

für seine früheren Äußerungen entschuldigen.<br />

Der Stand-up-Comedian ist aus<br />

Filmen wie „Jumanji: Willkommen<br />

im Dschungel“, „Ride Along“, „Der<br />

Knastcoach“ oder „Central Intelligence“<br />

bekannt. Er hätte erstmals<br />

dieVerleihungder wichtigsten Filmpreise<br />

der Welt moderiert. Der Job<br />

gilt als einer der begehrtesten und<br />

schwierigsten in der Filmbranche.<br />

Bei den beiden vergangenen Galas<br />

hatte Late-Night-TalkerJimmy Kimmel<br />

(51) die Moderation übernommen,der<br />

dieWahl Hartsnoch gelobt<br />

hatte. Die Akademie muss nun<br />

schnelleinenErsatz finden. DieAnkündigung<br />

des Moderators kam US-<br />

Medien zufolge in diesem Jahr ohnehin<br />

recht spät. DieOscars werden<br />

in der Nachtzum 25. Februar in Los<br />

Angeles verliehen. (dpa)<br />

Wo die Durchfahrenden gar nicht erst bremsen müssen –und wo oft geschwiegen wird, wenn man besser geredet hätte.<br />

Zurück in Brinkebüll<br />

In ihrem neuen Roman erzählt Dörte Hansen wiederum von altem Land und vom Untergang des Dörflichen<br />

VonSabine Rohlf<br />

Sie ist eine Spezialistin für die<br />

norddeutsche Provinz, viele<br />

nennen ihre Bücher Heimatromane:<br />

Dörte Hansens<br />

enorm erfolgreiches Debüt „Altes<br />

Land“ erzählt vonzweiFrauen in der<br />

Elbmarsch. Ihr zweiter Roman, derzeit<br />

auf Platz drei der Spiegel-Bestsellerliste,<br />

stellt uns Ingwer Feddersen<br />

vor, einen Kieler Archäologieprofessor,<br />

der im Dorf seiner Kindheit<br />

ein Sabbatical verbringt. Es<br />

heißt Brinkebüll, liegt in Nordfriesland<br />

und ist weder hübsch noch idyllisch.<br />

„DeWelt geiht ünner“ lesen wir<br />

schon auf der ersten Seite, und tatsächlich<br />

ist der Roman ein Abgesang<br />

auf eine bäuerliche Kultur, in der<br />

Höfe, Schmiede, Schule, Bäcker, Lebensmittelladen<br />

und Gasthaus ein<br />

Dorf bildeten und halbwegs im Einklang<br />

mit der Natur wirtschafteten.<br />

Wasmit der Landreform begann<br />

und mit Höfesterben endet, ließ<br />

pflegeleichte, pestizidgetränkte Riesenfelder,ein,<br />

zwei Großbauernund<br />

ein Dorf zurück, in dem geschlafen,<br />

aber kaum noch gearbeitet wird.<br />

Daran kann auch Ingwer Feddersen<br />

nichts ändern, aber er denkt ohnehin<br />

mehr über seine persönliche,<br />

durchaus exemplarische Geschichte<br />

nach –als Dorfkind, erster Akademiker<br />

seiner Familie, Sohn einer Außenseiterin.<br />

Vorallem aber kümmert<br />

er sich um seine pflegebedürftigen<br />

Großeltern und ihren abgewrackten<br />

BUCH<br />

Dörte Hansen: Mittagsstunde,Roman,<br />

Penguin Verlag,München 2018,<br />

320 Seiten, 22 Euro.<br />

IMAGO<br />

Dorfgasthof. „DeWelt geiht ünner“ –<br />

allein beim Plattdeutschen, das der<br />

Roman in vielen Szenen wiederbelebt,<br />

wird norddeutschen Lesern<br />

warmums Herz.Zumindest solchen,<br />

die es noch im Ohr haben, wurde es<br />

doch ab den 60er-Jahren energisch<br />

bekämpft. Es galt als genauso rückständig<br />

wie die eiszeitlichen Feldsteine<br />

und Tümpel, die vonden Baggern<br />

der Flurbereinigung weggeräumt<br />

wurden. Oder die Hecken und<br />

Knicks, die Kastanien an der Dorfstraße,<br />

die man fällte, um eine<br />

schöne glatte breite Straße zu haben,<br />

auf der die Durchfahrenden dann<br />

auch nicht mehr bremsen.<br />

Dörte Hansen beschreibt all diese<br />

Veränderungen genau. Sie tut es in<br />

Rückblenden und aus Ingwers Gegenwartssicht,<br />

in einem leisen,<br />

nüchternen Ton. Siezeigt aber auch,<br />

dass die alte Dorfwelt ihrerseits<br />

Furchtbares zu bieten hatte, als Mikrokosmos,dem<br />

schwer zu entkommen<br />

war. Wo jeder sah, wenn ein<br />

Kind dem Nachbarn mehr ähnelte<br />

als dem eigenen Vater. Woniemand<br />

einschritt, wenn Kinder, Frauen und<br />

Tiere misshandelt wurden, wo es<br />

schwer war, an Bildung heranzukommen,<br />

wo geschwiegen wurde,<br />

wo man besser geredet hätte.<br />

Wie imersten Roman reicht die<br />

Vergangenheit bis zum Zweiten<br />

Weltkrieg, in dem Ingwers Opa als<br />

Wehrmachtssoldat Zivilisten exekutierte<br />

und in russische Kriegsgefangenschaft<br />

geriet. Allein die Genauigkeit<br />

und Empathie, mit der Hansen<br />

seine zerbröckelte, schuldbeladene,<br />

unglückliche, sture Männlichkeit<br />

entwickelt, lohnt das ganze Buch.<br />

Aber auch andere Figuren sind ganz<br />

große Literatur, Dorfmenschen, die<br />

vonihrem Unglück nicht viel Aufhebens<br />

machen. Von ihren tristen<br />

Ehen, Liebestragödien, totgefahrenen<br />

Kindern, Gewalt und Selbstmord<br />

auf dem Heuboden. Es gab<br />

viele Gründe, das Dorf zuverlassen<br />

oder eben die wunderschönen Kastanien<br />

abzuhacken, weil das ein<br />

bisschen frischen Wind versprach.<br />

Anders als im Erstling, der zwei<br />

sehr spezielle Frauen zusammenbrachte,fächertHansen<br />

hier Schicksale<br />

auf, die es überall gegeben haben<br />

kann. Ingwers unentschlossenes<br />

Leben als altlinker Dauer-WG-Bewohner<br />

wirddabei eher nebenbei erzählt.<br />

Das Dorf spielt die Hauptrolle<br />

und das liest sich interessanter als<br />

die ausgiebigen Rekurse auf Hamburger<br />

Latte-Macchiato-Muttis in<br />

Hansens erstem Roman. Kurz, ihr<br />

zweiter ist sogar noch besser als „Altes<br />

Land“, das bestverkaufte Buch<br />

des Jahres 2015.<br />

Wassoll man zu einem Buch sagen,<br />

das alle loben und lieben und es<br />

zweifellos verdient? Lieben und loben<br />

auf jeden Fall. Aber gerade, weil<br />

Hansen so ausgezeichnet schreiben<br />

kann und, selbst Dorfkind, das Landleben<br />

so gut kennt, keimt der<br />

Wunsch nach mehr. Nach Figuren<br />

zum Beispiel, die sich der Verödung<br />

entgegenstellen. Das gibt es ja auch,<br />

echte Landwirte,nicht irgendwelche<br />

Hobbybauern und Wochenend-<br />

Landlustler.InteressiertHansen sich<br />

dafür nicht oder hält sie es für aussichtslos?<br />

Das zuerfahren wäre sehr<br />

interessant, vor allem aber, wie sie<br />

darüber erzählen würde. Es geht<br />

nicht darum, einen ökologischen<br />

Agit-Prop zufordern oder mehr Optimismus<br />

in der Literatur. Sehr viele<br />

Dörfer sind ja genauso wie Brinkebüll.<br />

Es fällt nur auf, dass das, was<br />

unter der Überschrift „Agrarwende“<br />

läuft und jede Menge handfeste Konflikte<br />

birgt, gerade auf dem Dorf,<br />

noch nicht in die Literatur gefunden<br />

hat. Beieiner Autorin wie Dörte Hansen<br />

wäre essicher gut aufgehoben.<br />

NACHRICHTEN<br />

10,4 Millionen Euro für die<br />

Schlösser und Gärten<br />

Mitdem Doppelhaushalt 2019/2020,<br />

den der Brandenburger Landtag<br />

nächste Woche beschließen will,<br />

kann die Stiftung Preußische Schlösser<br />

und Gärten weitereVorhaben<br />

realisieren. Für das zweite Sonderinvestitionsprogramm<br />

sind im Regierungsentwurfpro<br />

Jahr 10,4 Millionen<br />

Euro vorgesehen. Berlin, Brandenburgund<br />

der Bund wollen bis<br />

2030 400 Millionen Euro für die<br />

Schlösserlandschaft ausgeben. (dpa)<br />

Privatleute spenden für Oper<br />

in Lübeck und Frankfurt<br />

DasTheater Lübeck erhält vonder<br />

2016 gegründeten Lübecker Theater<br />

Stiftung (LTS)eine Spende in Höhe<br />

von50000 Euro.Das Geld ist für die<br />

Inszenierung der Mussorgski-Oper<br />

„Boris Godunow“ durch Peter Konwitschny<br />

bestimmt. In Frankfurtam<br />

Main indessen planen elf Bürger,<br />

eine Stiftung zu gründen und 50 Millionen<br />

Euro Eigenkapital beizusteuern,<br />

um den Baueiner neuen Oper<br />

zu beflügeln. (BLZ/dpa)<br />

Radikale Künstlerinnen des<br />

Sozialismus in Dresden<br />

„Medea muckt auf“ heißt eine Ausstellung<br />

mit Werken radikaler Künstlerinnen<br />

des Sozialismus im Dresdner<br />

Albertinum. Siewürdigt Autorinnen<br />

und Malerinnen, die vor1989<br />

nicht auf antike Schauplätzeauswichen,<br />

um Unbehagen am Regime<br />

und Unfreiheit darzustellen, sagte<br />

Direktorin Hilke Wagner am Freitag.<br />

Es gehe auch darum,„Sichtbarkeit in<br />

der Kunstgeschichte herzustellen“,<br />

sagte Kuratorin Susanne Altmann.<br />

„Ingroßen Strecken fehlt uns gut die<br />

Hälfte.“ (dpa)<br />

TOP 10<br />

Donnerstag,6.Dezember<br />

1 Die Bergretter ZDF 5,49 18 %<br />

2 Wasserleiche ARD 4,85 16 %<br />

3 heute journal ZDF 4,57 16 %<br />

4 Tagesschau ARD 4,43 15 %<br />

5 heute ZDF 4,04 17 %<br />

6 SOKOStuttgart ZDF 3,71 18 %<br />

7 Notruf Hafenkante ZDF 3,66 13 %<br />

8 RTL Aktuell RTL 3,36 15 %<br />

9 GZSZ 6653 RTK 3,14 11 %<br />

10 Werweiß denn ... ARD 3,09 16 %<br />

ZUSCHAUER IN MIO/MARKTANTEIL IN %<br />

Heinz „Heino“ Georg Kramm<br />

Ich war immer<br />

Opfer der Weltpolitik<br />

Vor 80 Jahren:<br />

Die Tragödie einer Flucht<br />

gerne eine<br />

Reizfigur<br />

Letztes Album, letzte Tournee, 80. Geburtstag:<br />

Ein Interview über besondere Lebensmomente<br />

Foto: Imago/KPA/United Archives<br />

Reports<br />

Hintergründe<br />

Interviews<br />

Gewinnspiele<br />

A M<br />

Morgen<br />

lesen!<br />

S O N N T A G<br />

Der von hier

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