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SOCIETY 374 / 2018

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LÄNDERFOKUS ARMENIEN<br />

INTERVIEW<br />

»Wir sind an unser<br />

Volk gebunden<br />

und wenn<br />

dieses irgendwo<br />

einzieht, ziehen<br />

wir mit ein – verlässt<br />

es einen Ort,<br />

müssen wir das<br />

ebenfalls tun.<br />

«<br />

Paulus<br />

Kodjanian<br />

INFOS<br />

Das Mechitaristenkloster mit<br />

Museum hat seinen Standort<br />

in der Mechitaristengasse 4,<br />

mitten im siebenten Bezirk.<br />

Dort befindet sich eine der<br />

bedeutendsten Sammlungen<br />

armenischer Kulturgüter,<br />

die von Zeitschriften<br />

über Münzen bis hin<br />

zu Gemälden armenischer<br />

Künstler reicht.<br />

dung mit dem <strong>SOCIETY</strong> Magazin besteht ebenfalls.<br />

Wurden doch die Ausgaben aus den Jahren<br />

1996, 1997 und die erste des Jahres 1998 in der<br />

Druckerei der Mechitaristen vervielfältigt.<br />

In der ordenseigenen Bibliothek finden sich<br />

außerdem die weltweit größte und älteste Sammlung<br />

armenischer Zeitschriften, eine umfangreiche<br />

Münzsammlung und zahlreiche kostbare<br />

Handschriften. Als eines der wichtigsten Zentren<br />

der armenischen Kultur in ganz Mitteleuropa,<br />

bieten die Wiener Mechitaristen nicht nur für die<br />

etwa 30 bis 40 in Österreich lebenden armenischkatholischen<br />

Familien eine bedeutende Begegnungs-<br />

und Lernstätte: „Unser Kloster ist nach<br />

wie vor ein religiöses und kulturelles Zentrum<br />

für Armenier, die von überall herkommen, um<br />

unsere Zeitschriften zu studieren“, erklärt Pater<br />

Kodjanian stolz.<br />

Der Fokus des Ordens liegt seit jeher auf der<br />

Bewahrung und Entwicklung der armenischen<br />

Kultur. Dieses Leitmotiv war es auch, welches damals<br />

Mechitar inspirierte, den Orden überhaupt<br />

zu gründen. „Ab dem 14. Jahrhundert kam eine<br />

schwierige Zeit für die armenische Kultur – ein<br />

Niedergang bahnte sich an“, so Pater Paulus. Der<br />

neue Orden sollte vor allem gut ausgebildete Priester<br />

hervorbringen, die Menschen etwas beibringen<br />

konnten. „Denn Religion ohne Bildung kann auch<br />

Blick auf den Altar<br />

von Maria Schutz<br />

Probleme machen – beide Dinge sind wichtig für<br />

den Menschen“, stellt der Abt fest. Gute interreligiöse<br />

Beziehungen und ein gemeinsamer Diskurs<br />

sind für Pater Paulus wesentlich. „Es ist wichtig,<br />

das alle Gläubigen, ob sie nun Christen, Moslems<br />

oder Juden sind, in einer guten Beziehung zueinander<br />

leben. Mit gegenseitiger Achtung und in<br />

freundlicher Beziehung sollte man gemeinsam<br />

für den Frieden in der Welt arbeiten“, so der Pater.<br />

Im Jahr 2000 vereinten sich auch die Venediger<br />

und die Wiener Mechitaristen nach 227<br />

Jahren Trennung wieder zu einer Kongregation.<br />

„Das Hauptzentrum ist nun Venedig, Wien fungiert<br />

als eine Art Unterzentrum und daneben<br />

gibt es noch Niederlassungen in verschiedensten<br />

Städten wie Istanbul, Aleppo, Beirut, Paris, Los<br />

Angeles oder Buenos Aires“, erklärt Pater Paulus.<br />

Früher habe es aber noch viel mehr Nebensitze<br />

gegeben. „Wir sind an unser Volk gebunden und<br />

wenn dieses irgendwo einzieht, ziehen wir mit<br />

ein – verlässt es einen Ort, müssen wir das ebenfalls<br />

tun“, so der Abt.<br />

In die Zukunft des Ordens blickt Pater Paulus<br />

mit Besorgnis. „Wir haben Probleme mit dem<br />

Nachwuchs“, erzählt er. In der Zeit des Kommunismus<br />

war es für die Kongregation schwer möglich,<br />

aktiv Nachwuchs zu generieren. Die Suche<br />

konzentrierte sich damals auf Syrien, Istanbul<br />

oder den Libanon, wo bis zu 300.000 Armenier<br />

lebten. „Wir hatten dort einmal 17 Schulen, aber<br />

während des langen Krieges verließen viele Armenier<br />

das Land gen Europa oder Amerika“, erinnert<br />

sich Pater Paulus. Erschwert wird die Nachbesetzung<br />

noch dadurch, dass nur Armenier als<br />

Mönche zugelassen sind. „Das ist kein Nationalismus,<br />

aber unser Orden ist der einzige armenischkatholische<br />

und der Gründer wollte, dass das so<br />

bleibt“, erklärt der Abt. Die Zahl der Mönche ist<br />

momentan die niedrigste der Geschichte – in<br />

Wien und Venedig zusammen gibt es nur noch 20<br />

Priester, von denen mindestens sechs nicht mehr<br />

aktiv sein können. In Wien sind es noch vier Mechitaristen,<br />

die nach benediktinischer Regel im<br />

Kloster in Wien Neubau leben und arbeiten.<br />

Zumindest der Fortbestand des altbekannten<br />

Klosterlikörs, der sogenannten „Mechitharine“<br />

ist aber vorläufig gesichert. Seit dem 17. Jahrhundert<br />

wird dieser nach stets streng gehütetem Geheimrezept<br />

aus 43 verschiedenen Kräutern und<br />

12 Früchten zubereitet. Der Pater, der mit dem<br />

Rezept betraut war, befindet sich aber im Altersheim.<br />

Dennoch gelang es den Patres, das Rezept<br />

so weit zu rekonstruieren, dass es nun wieder<br />

möglich ist, Likör für den Privatgebrauch herzustellen.<br />

„Er ist jetzt viel besser als der, den der Pater<br />

zuvor in letzter Zeit gemacht hat“, versichert<br />

Pater Paulus.<br />

Dem Staat Österreich ist der Abt der Wiener<br />

Mechitaristen in Dankbarkeit verbunden. „Sowohl<br />

zur Kaiserzeit als auch zur Zeit der Republik sind<br />

wir immer unterstützt worden“, resümiert er. •<br />

TEXT: Hermine Schreiberhuber/<br />

Sarah Heftberger<br />

Fotos: society/salas-torrero<br />

78 | <strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2018</strong>

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