SOCIETY 374 / 2018
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LÄNDERFOKUS ARMENIEN<br />
INTERVIEW<br />
Die St. Hripsime-Kirche von innen<br />
INFO<br />
Die armenisch-apostolische<br />
St. Hripsime-Kirche so wie<br />
auch das Gemeindezentrum<br />
befinden sich in der<br />
Kolonitzgasse 11 im dritten<br />
Wiener Gemeindebezirk.<br />
Jeden Sonntag um 11 Uhr<br />
findet ein alt-armenischer<br />
Gottesdienst statt.<br />
über dem Mausoleum der heiligen Hripsime errichtet<br />
wurde und heute zum UNESCO-Weltkulturerbe<br />
zählt. Die zwei bunten Rundbogenfenster<br />
rechts neben dem Eingangsportal sind der<br />
Blickfang des religiösen Baus in Wien.<br />
Bevor die St. Hripsime-Kirche erbaut wurde,<br />
diente eine im Dezember 1912 in der Dominikanerbastei<br />
10 errichtete Hauskapelle als Ort der<br />
Zusammenkunft für die Gläubigen.<br />
Heute bietet ein zusätzliches Gemeindezentrum<br />
einen weiteren Anlaufpunkt für die in Wien<br />
lebenden Armenier. Neben der Wochenendschule<br />
gibt es unter anderem einen Sportverein, einen<br />
Chor und sogar einen Pfadfinderverein. „Unser<br />
Ziel ist es, dass Gottes Wort für jeden Armenier<br />
zugänglich ist – aber nicht nur als Wissenschaft,<br />
sondern auch als Emotion oder als gelebtes oder<br />
praktisches Leben“, führt der Patriarchaldelegat<br />
dazu aus.<br />
Seit 12. Dezember 1972 ist die armenisch-apostolische<br />
Kirche, die zur Familie der altorientalischen<br />
Kirchen gehört, als Religionsgemeinschaft<br />
durch die Republik Österreich amtlich anerkannt.<br />
Mit dem armenisch-katholischen Mechitaristen-Orden<br />
Wiens steht sie in brüderlicher<br />
Beziehung. „Was die Mechitaristen in den letzten<br />
300 Jahren für die armenische Kultur geleistet<br />
haben, war hervorragend“, so Petrosyan.<br />
Generell sei der Dialog zwischen verschiedenen<br />
Religionen für die Armenier etwas, das<br />
über die Theorie hinausgeht. „Wir haben immer<br />
versucht, den Dialog zu fördern. Am Beispiel der<br />
Armenier kann auch gezeigt werden, wie Menschen<br />
mit verschiedensten Religionszugehörigkeiten<br />
friedlich und mit gegenseitigem Respekt<br />
zusammenleben können“, betont der Pater. Wie<br />
verankert die Religion im Leben der Armenier<br />
ist, unterstreicht eine Studie des Pew Research<br />
Centre, die <strong>2018</strong> veröffentlicht wurde. 82 Prozent<br />
der befragten Armenier gaben dabei an, dass sie<br />
Religion als sehr wichtige oder wichtige Schlüsselkomponente<br />
ihrer nationalen Identität sehen<br />
– im Vergleich dazu waren es etwa in Schweden<br />
oder Estland nur 15 Prozent, der Durchschnittswert<br />
lag bei rund 40 Prozent. „Die armenische<br />
Kirche und die Religion haben seit jeher eine große<br />
Rolle für die Bildung der nationalen Identität<br />
der Armenier gespielt“, sagt Pater Tiran dazu.<br />
Dennoch sieht er die Laisierung zahlreicher Gesellschaften<br />
als eine der größten Herausforderungen.<br />
„Religion verliert generell immer mehr<br />
an Bedeutung und gerät allmählich ins Abseits<br />
des persönlichen Lebens. Wir müssen neue Wege<br />
finden, die Religion in der Gesellschaft lebendig<br />
zu halten“, so der Pater. Vor allem sei dabei die<br />
Jugendarbeit wichtig – man müsse den Jugendlichen<br />
vermitteln, dass sie als aktive Mitglieder für<br />
die Gemeinde wichtig sind.<br />
Seit 2013 hat die armenisch-apostolische Kirche<br />
den Vorsitz des Ökumenischen Rates der<br />
Kirchen in Genf inne. Zudem kooperiert sie mit<br />
der Stiftung Pro-Oriente, der Konferenz Europäischer<br />
Kirchen (KEK) und diversen lokalen<br />
Kirchenräten. „Die armenische Kirche will, dass<br />
alle Kirchen eine gemeinsame Stimme finden,<br />
damit sie als Einheit in der Welt auftreten können.<br />
Sie versucht stets, dazu einen Beitrag zu<br />
leisten“, schließt der Patriarchaldelegat. Die Menschenrechte<br />
seien seiner Kirche ein besonderes<br />
A n l ie g e n .<br />
•<br />
Fotos:society/salas-torrero<br />
82 | <strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2018</strong>