Nr. 23 (IV-2018) - Osnabrücker Wissen
Nr. 23 (IV-2018) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de
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LEBEN & GESELLSCHAFT<br />
Kaputte Sachen wegwerfen?<br />
Geduld, Erfahrung und Präzision bracht Marita Schlüter, um die Heilige<br />
Sippe / die Annaselbdritt wieder mittelalterlich erscheinen zu lassen.<br />
Hatte Jesus Geschwister?<br />
Nicht nur der heilige Hieronymus stolperte gedanklich über Bibelstellen, an denen von den<br />
Brüdern Jesu die Rede ist. Theologisch versiert bemühte sich der Kirchenvater um eine Erklärung<br />
dieser Passagen, denn als Gottessohn sollte der Heiland eher ein Einzelkind sein.<br />
Daraus entwickelte sich die Legende von<br />
der „Heiligen Sippe“, in der die heilige<br />
Anna zunächst der Gottesmutter das<br />
Leben schenkt und nach dem Tod ihres<br />
Mannes Joachim noch zweimal heiratet.<br />
Aus diesen Ehen gehen zwei weitere Töchter<br />
hervor, die ebenfalls Maria heißen und<br />
insgesamt sechs Söhne haben. Am Vorabend<br />
der Reformation hatte sich die heilige<br />
Anna zu einer besonders geschätzten<br />
Heiligen entwickelt, die als sogenannte<br />
Anna Selbdritt gemeinsam mit Maria und<br />
Jesus dargestellt wurde. 1483 schuf ein<br />
bedeutender Maler für den Hochaltar des<br />
<strong>Osnabrücker</strong> Domes ein Tafelgemälde, das<br />
auf der Vorderseite die Heilige Sippe zeigt<br />
und auf der Rückseite Anna Selbdritt.<br />
Letztere war alltags zu sehen, während die<br />
17-köpfige Heilige Sippe an den Festtagen<br />
beim Aufklappen des Hochaltars im <strong>Osnabrücker</strong><br />
Dom zur Geltung kam.<br />
Nach dem 1563 beendeten Konzil von<br />
Trient erkaltete das Interesse an der heiligen<br />
Anna, ihren Ehemännern und Nachfahren,<br />
weil ihre Geschichte in dieser Form<br />
nicht in den Evangelien zu finden war. Der<br />
spätmittelalterliche Hochaltar des Domes<br />
wurde 1664 durch einen barocken Nachfolger<br />
ersetzt. Danach verliert sich die<br />
Spur der beidseitig bemalten Eichentafel<br />
zunächst, bis der Domvikar Franz Carl<br />
Berlage sie um 1870 stark beschädigt als<br />
Abdeckung über einer Bodenöffnung in<br />
den Gebäuden neben dem Dom wiederentdeckte.<br />
Er erkannte die große Qualität<br />
des Werkes, so dass die Tafel zunächst in<br />
der Mitte geteilt, beide Seiten restauriert<br />
und im Bischofshaus aufgehängt wurden.<br />
Der Restaurator fügte manches im Stil des<br />
19. Jahrhunderts hinzu. Diese Erkenntnis<br />
sowie weitere weniger gelungene spätere<br />
Restaurierungen führten dazu, dass 2013<br />
zunächst die Heilige Sippe und <strong>2018</strong> nun<br />
auch die Tafelhälfte mit der Anna Selbdritt<br />
von der Restauratorin Marita Schlüter eingehend<br />
untersucht und zum großen Teil<br />
bis auf die mittelalterlichen Farbschichten<br />
freigelegt wurde.<br />
Anschließend stellte sie das Gesamtbild so<br />
wieder her, dass ihre Ergänzungen nachvollziehbar<br />
sind. In der diesjährigen Weihnachtsausstellung<br />
des Diözesanmuseums<br />
nehmen das Christkind auf dem Schoß<br />
von Mutter und Großmutter sowie seine<br />
heilige Sippe den zentralen Platz ein und<br />
Anna Selbdritt wird erstmals nach der<br />
Restaurierung wieder öffentlich zu sehen<br />
sein. | Hermann Queckenstedt<br />
WISSEN KOMPAKT<br />
VORTRAG DER RESTAURATORIN<br />
Marita Schlüter wird in der Vortragsreihe<br />
zum 100-jährigen Bestehen<br />
des Diözesanmuseums<br />
am Dienstag, 12. Februar 2019<br />
um 19.30 Uhr im Forum am<br />
Dom in Osnabrück unter dem<br />
Titel „Mit Pinsel und PC“ über<br />
die Restaurierung beider Werke<br />
berichten.<br />
Bild unten © Diözesanmuseum / Foto: Marita Schlüter / Bild oben © Diözesanmuseum / Foto: Stephan Kube<br />
Stuhl reparatur, Gummistiefel, Nähmaschine © Ralf Baalmann / Hintergrund © ontzet<br />
Denkste! Das ist die Philosophie des Repair-Cafés. Die<br />
Konzeptidee entstand 2009 in den Niederlanden und hat sich<br />
mittlerweile auch bei uns etabliert.<br />
Seit 2014 bietet das Café OASE - Träger ist<br />
die Diakonie Osnabrück Stadt und Land -<br />
in der Lohstraße dem Projekt Räume auf<br />
drei Ebenen. Und die werden gebraucht,<br />
denn die Macher reparieren so ziemlich<br />
alles, was ihnen in die Finger kommt: Das<br />
kann ein Fön sein oder eine Schreibmaschine,<br />
aber auch Teddybären und sogar<br />
ein Akkordeon wurden erfolgreich wiederhergerichtet.<br />
Die Arbeitsbereiche Nähen,<br />
Schmuck, PC, Fahrrad und Werkstatt<br />
bieten viele Möglichkeiten, um das<br />
zu retten, was Menschen besonders am<br />
Herzen liegt.<br />
27 Experten stehen den Besuchern mit<br />
Rat und Tat zur Seite und freuen sich mit<br />
ihnen über eine fast siebzigprozentige<br />
Erfolgsquote. „Zum Reparieren ist jeder<br />
herzlich eingeladen, wichtig ist jedoch,<br />
dass wir in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe<br />
bieten. Der Besitzer soll also selbst aktiv<br />
werden,“ erläutert Lothar Schnober, einer<br />
der Fahrradexperten. Er war 25 Jahre lang<br />
Inhaber eines Fachhandels und ist seiner<br />
Profession treu geblieben.<br />
„Es geht uns darum, die eigenen Fähigkeiten<br />
kennenzulernen und Kompetenzen<br />
weiter auszubauen – und natürlich darum,<br />
in Kontakt mit anderen Menschen zu<br />
kommen“, ergänzt Ralf Baalmann, einer<br />
der Hauptbetreuer des Cafés.<br />
Reparieren sei dann eine Aktion, die über<br />
das bloß Materielle hinausgehe. „Zu uns<br />
kommen auch Menschen, die einsam<br />
sind. Hier können sie sich unterhalten,<br />
neues <strong>Wissen</strong> erwerben, sich aussprechen,<br />
wenn sie Hilfe brauchen“, weiß<br />
Baalmann. Oberste Priorität und einzige<br />
Bedingung für das Betreten der Räume:<br />
Besucher dürfen keine Fahne haben, denn<br />
das Repair-Café<br />
versteht sich als<br />
suchtmittelfreier<br />
Treffpunkt. Auch<br />
ausgebildete Sozialarbeiter<br />
sind<br />
mit von der Partie.<br />
Sie stehen all<br />
denjenigen mit<br />
großem Engagement<br />
zur Seite, die<br />
womöglich etwas<br />
mehr belastet als<br />
ein defekter Fön...<br />
| Rebecca Schulze<br />
SoNderaUSStellUNg<br />
bis 17.03.2019<br />
WISSEN KOMPAKT<br />
REPAIR CAFÉS IN DER REGION<br />
Ein halbes Dutzend Reparatur-Initiativen<br />
gibt es in der<br />
Stadt – mehr dazu auf www.<br />
osnabrueck.de (Stichwort „Reparatur-Initiativen“).<br />
Im Landkreis<br />
sind sechs weitere aktiv,<br />
die man unter www.awigo.de<br />
(Suchwort „Repair Café“) finden<br />
kann.<br />
Museum am Schölerberg<br />
Natur und Umwelt · Umweltbildungszentrum · Planetarium<br />
Klaus-Strick-Weg 10 · 49082 Osnabrück<br />
www.museum-am-schoelerberg.de<br />
Drei Generationen der Verwandtschaft Jesu hat ein namentlich nicht bekannter Künstler für den <strong>Osnabrücker</strong> Dom<br />
auf eine Eichentafel gemalt. Die kostbaren Brokatstoffe und die topmodische Kleidung verweisen auf die Bedeutung<br />
der Dargestellten. Bei den spielenden Jungen soll es sich um die Cousins Jesu handeln.<br />
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