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Berliner Kurier 23.12.2018

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POLITIK<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Überwachung<br />

der AfD? Ja, bitte!<br />

Von<br />

Christian<br />

Burmeister<br />

Der rechte Rand in der<br />

rechtspopulistischen<br />

AfD fühlt sich ausgegrenzt.<br />

Von den eigenen Parteifreunden.<br />

Ist es wirklich glaubhaft,<br />

was André Poggenburg da<br />

gesagt hat? Oder jammerter<br />

nur ein bisschen, um deutlich<br />

zu machen, wie ernst es die<br />

Parteispitze mitihrerAbgrenzung<br />

nach ganz rechts<br />

meint? Immerhin droht der<br />

AfD eine Überwachung<br />

durch den Verfassungsschutz.<br />

Sicher: Die AfDstrebt gerade<br />

einen Parteiausschluss gegen<br />

die abgesetzte Landeschefin<br />

in Schleswig-Holstein an.<br />

Andererseits hat sie ein solches<br />

Verfahren auch gegen<br />

Björn Höcke eingeleitet –das<br />

ist im Sande verlaufen. Diese<br />

Partei hat einen Fraktionschef<br />

im Bundestag, der Menschen,<br />

die einen Hitlergruß<br />

zeigen, für „ungefährlich“<br />

hält. Und spätestens nach<br />

Chemnitz ist derSchulterschluss<br />

von Teilen der AfD<br />

mit offenen Verfassungsfeinden<br />

gut dokumentiert. Wenn<br />

der Inlandsgeheimdienst<br />

jahrelang den heutigen Linken-Ministerpräsidenten<br />

Bodo<br />

Ramelow überwachen<br />

konnte, kann er das auch bei<br />

der AfD –egal, was die Partei<br />

in diesen Wochen tut oder<br />

Poggenburg sagt.<br />

FRAU DESTAGES<br />

Amber Rudd<br />

Gedacht haben es sicher viele,<br />

gesagt hat es nur eine:<br />

Großbritanniens Arbeitsministerin<br />

Amber Rudd (55)<br />

findet das<br />

Verhalten<br />

des EU-<br />

Kommissionschefs<br />

Jean-Claude<br />

Juncker im<br />

Allgemeinen<br />

und Frauen<br />

gegenüber<br />

im Besonderen<br />

„grotesk“<br />

und „grauenhaft“. Ob<br />

Haarewuscheln bei Pernilla<br />

Sjölin oder Armhalten bei<br />

Theresa May –Rudd hat auf<br />

derlei Nähe keine Lust. Und<br />

täuscht deshalb bei Besuchen<br />

in Brüssel eine Erkältung vor.<br />

Foto: Will Oliver/EPA/dpa<br />

Poggenburg droht mit Parteigründung<br />

Steht die AfD jetzt<br />

vorder Spaltung?<br />

Streit um Rechtsaußen-Positionen: Ex-Landeschef von Sachsen-Anhalt erwägt eine eigene Bewegung<br />

Berlin – Zerreißt es die AfD?<br />

Ausgerechnet André Poggenburg,<br />

prominenter Vertreter<br />

des ultrarechten Flügels<br />

der Partei, spricht von<br />

einer internen „Denunzierungswelle“<br />

gegen seine Gesinnungsgenossen<br />

– und<br />

denkt laut über die Gründung<br />

einer neuen Partei<br />

nach. Die drohende Beobachtung<br />

oder sogar Überwachung<br />

der AfD durch den<br />

Verfassungsschutz setzt den<br />

Rechtspopulisten zu.<br />

Es hagelt Parteiausschlussverfahren<br />

und Ordnungsmaßnahmen.<br />

Es gibt eine parteiinterne<br />

Denunziationswelle und eine<br />

regelrechte Hysterie“, klagt<br />

der ehemalige Landeschef der<br />

AfD in Sachsen-Anhalt gegenüber<br />

der „Magdeburger Volksstimme“.<br />

Vertreter des extremen<br />

Rechtsaußenflügels, zu<br />

dem sich Poggenburg selbst<br />

zählt, würden an den Rand gedrängt:<br />

„Es rumort gewaltig.“<br />

Poggenburg sah sich im<br />

Frühjahr selbst gezwungen, als<br />

Partei- und Fraktionschef in<br />

Sachsen-Anhalt zurückzutreten.<br />

Zuvor hatte er in einer Rede<br />

am politischen Aschermittwoch<br />

in Deutschland lebende<br />

Türken als „Kümmelhändler“<br />

und „Kameltreiber“ bezeichnet.<br />

Erst am Montag hatte der<br />

Bundesvorstand der AfD ein<br />

Parteiausschlussverfahren<br />

gegen die kürzlich abgesetzte<br />

Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein,<br />

Doris von Sayn-<br />

Wittgenstein, beschlossen. Ihr<br />

werden Kontakte zu Holocaust-Leugnern<br />

vorgeworfen.<br />

Sie selbst soll die Existenz von<br />

NS-Vernichtungslagern ebenfalls<br />

geleugnet haben. Die AfD-<br />

Politikerin bestreitet das.<br />

Der rechte Flügel der Partei<br />

könne sich abspalten, droht<br />

Poggenburg nun ziemlich offen:<br />

„Viele sind mit dem momentanen<br />

Kurs des Bundesvorstands<br />

sehr unzufrieden. Es<br />

gibt sogar Stimmen, die nach<br />

mehr rufen, beispielsweise<br />

nach einer neuen Partei. Diese<br />

Debatte nimmt fühlbar zunehmend<br />

Fahrt auf.“<br />

Zwei Rechtsaußen und Ex-Fraktionschefs der AfD: Doris vonSayn-Wittgenstein (Schleswig-Holstein) und André<br />

Poggenburg(Sachsen-Anhalt).<br />

Die AfD hat bereits mehrere<br />

„Häutungen“ hinter sich. Die<br />

einst unumstrittene Frontfrau<br />

Frauke Petry sitzt heute als<br />

parteilose Abgeordnete im<br />

Bundestag. Ihre neue Bewegung<br />

„Die Blauen“ ist ebenso<br />

bedeutungslos wie die Gruppierung<br />

„Alpha“ des AfD-Pioniers<br />

Bernd Lucke. Der Druck<br />

auf die AfD-Spitze ist auch ohne<br />

Poggenburg erheblich: In<br />

Kürze will das Bundesamt für<br />

Verfassungsschutz entscheiden,<br />

ob die Partei als Ganzes<br />

mit nachrichtlichen Mitteln<br />

überwacht wird. Noch im<br />

März –also vor den Ereignissen<br />

in Chemnitz und vor dem<br />

„Fall Maaßen“ –hatte der Geheimdienst<br />

eine Beobachtung<br />

der AfD abgelehnt. Einige Landesämter<br />

wollen aber sogar die<br />

aktive Überwachung. Einzelne<br />

Landesverbände der Junge Alternative<br />

stehen bereits unter<br />

Beobachtung.<br />

Der AfD-Bundesvorstand<br />

will eine Überwachung unter<br />

allen Umständen verhindern.<br />

Er hatte deshalb sogar ein Gutachten<br />

erstellen lassen. Dieses<br />

ging der Frage nach, wie und<br />

ob die Partei den Fängen des<br />

Verfassungsschutzes entgehen<br />

könnte. Ein Ratschlag<br />

Fotos: Carsten Rehder/Hendrik Schmidt/dpa<br />

war, Begriffe wie „Umvolkung“<br />

oder „Überfremdung“<br />

künftig zu vermeiden. Wohl<br />

auch deshalb versucht die AfD<br />

nun, besonders krasse Rechtsausleger<br />

aus der Partei zu<br />

drängen –und erregt so den<br />

Unmut von Mitgliedern wie<br />

Poggenburg.<br />

Ob es nutzt? Der neue Verfassungsschutzchef<br />

Thomas<br />

Haldenwang hatte kürzlich<br />

angekündigt, das Personal<br />

aufstocken zu wollen, das sich<br />

mit der Gefahr von rechts beschäftigt.<br />

Die Zahl der dafür<br />

zuständigen Mitarbeiter soll<br />

von 200 auf 300 wachsen.

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