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Berliner Kurier 08.02.2019

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*<br />

FacebookmissbrauchtMarktmacht<br />

Kartellamt stoppt Datenkrake<br />

Nutzungsbedingungen dessozialen Netzwerks müssen binneneines Jahres geändertwerden,sonst droht<br />

ein milliardenschweres Bußgeld. 32 Millionen Menschen allein in Deutschland angemeldet<br />

Berlin – Facebook darf nicht<br />

mehr automatisch die Whatsapp-<br />

und Instagram-Daten<br />

seiner Kunden auswerten.<br />

Das hat jetzt das Bundeskartellamt<br />

entschieden. Der<br />

Vorwurf: Facebook missbrauche<br />

seine Marktmacht.<br />

Die wichtigsten Fragen.<br />

▶ Was wird Facebook konkret<br />

untersagt? Facebook darf<br />

die Nutzung des Netzwerks<br />

nicht mehr davon abhängig machen,<br />

dass die Kunden Facebook<br />

auch die Auswertung von<br />

Daten aus anderen Quellen erlauben.<br />

Konkret geht es um<br />

Daten, die bei der Nutzung der<br />

Facebook-Töchter Whatsapp<br />

und Instagram anfallen, aber<br />

auch um Daten, die auf Webseiten<br />

entstehen, die Facebook-<br />

Tools wie den „Gefällt<br />

mir“-Button nutzen. Facebook<br />

muss nun binnen eines Jahres<br />

seine Nutzungsbedingungen<br />

ändern.<br />

▶ Hat Facebook eine marktbeherrschende<br />

Stellung? Das<br />

Bundeskartellamt hält dies für<br />

eindeutig. In Deutschland nutzen<br />

32 Millionen Menschen<br />

Facebook, davon 23 Millionen<br />

sogar täglich. Facebook ist in<br />

Deutschland nicht nur das<br />

größte soziale Netzwerk, es<br />

gibt auch keinen relevanten<br />

Wettbewerber mehr. Wer sich<br />

mit anderen Menschen vernetzen<br />

will, muss schließlich dorthin<br />

gehen, wo die anderen sind.<br />

Ein kleines Netzwerk hat auf<br />

dem Markt von Netzwerken<br />

deshalb fast keine Chance.<br />

Mangelware Respekt<br />

Respektrente nennt Bundesarbeitsminister<br />

Hubertus<br />

Heil (SPD) seine neue<br />

Grundrente. Eine gelungene<br />

Wortwahl, unabhängig davon,<br />

oballe Einzelheiten seines<br />

Plans sinnvoll sind. Denn<br />

Respekt ist Mangelware in<br />

Deutschland.Millionen Menschenvermissenzum<br />

Beispiel<br />

den Respekt vor ihrer Lebensleistung.<br />

Vormehr alszehnJahren war<br />

ich an einerAuswertungeiner<br />

sogenannten Sinus-Studiebeteiligt,<br />

mit der das Sozialforschungsunternehmen<br />

Sinus<br />

Die Feststellung der Marktmacht<br />

ist wichtig, für marktbeherrschende<br />

Unternehmen gelten<br />

strengere Regeln. Die Kunden<br />

müssen hier besser geschützt<br />

werden, weil sie nicht<br />

einfach zu einem Konkurrenten<br />

wechseln können.<br />

▶ Missbraucht Facebook seine<br />

Marktmacht? Das Kartellamt<br />

sieht eine unzulässige Benachteiligung<br />

der Facebook-<br />

Nutzer darin, dass diese einer<br />

umfassenden Datenerfassung<br />

und -auswertung zustimmen<br />

müssen, die nicht in ihrem Interesse<br />

liege. Das Kartellamt beruft<br />

sich dabei ausdrücklich auf<br />

die 2018 in Kraft getretene<br />

Datenschutz-Grundverordnung<br />

(DSGVO). Das Interesse<br />

der Nutzer an ihrer informationellen<br />

Selbstbestimmung überwiege<br />

das Interesse Facebooks<br />

an der Zusammenführung<br />

möglichst vieler Daten über die<br />

die Gesellschaft nachsozialen<br />

Milieus untersucht und ihre<br />

Einstellungen und Sorgen ermittelt.<br />

Das wichtigste Ergebnis:<br />

Menschen, die lange gearbeitet<br />

haben und dann in die<br />

Arbeitslosigkeit, in Hartz IV<br />

und später ineine Minirente<br />

abrutschen, vermissen den<br />

Respekt vor der Leistung, die<br />

sie für die Gesellschaft erbracht<br />

haben. Diese Enttäuschung<br />

steht bei vielen sogar<br />

vor den materiellen Wünschen.<br />

Als Christian Wulff Bundespräsident<br />

war, lud er mich<br />

und andere Journalisten zu<br />

Einzelgesprächen ein, um<br />

Ideen für seine gesellschaftspolitischen<br />

Themen zu sammeln.<br />

Ich schlug ihm damals<br />

vor, öffentlichseinen Respekt<br />

für die Lebensleistung von<br />

Hartz-IV-Empfängern zu bekunden.<br />

Leider ging ernicht<br />

darauf ein.<br />

Aus diesen Gründen ist auch<br />

die Respektrente eine gute<br />

Wortwahl. Respekt ist das<br />

Schlüsselwort zur sozialen<br />

Befriedung und auch zur Befriedung<br />

vieler Menschen in<br />

Nutzer. Die Kunden hätten<br />

zwar keinen finanziellen<br />

Schaden, aber „Kontroll-<br />

nun gar<br />

verlust“.<br />

▶ Darf Facebook<br />

keine<br />

Daten<br />

mehr über<br />

Kunden<br />

sammeln?<br />

Facebook darf<br />

über die<br />

Facebookder<br />

Kunden<br />

Nutzung<br />

weiter<br />

Daten<br />

sammeln und<br />

auswerten.<br />

Dies sei<br />

kartell-<br />

unange-<br />

rechtlich nicht<br />

messen und werde von den<br />

Kunden auch erwartet.<br />

Schließlich sei Facebook ein<br />

kostenloser Dienst, der mit<br />

zielgenauer Werbung<br />

sein<br />

Geld verdiene. Auch Whatsapp<br />

und Instagram dürfen Daten<br />

ihrer Kunden weiterhin sam-<br />

Zwecke<br />

meln und für eigene<br />

auswerten. In „erheblich beschränktem“<br />

Umfang soll Facebook<br />

sogar weiterhin die Nutzung<br />

von Daten aus anderen<br />

Quellen erlaubt werden. Facebook<br />

soll innerhalb von vier<br />

Monaten einen Vorschlag vorlegen.<br />

▶ Droht ein Bußgeld? Der<br />

Kartellamtsbescheid zielt nur<br />

darauf, dass Facebook künftig<br />

seine Pflichten einhält. „Im<br />

Wiederholungsfall“ komme<br />

aber ein Bußgeld in Betracht,<br />

also wenn Facebook die Vorgaben<br />

des Amts missachtet. Das<br />

Bußgeld darf bis zu 10 Prozent<br />

des Jahresumsatzes von Facebook<br />

betragen –das wären bis<br />

zu 4,85 Milliarden Euro.<br />

Spreng-<br />

Stoff<br />

Der Journalist<br />

und Politikberater<br />

Michael H. Spreng<br />

schreibt<br />

jeden Freitag<br />

im KURIER<br />

Ostdeutschland. Diesen Respekt<br />

können Politiker gar<br />

nicht oft genug betonen. Allerdings<br />

müssen sie dies auch<br />

ernst nehmen. Und dann<br />

muss Respekt natürlich auch<br />

materielleFolgenhaben.<br />

Foto: Bernd Wüstneck/dpa<br />

Foto: GeertVanden Wijngaert/AP<br />

SEITE3<br />

BERLINER KURIER, Freitag, 8. Februar 2019<br />

NACHRICHTEN<br />

Paris gegen Pipeline<br />

Brüssel –Der politische<br />

Streit um die Erdgas-Pipeline<br />

Nord Stream 2droht zu eskalieren.<br />

Frankreich will sich<br />

im Streit über die Gasversorgung<br />

in der EU gegen<br />

Deutschland stellen. Zudem<br />

sagte Präsident Emmanuel<br />

Macron jetzt seine Teilnahme<br />

an der Münchner Sicherheitskonferenz<br />

ab.<br />

Kindergrundsicherung<br />

Berlin –Die SPD hat ihre<br />

Pläne für eine einkommensabhängige<br />

Kindergrundsicherung<br />

konkretisiert. Alle<br />

Leistungen sollen zu einer<br />

monatlichen Zahlung je Kind<br />

zusammengefasst werden, so<br />

das Konzept „Sozialstaat für<br />

eine neue Zeit“, das am Wochenende<br />

beraten wird.<br />

Mays Versprechen<br />

Brüssel –Die britischePremierministerin<br />

Theresa May<br />

hat nach Gesprächen in Brüssel<br />

einen geordneten und<br />

pünktlichen Brexit zugesagt.<br />

Sie werde ihn zum verabredeten<br />

Zeitpunkt liefern, sagte<br />

sie nach Treffen mit EU-<br />

Kommissionspräsident Jean-<br />

Claude Juncker.<br />

Wachstum schwächer<br />

Brüssel –Die EU-Kommission<br />

rechnet angesichts zahlreicher<br />

Probleme in den<br />

größten Volkswirtschaften<br />

mit einem deutlich schwächeren<br />

Wirtschaftswachstum.<br />

Das Bruttoinlandsprodukt<br />

wird wohl 2019 in der Euro-<br />

Zone nur um 1,3 Prozent zunehmen<br />

statt 1,9 Prozent.<br />

Neuer Chef nominiert<br />

New York –US-Präsident<br />

Donald Trump hat den 62<br />

Jahre alten Ökonom David<br />

Malpass als neuen Präsidenten<br />

der Weltbank vorgeschlagen.<br />

Malpass, bisher als<br />

Staatssekretär im Finanzministerium<br />

tätig, soll Jim Yong<br />

Kim ersetzen, der sein Amt<br />

überraschend niedergelegt<br />

hatte.

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