Develop³ Systems Engineering 01.2014
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Trends Industrie 4.0<br />
Hondo Santos ist als Director<br />
Logistics bei Balluff<br />
bereits mit ersten Umsetzungen<br />
der Industrie-<br />
4.0-Konzepte vertraut. Für<br />
ihn ergeben sich daraus<br />
vor allem neue Möglichkeiten,<br />
über die Unternehmensgrenzen<br />
hinweg<br />
neue Prozesse und aus<br />
Wertschöpfungsketten<br />
ganze Wertschöpfungsnetze<br />
zu gestalten<br />
develop3: Was muss dazu mit Blick etwa auf Montageprozesse<br />
getan werden?<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): Wir müssen eine Metasprache<br />
entwickeln – eine Taxonomie und Ontologie beziehungsweise<br />
eine Begriffswelt –, die es erlaubt, die Herstellung eines Produktes<br />
so zu beschreiben, dass sich diese Informationen weltweit<br />
an vielen verschiedenen Maschinen nutzen lassen. Das<br />
gibt es in dieser Form noch nicht, auch wenn es in Teilbereichen<br />
beziehungsweise Branchen bereits Industrie-4.0-Inseln gibt.<br />
Dann lässt sich auch die Stückzahl Eins realisieren, ohne dass<br />
man dazu zunächst einen komplexen <strong>Engineering</strong>-Prozess<br />
aufsetzen muss.<br />
develop3: Damit nähern wir uns dann aber wieder<br />
dem eingangs erwähnten ‚smarten‘ Produkt, dem<br />
ich über die digitale Entwicklung analog zum NC-<br />
Code bereits sämtliche Informationen mitgebe,<br />
wie es zu fertigen ist...<br />
Hoppe (Beckhoff Automation): ...was aber nur<br />
funktioniert, wenn die Fertigungsmaschinen beziehungsweise<br />
-anlagen das auch verstehen! An<br />
welcher Stelle die Fertigungshinweise liegen,<br />
spielt keine Rolle – wichtig ist, dass der Produktionsvorgang<br />
so beschrieben ist, dass die jeweils<br />
vorhandenen Maschinen und Anlagen daraus<br />
selbstständig und autonom die notwendigen Schritte extrahieren<br />
können. Derzeit gibt es dazu keine einheitliche Taxonomie<br />
– im Rahmen der Umsetzung von Industrie 4.0 müssen<br />
wir diese aber entwickeln.<br />
Sandhöfner (B&R): Das Ziel von Industrie 4.0 beinhaltet auf<br />
diese Weise die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Wegen<br />
– zwischen Prozessen unterschiedlicher Anbieter – wählen<br />
zu können. Das setzt einheitliche Daten voraus, die innerhalb<br />
der gesamten Prozesskette verstanden werden.<br />
Zühlke (DFKI): Hier fehlen uns in der Tat derzeit sowohl eine Referenzarchitektur<br />
als auch wissenschaftliche Begrifflichkeiten<br />
für viele Dinge. Rede ich beispielsweise mit Kollegen aus der Informatik,<br />
finden sich dort teilweise völlig andere Begrifflichkeiten<br />
als in der Produktionstechnik. Hier sind wir alle gefordert,<br />
zusammenzukommen, wobei wir erst am Anfang stehen. Aus<br />
wissenschaftlicher Sicht sind hier noch extrem viele Aufgaben<br />
zu lösen, was meiner Meinung nach auch noch nicht in zwei<br />
oder drei Jahren abgeschlossen ist – wir reden hier über eine<br />
Vision.<br />
develop3: Was sind denn die nächsten Schritte, die vorrangig angegangen<br />
werden müssen?<br />
Zühlke (DFKI): Die neue Welt wird nur funktionieren, wenn wir<br />
Standards schaffen! Nur so werden die Komponenten einer<br />
Produktionsumgebung wie Lego-Bausteine per Plug&Play zueinander<br />
passen. Ein zweiter, wesentlicher Aspekt betrifft hinsichtlich<br />
der erforderlichen offenen Netzwerke das Thema Sicherheit<br />
– im Englischen die Security. Denn die beteiligten Unternehmen<br />
werden sich natürlich fragen, ob sie ihre Informa-<br />
tionen in solch einen Legostein legen sollen und was damit<br />
passiert. Nur auf diese Weise lässt sich allerdings eine<br />
Plug&Play-Fertigung modular aufbauen. Überwunden werden<br />
muss auch der bereits thematisierte Bruch bei der Verbindung<br />
von virtueller und realer Welt. Unsere Kollegen im Bereich<br />
des Product Lifecycle Managements nutzen ja bereits<br />
wunderbare Objektwelten, in denen sich Parameter verändern<br />
lassen. Geht es aber an den realen Betrieb, muss wieder<br />
eine SPS programmiert werden – das darf nicht sein!<br />
Bent (Phoenix Contact): Automatisierungs- und IKT-Welt müssen<br />
eine gemeinsame Sprache finden – das ist die große Chance,<br />
die hinter Industrie 4.0 steckt. Denn industriebranchenübergreifend<br />
ist hier ja ein Konsens entstanden, eine gemeinsame<br />
Vision, die keiner alleine umsetzen kann. Aufgabe der von Bitkom,<br />
VDMA und ZVEI gegründeten Plattform Industrie 4.0 ist<br />
es deshalb, gemeinsam an der Umsetzung zu arbeiten.<br />
Santos (Balluff): Nur so werden wir auch in der Lage sein, die<br />
vielen, bereits heute gespeicherten Informationen sinnvoll zu<br />
nutzen. Denn bislang greifen wir Vergleichbares nur in Teilbereichen<br />
beziehungsweise punktuell bezogen auf bestimmte<br />
Aufgabenstellungen auf. Industrie 4.0 muss uns dabei helfen,<br />
all diese Informationen sinnvoll zu nutzen – im Sinne der<br />
eingangs erwähnten Wertschöpfungsnetzwerke. Und an der<br />
Unternehmensgrenze darf diese Vernetzung nicht aufhören.<br />
develop3: Der Diskussionsstoff rund um das Thema Industrie 4.0<br />
wird uns also so schnell nicht ausgehen, die weitere Entwicklung<br />
bleibt spannend. Wir danken allen Teilnehmern für dieses<br />
Round-Table-Gespräch.<br />
VIDEO-TIPP<br />
Eine Video-Zusammenfassung dieses<br />
Round-Table-Gesprächs finden Sie unter:<br />
t1p.de/1xtt<br />
Nähere Angaben zur Plattform Industrie<br />
4.0 der drei Verbände Bitkom, VDMA und<br />
ZVEI finden sich unter:<br />
www.plattform-i40.de<br />
www.balluff.com<br />
www.beckhoff.de<br />
www.br-automation.com<br />
www.dfki.de<br />
www.phoenixcontact.com<br />
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