Berliner Kurier 19.02.2019
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BERLINER KURIER, Dienstag, 19. Februar 2019<br />
Populär: Bei Umfragen<br />
spricht sicheine Mehrheit<br />
für die Enteignung aus.<br />
Mieter wehren sich überall<br />
in der Stadt gegen den<br />
Ausverkauf –wie hier in<br />
der Karl-Marx-Allee.<br />
Fotos: Uhlemann, Imago, Pomizak<br />
konferenz zum Jahresauftakt,<br />
hatte Müller noch gesagt, eine<br />
Enteignung sei „erst der dritte,<br />
vierte oder fünfte Schritt“.<br />
Seitdem durfte man sich fragen,<br />
was er wohl damit meinte.<br />
Ist er gegen Enteignung? Oder<br />
dafür –wenn auch nicht als ersten<br />
Schritt? Oder hat er nur sagen<br />
wollen, was ohnehin alle<br />
wissen, nämlich, dass in einem<br />
ersten Schritt die Initiative die<br />
Unterschriftensammeln müsse<br />
und in einem zweiten Schritt<br />
die Verfassungsmäßigkeit des<br />
Volksbegehrens bestätigt werden<br />
müsse? Jetzt gibt es zumindest<br />
Klarheit darüber, was der<br />
Mann will, der im Senat noch<br />
die Richtlinienkompetenz hat –<br />
obwohl seine Partei in Umfragen<br />
längst zur kleinsten in der<br />
Koalition geschrumpft ist.<br />
Die Reaktionen haben nicht<br />
auf sich warten lassen. „Herr<br />
Müller muss sich fragen, welchen<br />
Interessen seine Aussagen<br />
dienen“, sagt Katrin Schmidberger,<br />
Sprecherin für Wohnen<br />
und Mieten der Grünen-Fraktion,<br />
dem KURIER. Es ärgere sie<br />
sehr, „dass uns vorgeworfen<br />
wird, Politik àlaDDR zu machen“.<br />
Rot-Rot-Grün solle „gemeinsam<br />
mit der Initiative ausloten,<br />
was jetzt möglich ist“.<br />
Dazu gehöre es auch, „sich auf<br />
politisches Neuland zu begeben<br />
und die Vergesellschaftung als<br />
Möglichkeit zu prüfen“.<br />
Einmal in Schwung, holt<br />
Schmidberger noch weiter aus.<br />
„Das Volksbegehren ist eine Art<br />
Notwehr“, sagt sie. „Die Menschen<br />
haben zu Recht den Eindruck,<br />
dass der Staat sie nicht<br />
mehr ausreichend vor Spekulation<br />
und Verdrängung schützt.<br />
Die <strong>Berliner</strong> haben angesichts<br />
ständig steigender Mieten jedenfalls<br />
keineswegs das Gefühl,<br />
im Sozialismus zu leben.“<br />
Auch Carola Bluhm bleibt<br />
ganz klar. „Unternehmen wie<br />
die Deutsche Wohnen betreiben<br />
Gewinnmaximierung auf<br />
Kosten der Mieter“, sagt die<br />
Co-Fraktionschefin der Linken.<br />
Deswegen halte sie es „für angebracht,<br />
mit allen uns durch<br />
die Verfassung zur Verfügung<br />
stehenden Möglichkeiten dagegen<br />
vorzugehen und keine von<br />
vornherein auszuschließen.“<br />
Die eindeutigen Reaktionen<br />
der beiden wichtigen Koalitionspolitikerinnen<br />
lassen erahnen,<br />
dass sich da ein massiver<br />
Streit ankündigt. Und anders<br />
als etwa beim Tegel-Streit wird<br />
Müller diesmal nicht sagen<br />
können: Egal, was das Volk will<br />
–wir im Senat wissen es besser.<br />
Das „wir“ gibt es nämlich in diesem<br />
Fall offenbar gar nicht.