Berliner Kurier 15.03.2019
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BERLINER KURIER, Freitag, 15. März2019<br />
Bauarbeiter-Stiefel. Die schmutzigen Schuhe stammen voneinem<br />
Mann, der vorseiner Arbeit als Sexworker auf Baustellen schuftete.<br />
Irgendwann kam er auf die Idee, beides zu kombinieren. „Ich hab’<br />
dann online angefangen, mich als Bauarbeiter zu bewerben, der<br />
direkt nach der Arbeit Sexbraucht“, heißt es in der Geschichte zu den<br />
Schuhen. Die Kunden seien total darauf angesprungen, sich einen<br />
dreckigen, verstaubten, verschwitzten Bauarbeiter zu buchen. „Ich<br />
ging mit einem Bier in der Hand zu den Dates. Daswar total gut.“<br />
Schneekugel. Diese Weihnachtsdekokaufte<br />
einSexworker vondem Gutschein, den ein<br />
Kunde hinterließ, als Geschenk für die<br />
eigene Mutter.„Sie weiß nicht,was dahinter<br />
steckt. Aber ich nehme diese Sachen<br />
auch nicht zu ernst.“<br />
Letztes Geschenk. Diese Flasche „Dream<br />
Water“, ein Mittel gegen Einschlafstörungen,<br />
bekam eine Sexworkerin voneinem<br />
Kunden geschenkt,der einen Tagspäter<br />
verstarb. „Dieses Traumwasser erinnert<br />
mich jetzt immer an ihn.“<br />
Bademantel-Gürtel. l Dieser Gürtel stammt<br />
wohl voneiner Domina –errettete sie bei<br />
einem ihrer letzten Aufträge. „Ich wusste<br />
vorher nichts über den Kunden, weil es<br />
über eine Agentur lief“, heißt es in der<br />
Geschichte. Plötzlich verlangte er das<br />
Abbinden seines Hodensacks, „und ich<br />
hatte keinen Schnürsenkel dabei! Ich hatte<br />
irgendwie –nichts. Aber ich hatte diesen<br />
Morgenmantel an, aus so schönem Satin,<br />
fließend und mit einem langen Band. Also<br />
habe ich dieses lange Band zum Eier-<br />
Abbinden genommen, er fand’stotal toll.“<br />
Langer Rock.Der Rock kommt voneiner<br />
Sexworkerin, die immer wieder die besonderenWünsche<br />
eines Kundenerfüllt.Gemeinsam<br />
spielen sie Rollenspiele, bei denen sie<br />
die Rolle der strengen Lehrerin übernimmt.<br />
„Er ist reich und trotzdem bringt er immer<br />
diese billigen Klamotten mit.Dagibt es diesen<br />
Rock,der auf der Hüfte sitzt und bis zu<br />
den Schienbeinen geht.Ichglaube nicht,<br />
dasserweiß, dassdas hässlich aussieht.“<br />
Geburtshoroskop. Dieser Zettel mit einem astrologischen<br />
Geburtsdiagramm bekam ein Sexworker voneinem Kunden, der<br />
sich immer sehr für Astrologie interessierte. „Er hat mir ein<br />
Geburtshoroskop gegeben, das auf falschen Daten beruht,weil er<br />
denkt,dassich zwei Jahrejünger bin. Eigentlich ganz lustig,<br />
aber ich habe mich ein bisschen schlecht dabei gefühlt,weil er<br />
sich so darüber gefreut hat,mich nun verstehen zu können.“<br />
Handgemachtes Seil. Dieses Seil lag ehemals<br />
in der Werkzeugkiste einer Domina –<br />
und hat für sie einen sehr großen sentimentalen<br />
Wert.„Seile sind zu einem wichtigen<br />
Teil meines Lebens geworden“, schreibt sie.<br />
„Das Seil, das ich dem Projekt überreiche,<br />
ist eines der ersten Seile, die ich selbst<br />
gemacht habe.“ Es sei für sie zu einem<br />
starken, magischen Werkzeug geworden.<br />
Kondomtäschchen. Diese kleine schwarze Tasche ist<br />
eigentlich für das Aufbewahren vonMusikequipment<br />
gedacht –der Sexworker,der sie benutzt,verwendet<br />
sie aber für Kondome, Gleitgel, Massageöl und andere<br />
Dinge. „Ich trage diese kleine Sex-Tasche fast immer<br />
bei mir,umbereit zu sein, auch für privaten Sex. Ich<br />
hab’sie mir besorgt,nachdem ich voneinem anderen<br />
Escortgehörthabe, dassersowas hat.“ DasMaterial<br />
sorge dafür,dasssie im Rucksack nicht kaputt geht.<br />
„Ich mag das Gefühl vonSpontanität.“<br />
Koffer. „Ichhabe einen<br />
sehr großenKoffer, in<br />
den ichimmermeine<br />
SexToys, Klamotten und<br />
komische Sachen rein<br />
mache“, schreibt der<br />
Besitzer dieses<br />
Stückes. Er seimit<br />
einem Schlossverriegelt<br />
–fallsdie Mutter zu<br />
Besuchkommt.<br />
Zugtickets. t Die Fahrscheine h sind Zeugnis<br />
eines abgelehnten Auftrages. „Esgab da<br />
einen Kunden, der mir eine große Summe<br />
anbot,damit ich zu ihm nach Hause komme,<br />
zwanzig Minuten mit dem Zug vonLeipzig<br />
entfernt“, heißt es in der zugehörigen<br />
Geschichte. Doch der Mann wollte weder<br />
seine genaue Adresse noch seine<br />
Telefonnummer verraten. Eine Reise ins<br />
Ungewisse, in die Gefahr? DasZugticket<br />
warbereits gekauft.„An diesem Bahnhof zu<br />
stehen, nachts in Leipzig und am Ende doch<br />
Nein zu sagen und nach Hause zu fahren.<br />
Daswar echt besonders, plötzlich wieder<br />
nach Hause zu gehen zu meinem Partner<br />
und in ein warmes Bett zu schlüpfen.“ Das<br />
Zugticket blieb zwei Jahrelang im<br />
Portemonnaie –und liegt jetzt im Museum.