Procycling 03.19
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VINCENZO NIBALI<br />
KONTRAPUNKT<br />
NIBALI, DER<br />
RENNFAHRER<br />
Nibali hat einen der vielseitigsten Palmarès in den<br />
Rekordbüchern des Radsports aufgebaut. Wir schauen<br />
uns die Qualitäten an, die ihm das ermöglicht haben.<br />
Text Sam Dansie<br />
Es ist keine Frage, dass Vincenzo Nibali der<br />
vielseitigste Fahrer im heutigen Peloton ist.<br />
An der Aussagekraft seines Palmarès gibt<br />
es nichts zu rütteln: Er ist einer von zwei aktiven<br />
Fahrern, die alle drei großen Rundfahrten gewonnen<br />
haben, und der einzige, der diese Bilanz<br />
mit Siegen bei Monumenten erweitert hat – und<br />
zwar gleich drei davon: Mailand–San Remo und<br />
zwei Auflagen der Lombardei-Rundfahrt. Nibali<br />
war Zweiter bei Lüttich–Bastogne–Lüttich und<br />
2013 Vierter der Straßenweltmeisterschaft –<br />
trotz eines bösen Sturzes zwei Runden vor<br />
Schluss. Er war 24. bei seinem Debüt bei der<br />
Fotografie Kristof Ramon<br />
Flandern-Rundfahrt. Nibalis Bilanz hebt sich damit<br />
nicht nur als kompletteste der Gegenwart ab,<br />
sie ist eine der komplettesten aller Zeiten: Er ist<br />
einer von nur sieben Fahrern, die alle großen<br />
Rundfahrten gewonnen haben, und einer von nur<br />
fünf, die alle großen Rundfahrten und ein Monument<br />
gewonnen haben.<br />
Nibalis früherer Sportlicher Leiter bei Astana,<br />
Dmitriy Fofonov, nannte <strong>Procycling</strong> den Grund<br />
seines Erfolgs: „Er ist einfach ein sehr kompletter<br />
Fahrer. Egal, was Organisatoren tun, um es spektakulär<br />
und schwer für die Fahrer zu machen, er<br />
kommt damit zurecht.“<br />
RADBEHERRSCHUNG<br />
Nibali ist einer der besten Techniker des Pelotons.<br />
Es fand seinen perfekten Ausdruck in der virtuosen<br />
Vorstellung auf dem nassen und matschigen Kopfsteinpflaster<br />
bei der Tour de France 2014. Er wurde<br />
Dritter, indem er nur so über das Pavé glitt, während<br />
andere schlitterten und stürzten. Er nahm Fabian<br />
Cancellara und Peter Sagan 40 Sekunden ab.<br />
Anschließend sprach Sky-Boss David Brailsford<br />
von „einem der großen Grand-Tour-Ritte“.<br />
„Ich beschloss, dass die beste Art war, alles zu<br />
geben“, sagte Nibali in jenem Jahr zu <strong>Procycling</strong>.<br />
„Ich habe mich darauf konzentriert, schnell zu<br />
fahren, weil ich wusste, dass das die beste Art<br />
war, Probleme zu vermeiden. Der Trick, wenn es<br />
einen gibt, sind ein dicker Gang und lockere Hände.<br />
Ich habe versucht, mich so weit wie möglich<br />
zu entspannen und von der Belastung so viel wie<br />
möglich zu absorbieren.“<br />
Diese Fähigkeiten kamen dem Sizilianer bei<br />
seinem Debüt bei der Flandern-Rundfahrt im<br />
letzten Jahr zugute. Er war eine Gefahr in der<br />
Spitzengruppe und attackierte im leicht ansteigenden<br />
Stück an einer Kuppe 26 Kilometer vor<br />
dem Ziel. Er kam mit der zweiten Gruppe über die<br />
Linie. „Eines Tages, wenn Vincenzo sich auf Roubaix<br />
konzentrieren würde, wäre er, glaube ich,<br />
vorne mit dabei“, sagte Fofonov.<br />
MÄRZ 2019 | PROCYCLING 19