DER ANFÜHRER Bernhard Eisel ist einer der respektiertesten Road Captains des Pelotons. Aber als der Österreicher 2001 als junger Sprinter Profi wurde, war der Radsport noch ganz anders. Hier spricht er mit <strong>Procycling</strong> über eine 19 Jahre währende Karriere aus der Perspektive von fünf Teams. Interview Sophie Hurcom 38 PROCYCLING | MÄRZ 2019
Ein sehr junger Eisel 2002 im unvergleichlich schrillen Mapei-Outfit. MAPEI–QUICK-STEP 2001–2002 Ich bekam im Jahr 2000 einen Anruf buchstäblich einen Tag, bevor das Training anfing, unten in der Nähe von Varese. Das Lustige war, als ich die Tests und alles machte, waren sie super zufrieden, aber sie sagten: „Wir haben ein Problem. Wir wollen dich, aber du wärst der 41. Fahrer. Wir sind verrückt, wir können nicht über 40 gehen.“ Ich hatte trotzdem Hoffnungen – wenn du 18, 19 bist, setzt du große Hoffnungen in alles. Ich bekam den Anruf buchstäblich um halb zehn Uhr abends oder so: „Hör mal, wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht – die gute ist: Du hast einen Vertrag, zwei Jahre. Die schlechte Nachricht ist: Wir brauchen dich morgen im Trainingslager.“ Ich sagte: „Kein Problem, das bekomme ich hin.“ Pippo Pozzato hat mir geholfen, mich im Team einzuleben. Wir kannten uns alle schon, also habe ich ihn angerufen und gesagt: Wenn ich runterkomme, können wir uns ein Auto teilen. Ich bin nach Hause, habe meine Sachen gepackt und bin runtergefahren. Das war der Anfang. Sie hatten ein Programm für junge Fahrer. Da ging der Radsport in die richtige Richtung. Die UCI hatte einen Plan, Nachwuchsteams zu gründen und die Anzahl der Fahrer in den Teams in der … was war es vor der ProTour … im Weltcup zu begrenzen. Aber 2003 wollten sie es ändern, damit nur 25 Fahrer in einem Team waren. Sie sagen, ihr könnt mehr Fahrer haben, aber ihr müsst ein Nachwuchsteam aufmachen. 2001 habe ich einen normalen Vertrag unterschrieben, aber 2002 haben wir die Teams getrennt, um ein Nachwuchsteam zu haben, und alle jungen Fahrer sind einen anderen Rennkalender gefahren. Ich glaube, das war das Beste, was mir und den anderen Jungs passieren konnte. Selbst wenn du Mapei mit den heutigen Teams vergleichst, würden sie noch führen. In puncto Organisation und Trainingspläne und allem wären sie eines der Top - teams. Mapei war den anderen zehn Jahre voraus. Tom Steels war da, ein großer Fahrer, Bramati, Fornaciari, Bartoli – ich habe mich immer sehr gut mit Michele verstanden –, Paolo Bettini, Óscar Freire, wir hatten alle. Du warst Teil des Teams. Wenn du jung bist, funktionierst du mental anders als sie, aber trotzdem: Wenn du deinen Job gemacht hast, waren alle dankbar. Ich war immer schnell. Ich wurde zu diesem Sprintanfahrer, und manchmal sprintete ich für mich selbst. Wir hatten schnellere Jungs. Ich erinnere mich, dass wir die Bayern-Rundfahrt bestritten, und Adriano Baffi sollte den Sprint für Graziano Gasparre anziehen, aber am Ende zogen wir den Sprint für ihn an, weil er stärker war. Er war fast 40 damals. © BettiniPhoto MÄRZ 2019 | PROCYCLING 39