Procycling 03.19
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BERNHARD EISEL<br />
© Getty Images<br />
FDJEUX.COM 2003–2006<br />
Es war definitiv anders bei FDJ, aber ich<br />
muss sagen, für mein Karriereende würde<br />
ich immer zu einem französischen Team<br />
zurückgehen, besonders FDJ. Es hat sich in den<br />
letzten fünf Jahren drastisch verändert. Wir hatten<br />
so eine großartige Gruppe von Leuten: Brad<br />
McGee war da, Bradley Wiggins war da, Philippe<br />
Gilbert, Fred Guesdon, Christophe Mengin – wir<br />
hatten so viel Spaß, es war schockierend. Diese<br />
Jahre sind so schnell vorbeigegangen, ich habe sie<br />
wirklich genossen. Marc Madiot mag vielleicht<br />
verrückt wirken im Fernsehen und wenn du ihm<br />
ein Mikro gibst, aber er hat seine Fahrer immer<br />
verteidigt, als wären sie seine Kinder. Ich habe<br />
den größten Respekt vor Marc Madiot für das,<br />
was er erreicht hat.<br />
Als ich zum ersten Trainingslager kam, kam<br />
ich dort an und sprach kein Wort Französisch.<br />
Damals gab es Bücher und CDs, um Sprachen<br />
zu lernen – ich kam nie über Kapitel acht hinaus,<br />
in keinem Buch, das ich gekauft habe. Marc Madiot<br />
spricht Englisch, und als er erkannte, dass ich<br />
bei den Besprechungen Fragen auf Englisch stellte,<br />
kam er zu mir und sagte: „Verstehst du es, das<br />
Französische?“ Und ich so: „Ich kann es mir zusammenreimen.“<br />
Das war das letzte Mal, dass er<br />
Englisch mit mir gesprochen hat.<br />
Bei Mapei sind wir nicht rausgefahren, wenn es<br />
geregnet hat. Bettini sagte: „Nein, es regnet; ein<br />
Ruhetag.“ Als ich das erste Mal beim FDJ-Camp<br />
war, war das in La Baule in der Bretagne. Ich<br />
wachte morgens auf, zog den Vorhang auf und es<br />
regnete und ich legte mich wieder ins Bett. Jacky<br />
Durand war mein Zimmergenosse und er war<br />
schon weg. Ich bekam einen Anruf von Marc und<br />
er so: „Wo bist du?“ „Im Bett, es regnet.“ Und er<br />
so: „Die Jungs fahren los, wir sind in der Bretagne.<br />
Da regnet es jeden Tag.“<br />
2003 bin ich meine erste große Rundfahrt gefahren,<br />
den Giro, mit Jimmy Casper. Zuerst habe<br />
ich die Sprints für ihn angefahren, aber er hatte<br />
nicht die Beine. Ich bin aus dem Giro mit zwei<br />
dritten Plätzen hinter McEwen und Petacchi und<br />
einem hinter Petacchi und Cipo hervorgegangen.<br />
Ich machte mir immer noch Hoffnungen, der<br />
Sprinter Nummer eins zu werden.<br />
Es gab Interesse von anderen Teams, aber ich<br />
genoss es, weil Marc Madiot wirklich der ehrenwerteste<br />
Mensch war. Ich unterschrieb einen Vertrag<br />
für wenig Geld bei ihm, und er erneuerte ihn<br />
im März und gab mir eine Gehaltserhöhung, was<br />
er nicht hätte tun müssen, und verlängerte meinen<br />
Vertrag um 18 Monate.<br />
Ein Sieg für Eisel auf der zweiten<br />
Etappe der Drei Tage von De Panne 2006.<br />
T-MOBILE/<br />
TEAM<br />
COLUMBIA/<br />
HTC-HIGH-<br />
ROAD<br />
2007–2011<br />
Ich suche immer nach dem Wort, warum<br />
wir so erfolgreich waren. Ich<br />
glaube, wir wurden – auf feminine<br />
Weise, könnte man sagen – einfach sexy.<br />
Für einen jungen Fahrer bei HTC zu sein<br />
– das war das Team, in dem du fahren<br />
wolltest, jeder Fahrer bekommt eine Möglichkeit,<br />
bekommt seine Chance, egal woher<br />
er kommt … Wir haben so viele Talente<br />
entwickelt. Jeder Fahrer, der bei HTC<br />
war – wir sind immer noch gute Freunde.<br />
Wir respektieren uns immer noch im Peloton.<br />
Mit keinem einzigen Fahrer von<br />
HTC hatte ich über die Jahre ein Problem.<br />
Es hat einfach gepasst, es war perfekt.<br />
Bei dem ersten Trainingslager auf Mallorca<br />
2007 wusste niemand etwas über<br />
Mark Cavendish. Wir wussten nicht einmal,<br />
dass er Brite war; die Leute sagten<br />
etwas von der Isle of Man, und wer wusste<br />
damals schon, wo die Isle of Man ist?<br />
Im Radsport wissen es die Leute jetzt. Er<br />
war damals ein bisschen schüchtern, es<br />
war eine andere Welt für ihn, aber die Geschwindigkeit,<br />
die hatte er in den Beinen.<br />
Ich glaube, ich habe ihm geholfen, im<br />
ersten Jahr den Scheldeprijs zu gewinnen,<br />
und es passte einfach, und dann haben<br />
wir ihn in dem Jahr mit zur Tour genommen<br />
und gesagt: „Okay, wir fahren den<br />
Sprint für ihn an.“<br />
Wir gewannen zwei Etappen der Volta<br />
a Catalunya vor der Tour, und das änderte<br />
alles für mich, weil ich wusste, dass er<br />
schneller war. Du konntest das Ego haben<br />
und gegen ihn kämpfen, aber er ist schnel -<br />
ler. Sie hatten mich als Sprint-Kapitän<br />
verpflichtet, aber dann tauchte dieser Typ<br />
auf. Ich habe es nie bereut. Als er anfing,<br />
jedes einzelne Rennen zu gewinnen, war<br />
es ganz einfach, wir hatten etwas gemein -<br />
sam. Dann bekamen wir Mark Ren shaw<br />
an Bord, und das änderte es komplett,<br />
und die Geschichte der drei Mus ketiere<br />
begann.<br />
2009, 2010 entschieden wir, was passierte<br />
und wie wir gewinnen würden. Bei<br />
der Tour de Suisse gewannen wir jeden<br />
40 PROCYCLING | MÄRZ 2019