Berliner Zeitung 09.07.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 156 · D ienstag, 9. Juli 2019 11 *<br />
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Berlin<br />
Easyjet stockt Angebot in Tegel weiter auf<br />
Die Zahl der Passagiere auf dem innerstädtischen Flughafen ist um 28 Prozent gestiegen. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht –von „Flugscham“ keine Spur<br />
VonPeter Neumann<br />
Geht da noch was? Da geht<br />
noch was! Obwohl Tegel<br />
seit Jahren als überlastet<br />
gilt, nimmt der Verkehr<br />
weiter zu. In diesem Jahr lag die Zahl<br />
der Passagiere zwischen Januar und<br />
Mai um28,2 Prozent höher als im<br />
selben Zeitraum des Vorjahres, bei<br />
den Starts und Landungen betrug<br />
das Plus 17,8 Prozent –damit hat TXL<br />
seinen Rang als der Flughafen mit<br />
dem stärksten Wachstum gefestigt.<br />
Jetzt hat die britische Gesellschaft<br />
Easyjet angekündigt, dass sie ihr Angebot<br />
in Tegel weiter ausbaut. „Wir<br />
nehmen weitere Ziele in den Flugplan<br />
auf“, kündigte Stephan Erler,<br />
Deutschland-Chef von Easyjet, am<br />
Montag an. Die Zahl der Easyjet-<br />
Flugziele ab Berlin steigt auf 95.<br />
Typisch Tegel! Große Teile des<br />
wichtigsten Flughafens im östlichen<br />
Deutschland wirken wie eine provisorische<br />
Budenstadt, und das Easyjet-Quartier<br />
im Schatten des Towers<br />
ist keine Ausnahme.Esist ein Leichtbau,<br />
der schon etwas mitgenommen<br />
wirkt. Doch er diente bereits jahrelang<br />
Air Berlin, bevor die Airline in<br />
die Insolvenz ging und im Herbst<br />
2017 den Betrieb einstellen musste.<br />
„Refuelling in Progress“ steht an<br />
einer Tür –was wohl heißen soll: Bin<br />
gerade in der Mittagspause. Imgroßen<br />
Crewraum im Erdgeschoss treffen<br />
sich die Besatzungen bei Kaffee<br />
und Wasser zum Briefing. Auf den<br />
Stehtischen zeigen Schilder wie<br />
„OSL“ für Oslo die Flugziele an, was<br />
das Zusammenfinden erleichtert.<br />
Schließlich beschäftigt Easyjet in<br />
Berlin rund 1500 Menschen (alle mit<br />
deutschen Arbeitsverträgen), da<br />
kann nicht jeder jeden kennen.<br />
Die Bahn ist keine Konkurrenz<br />
Während des Winterflugplans, der<br />
ab Oktober gibt, kommen im Crewraum<br />
fünf weitere IATA-Codes dazu,<br />
zum Beispiel BRU für Brüssel, NTE<br />
für Nantes und OSD für Åre Östersund<br />
in Schweden. Auch Funchal auf<br />
Madeira sowie Marsa Alam in Ägypten<br />
werden dann vonTegel aus angesteuert,<br />
während der Schönefelder<br />
Flugplan von Easyjet um Marrakesch<br />
in Marokko erweitertwird.<br />
Erler sitzt im ersten Obergeschoss<br />
des Easyjet-Quartiers. Er wurde in<br />
Gera geboren, doch sein britisch anmutender<br />
Akzent verrät seine thüringische<br />
Herkunft nicht. „Wir sind<br />
sehr zufrieden“, sagt der 32-Jährige,<br />
dessen erster Easyjet-Flug einst vom<br />
Studienort Glasgow nach Berlin<br />
führte.Imlaufenden Finanzjahr,das<br />
Aus dem Stand zum Marktführer in Berlin: ein Easyjet-Flugzeug in Berlin-Tegel. 22 Millionen Passagiere wurden 2018 in Tegel insgesamt gezählt.<br />
im September endet, wird Easyjet<br />
insgesamt rund 90 Millionen Passagiere<br />
befördern –knapp zwei Millionen<br />
mehr als im Finanzjahr davor.<br />
Ein erklecklicher Teil der Kundschaft<br />
nutzt die <strong>Berliner</strong> Flughäfen.<br />
Im vergangenen Finanzjahr, das im<br />
September 2018 zu Ende ging, waren<br />
es 9,4 Millionen – was für einen<br />
Marktanteil von 35Prozent und die<br />
Marktführerschaft in Berlin reichte.<br />
Davonentfielen 4,2 Millionen auf<br />
Tegel, wo Easyjet seit Anfang des vergangenen<br />
Jahres vertreten ist und<br />
mittlerweile 23 orange-weiße Maschinen<br />
stationierthat –mehr als zuvor<br />
Air Berlin. Bis heute hat sich die<br />
Zahl der Easyjet-Passagiere inTXL<br />
auf rund zehn Millionen summiert.<br />
„Wir haben gezeigt,<br />
dass Berlin Potenzial hat.“<br />
Stephan Erler,<br />
Deutschland-Chef der Fluggesellschaft Easyjet<br />
In Schönefeld, wo die Airline ihr Berlin-Engagement<br />
2004 begann, übernachten<br />
zwölf Easyjet-Flugzeuge.<br />
„Wir haben gezeigt, dass Berlin Potenzial<br />
hat“, sagt Erler.Die Flughäfen<br />
der Tourismus-Metropole verzeichnen<br />
mehr Fluggäste, die ihre Reise<br />
außerhalb der Stadt begonnen haben,<br />
als reisende <strong>Berliner</strong>. Inzwischen<br />
kehren Spanier, Italiener,<br />
Franzosen in die Stadt zurück, in die<br />
sie einst als junge Touristen gekommen<br />
waren, erzählt der Easyjet-Manager.<br />
„Lost and Sound: Berlin,<br />
Techno und der Easyjetset“: So heißt<br />
das Buch des Musikjournalisten Tobias<br />
Rapp, der über das damalige<br />
Berlin geschrieben hat. Stephan Er-<br />
IMAGO IMAGES<br />
ler mag den Begriff„Jetset“ allerdings<br />
nicht. Lieber spricht er davon, was<br />
die Airline für Europa geleistet hat:<br />
Sie habe die Neugier angeregt, andere<br />
Länder dieses Kontinents kennenzulernen.<br />
Sechs Easyjet-Ziele ab Berlin liegen<br />
in Deutschland, zuletzt kam<br />
Westerland auf Sylt hinzu. Mit dem<br />
Intercity Express dauert Berlin–<br />
München nur noch knapp vier Stunden,<br />
trotzdem sind die Easyjet-Leute<br />
auch auf dieser Route mit ihren Zahlen<br />
zufrieden. DasAngebot der Bahn<br />
sei „eine Bereicherung, eine Stimulierung“<br />
der Gesamtnachfrage auf<br />
dieser Strecke, aber keine Konkurrenz,<br />
bilanziert Erler. Die Zahl der<br />
Reisen zwischen Berlin und München<br />
habe insgesamt zugenommen.<br />
„Mit dem, was wir in Berlin aufgebaut<br />
haben, sind wir zufrieden“,<br />
stellt der Deutschland-Chef fest. Die<br />
Zahl der innerdeutschen Fluggäste<br />
seinicht gesunken, insgesamt entwickele<br />
sich die Nachfrage erfreulich.<br />
Schlimmer als Lagos und Kabul<br />
Wiepasst das zu der Diskussion über<br />
„Flugscham“, über Emissionen,<br />
über die persönliche Verantwortung<br />
für die Klimakrise? Weiterhin hinterlassen<br />
Flugreisen viel mehr schädliches<br />
Kohlendioxid in der Atmosphäre<br />
als andere Arten der Fortbewegung,<br />
weiterhin sind Bahnreisende<br />
im Vergleich zu Flugreisenden<br />
im Nachteil, weil für Zugfahrten höhere<br />
Steuern fällig werden. Zwar hat<br />
auch die Bahn Sonderangebote ins<br />
Ausland, doch häufig ist das Flugzeug<br />
billiger. „Die Klimadiskussion<br />
geht nicht an uns vorbei“, sagt Erler.<br />
Durch technische Verbesserungen<br />
sei es gelungen, die Kohlendioxid-Emission<br />
pro Kilometer und<br />
Passagier seit 2000 um 32 Prozent zu<br />
senken. Die Flugzeuge seien auch<br />
leiser geworden. Für die Zukunft<br />
werde analternativen Antrieben geforscht<br />
–bis hin zu elektrischen Motoren.<br />
Allerdings: Für große Flugzeuge<br />
gibt es diesen Antrieb nicht.<br />
Durch die dünne Wand im Easyjet-Quartier<br />
dringt Turbinenkrach.<br />
Tegel ist für viele <strong>Berliner</strong> der Flughafen<br />
der Herzen, doch vonFluggästen<br />
aus dem Ausland erhält er schlechte<br />
Noten: nur auf der Straße erreichbar,<br />
überlastet, abgeschabt. Er kenne<br />
Flughäfen wie Lagos, Kinshasa und<br />
Kabul, schreibt ein Schweizer im Bewertungsportal<br />
Skytrax. Tegel lasse<br />
sie„wie Paradiese“ aussehen. Sicherheits-<br />
und Einreisekontrollen seien<br />
ein „Albtraum“, schreibt ein Brite.<br />
„Wir gehen mit einem lachenden<br />
und einen weinenden Auge“, sagt Erler.<br />
Zum einen sei er froh, dass der<br />
Betrieb in TXLfunktioniert, andererseits<br />
freue sich das Team auf das Potenzial<br />
eines neuen Flughafens. Am<br />
BER werde Easyjet im Terminal 1<br />
groß vertreten sein. „Neben der Lufthansa<br />
–oder besser: die Lufthansa<br />
neben uns.“ Um den Flugplan zusammenstellen<br />
zu können, müsse<br />
die Airline sechs bis neun Monate<br />
vorher wissen, ob der BER wirklich<br />
öffnet. Erler ist zuversichtlich: „Wir<br />
bereiten uns auf Oktober 2020 vor.“<br />
Peter Neumann<br />
ist nicht besonders oft mit<br />
dem Flugzeug unterwegs.<br />
Sein Einsatz ist<br />
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