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Berliner Zeitung 09.07.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 156 · D ienstag, 9. Juli 2019 – S eite 9 *<br />

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Berlin<br />

Hotel der Stadtmission<br />

quartiertdie AfD<br />

doch noch aus<br />

Seite 12<br />

Mehr Flugziele: Easyjet baut seine Kapazitäten in Tegel aus Seite 12<br />

Weniger Wasser: Brandenburg schränkt Entnahme aus Flüssen ein Seite 13<br />

Stadtbild<br />

Rätselhafter<br />

Pfeifton<br />

Ruth Herzberg<br />

zweifelte zeitweilig an ihrem<br />

Verstand und Gehör.<br />

Eswar wie ein Alptraum, aber es<br />

war kein Alptraum, denn sie war<br />

ja wach. Draußen war es schon beinahe<br />

hell. Wegen der Hitzestand das<br />

Schlafzimmerfenster offen und sie<br />

hörte ihn wieder.Den Pfeifton.<br />

Er schien aus allen Richtungen<br />

gleichzeitig zu kommen. Er war nicht<br />

sehr laut. Manchmal ging er im Rauschen<br />

des Baumes unter, auch ein<br />

vorbeifahrendes Auto konnte ihn<br />

übertönen. Der Mann neben ihr<br />

schlief tief. Er hatte ihr schon mal einenVogel<br />

gezeigt, als sie ihn fragte,ob<br />

er diesen Tonauch hören würde.<br />

Aber der Tonwar da. Er klang wie<br />

ein leichter Tinnitus,aber es war keiner.<br />

Denn wenn sie ins Badezimmer<br />

ging, dessen Fenster sich zur anderen<br />

Seite des Hauses öffneten, dann<br />

hörte sie den Tonnicht. Siehörte das<br />

Pfeifen nun schon seit einer Weile<br />

nachts, aber mittlerweile war es<br />

auch manchmal tagsüber zu vernehmen,<br />

also wenn sie darauf achtete.<br />

Aber sie wollte nicht darauf achten,<br />

jetzt wollte sie ja eigentlich einfach<br />

nur wieder einschlafen. Aber das<br />

Pfeifen störte sie.Sie hatte genug.<br />

Siewollte nicht zu den Menschen<br />

gehören, die permanent ein Geräusch<br />

hören, Menschen, die Mobilfunk,<br />

Radiostrahlung oder Geheimdienstwellen<br />

wahrnahmen. Sie<br />

musste der Sache also auf den Grund<br />

gehen. Sie schaltete den Laptop ein<br />

und googelte: „Pfeifton, Prenzlauer<br />

Berg“. Als sie das Suchergebnis sah,<br />

war sie beruhigt. DenPfeifton gab es<br />

wirklich, er war nicht nur in ihrem<br />

Kopf, sogar das bezirkliche Anzeigenblatt<br />

hatte darüber berichtet.<br />

„Woher kommt der rätselhafte<br />

Pfeifton?“ lautete die Überschrift. Im<br />

zugehörigen Artikel fand sie den Namen<br />

eines Mannes,der dem Phänomen<br />

auf den Grund gegangen war<br />

und dessen Ursache ermittelt hatte.<br />

Ein defektes Heizkesselventil in einem<br />

Haus in der Nachbarschaft. Der<br />

in Bayern lebende Hausbesitzer reagierte<br />

nicht auf Beschwerden. Sie<br />

googelte den Namen des Pfeifton-<br />

Detektivs, fand seine Kontaktdaten<br />

und schrieb ihm eine Mail. Siewollte<br />

den Tonnicht mehr hören müssen.<br />

Wenig später klingelte ihr Handy.<br />

Es war morgens halb sieben. Sietelefonierte<br />

lange mit dem Mann. Er erzählte<br />

ihr,wie er Haus für Haus in ihrer<br />

Straße abgegangen war, umdie<br />

Herkunft des Tones zu ermitteln.Wie<br />

ihn manche für verrückt erklärt hatten.<br />

Denn nicht jeder schien den Ton<br />

hören zu können. Er hatte resigniert.<br />

Aber jetzt hatte sie eine Aufgabe.<br />

Er hatte ihr die Nummer des bayerischen<br />

Hausbesitzers gegeben. Am<br />

Vormittag erreichte sie ihn nicht,<br />

hinterließ aber eine Nachricht. Dann<br />

ging sie zu seinem Haus. Klar und<br />

deutlich schallte das Pfeifen aus dem<br />

Keller. Sie sprach die Inhaber des<br />

Computerladens im Erdgeschoss<br />

des Hauses darauf an. Aber auch sie<br />

konnten oder wollten den Tonnicht<br />

hören. Irritiert machte sie sich auf<br />

den Heimweg. Wenn sie glücklich<br />

bleiben wollte, würde sie den Ton<br />

wohl ab jetzt ignorieren müssen.<br />

Aber wie sollte sie das schaffen? Sie<br />

bemerkte es erst später. Was immer<br />

es auch war. Ihr Anruf, ihre Nachricht,<br />

ihr Gespräch im Computerladen:<br />

Vondiesem Vormittag an hörte<br />

sie das Pfeifen nie wieder.<br />

Wie hoch darf die Miete sein? Wersich unsicher ist, sollte seinen Vertrag überprüfen lassen.<br />

Deutsche Wohnen unterliegt erneut<br />

Gericht sieht in Zusatz-Vereinbarung zum Mietvertrag einen klaren Verstoß gegen Mietpreisbremse<br />

VonUlrich Paul<br />

Die Internetplattform wenigermiete.de<br />

hat vor<br />

dem <strong>Berliner</strong> Landgericht<br />

gegen die Deutsche<br />

Wohnen ein Urteil erstritten, das für<br />

den größten privatenVermieter in der<br />

Stadt zu einem Problem werden<br />

könnte. Die vorliegende Entscheidung<br />

betrifft zwar zunächst nur einen<br />

Einzelfall, doch das Internetportal<br />

spricht bereits von einem Musterurteil.<br />

„Wir betreuen mehrere Mieter<br />

gleichzeitig, bei denen dieser Trick<br />

versucht wurde“, sagt Daniel Halmer,<br />

Rechtsanwalt und Gründer vonwenigermiete.de.<br />

„Wir glauben, dass die<br />

Deutsche Wohnen hier möglicherweise<br />

mit System vorgeht und eine<br />

Abzocker-Masche daraus machen<br />

will.“<br />

In dem vorliegenden Fall geht es<br />

um eine 84,5 Quadratmeter große<br />

Wohnung in Friedrichshain. Dervorgelegte<br />

Mietvertrag sah zunächst nur<br />

eine monatliche Kaltmiete von573,29<br />

Euro vor. Neben diesem Kontrakt unterzeichneten<br />

die Mieter aber noch<br />

eine zweite Urkunde, die als „Nachtrag<br />

zum Mietvertrag“ bezeichnet<br />

wurde. Darin wurden Baumaßnahmen<br />

wie die Verlegung von Mosaikparkett<br />

und vonKüchenbodenfliesen<br />

sowie die Installation eines Handtuchheizkörpers<br />

vereinbart. Durch<br />

den Nachtrag, der wenige Wochen<br />

nach der Anmietung der Wohnung<br />

greifen sollte, erhöhte sich die Miete<br />

auf 716,93 Euro.<br />

Zuviel verlangt<br />

Zuviel, wie die Richter befanden. Zulässig<br />

wäre imvorliegenden Fall wegen<br />

der Mietpreisbremse nur ein Betrag<br />

in Höhe von 507,62 Euro –was<br />

sogar noch weniger ist, als die Deutsche-Wohnen-Tochter<br />

GSW im eigentlichen<br />

Mietvertrag ohne den<br />

Nachtrag haben wollte.<br />

Die Mietpreisbremse sieht vor,<br />

dass die ortsübliche Miete beim Abschluss<br />

eines neuen Mietvertrages<br />

nur um maximal zehn Prozent überschritten<br />

werden darf. DieGSW hatte<br />

in dem Verfahren argumentiert, dass<br />

kein Fall einer unzulässig hohen<br />

Miete vorliege. Vielmehr handele es<br />

sich um eine freie Vereinbarung über<br />

eine Anhebung der bisher geltenden<br />

Miete nach Unterzeichnung des<br />

Mietvertrages.<br />

Die Richter ließen das aber nicht<br />

gelten. Sieverwiesen darauf, dass der<br />

vermeintliche Nachtrag zugleich mit<br />

dem eigentlichen Mietvertrag unterzeichnet<br />

worden sei. Dabei habe allein<br />

der „Nachtrag“ jene Miethöhe<br />

enthalten, die vorher in einem<br />

Exposé zur Wohnung veröffentlicht<br />

worden sei. Im Exposé habe zwar gestanden,<br />

dass die „nach Absprache<br />

möglichen“ Ausstattungsverbesserungen<br />

im Mietpreis bereits berücksichtigt<br />

worden seien. Mit keinem<br />

Wort sei aber die Möglichkeit angeklungen,<br />

dass die Mieter bei einem<br />

Verzicht die Wohnung zu einer geringeren<br />

Miete hätten anmieten können.<br />

Eine entsprechende Absicht<br />

habe auf Seiten des Vermieters „offensichtlich<br />

nie bestanden“, stellen<br />

die Richter fest. So sei am Tagdes<br />

Mietvertragsabschlusses genau die<br />

Miete vereinbart worden, die zuvor<br />

angestrebt worden sei. Dies in einem<br />

„Nachtrag“ zu verstecken, könne nur<br />

als „untauglicher Versuch“ verstanden<br />

werden, die Mietpreisbremse zu<br />

umgehen. Dieser Eindruck werdegestützt<br />

durch die,sodas Gericht, „vermeintlich<br />

geschickte“ Vertragsgestaltung,<br />

nach der die hohe Miete von<br />

716,93 Euro erst ab dem 1.Mai 2017<br />

gezahlt werden sollte, während das<br />

Mietverhältnis schon am 31. März<br />

2017 begonnen habe.<br />

Beider Unterzeichnung des Nachtrags<br />

habe aber weder das Mietverhältnis<br />

schon begonnen noch sei die<br />

Wohnung den Mietern überlassen<br />

worden. Für die Mieter habe am Tag<br />

der Vertragsunterzeichnung die „latente<br />

Drucksituation“ bestanden, bei<br />

Widerstand nicht zum Zuge zu kommen.<br />

Als maßgebliche Miete zu Beginn<br />

des Mietverhältnisses sei der Betrag<br />

in Höhe von716,93 Euro anzusehen.<br />

Dies stelle eine „unzulässige<br />

Überhöhung“ der Miete um 209,31<br />

Euro dar.<br />

„Viele Mieter denken, wenn sie einen<br />

Vertrag von einem großen, bör-<br />

„Viele Mieter denken, wenn sie einen Vertrag<br />

von einem großen, börsennotierten Unternehmen<br />

vorgelegt bekommen, dann muss der<br />

Hand und Fuß haben. So ist es aber nicht.“<br />

Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer des Start-ups LexFox,<br />

das die Mieterplattform wenigermiete.de betreibt<br />

DPA/WOLFGANG KUMM; WENIGERMIETE.DE<br />

sennotierten Unternehmen vorgelegt<br />

bekommen, dann muss der Hand<br />

und Fußhaben“, sagt Daniel Halmer.<br />

„So ist es aber nicht. Wir sehen, dass<br />

auch sehr große Unternehmen, die<br />

unter öffentlicher Beobachtung stehen,<br />

ständig neue Versuche unternehmen,<br />

das Mietrechtzuumgehen,<br />

und die Rendite für ihre Anleger auf<br />

Kosten von Mietern weiter zu erhöhen“,<br />

so Halmer.Immer wieder seien<br />

Mieter so verzweifelt, dass sie auf<br />

Wohnungssuche „alles unterschreiben,<br />

was ihnen unter die Nase gehalten“<br />

werde. Das Urteil imvorliegenden<br />

Fall stammt vom August 2018.<br />

Dass erst jetzt darüber informiert<br />

wurde, begründet wenigermiete.de<br />

damit, dass erst jetzt die Kostenfestsetzung<br />

eingetroffen sei.<br />

Die Deutsche Wohnen ist mit<br />

mehr als 100 000 Wohnungen in Berlin<br />

der größte privateVermieter in der<br />

Stadt. Unternehmenssprecherin Manuela<br />

Damianakis verteidigt die zusätzlichen<br />

Vereinbarungen. Das<br />

Landgericht habe nicht die Regelung<br />

aus dem Bürgerlichem Gesetzbuch<br />

(BGB) in Frage gestellt, die solche zusätzlichenVereinbarungen<br />

erlaubt.<br />

Freiwilligkeitbetont<br />

Im Rahmen derNeuvermietung würden<br />

bei der Deutsche Wohnen „alle<br />

Wohnungen in einen technisch einwandfreien<br />

vermietungsfähigen Zustand<br />

versetzt“, so Damianakis. „Bei<br />

der Besichtigung werden wir immer<br />

wieder auf denWunsch nach zusätzlicher<br />

Ausstattung, wie zum Beispiel<br />

Einbauküchen angesprochen.“ Daher<br />

habe man sich entschlossen, „in<br />

vereinzelten Quartieren diesem<br />

Wunsch nach Abschluss des Mietvertrages<br />

auf freiwilliger Basis nachzukommen“,<br />

so Damianakis. „Wenn<br />

Neumieterdies wünschen, haben sie<br />

die Möglichkeit, im Rahmen einer Bemusterung<br />

gemäß ihrer individuellen<br />

Wünsche ihr neues Zuhause mit zu<br />

gestalten.“ Über diese zusätzlichen<br />

Ausstattungsmerkmale werde eine<br />

Modernisierungsvereinbarung getroffen,<br />

die zu einer zusätzlichen<br />

Miete führe. Eine solche Vereinbarung<br />

sei freiwillig. Sie werde auch<br />

Mietern mit bestehenden Verträgen<br />

angeboten.<br />

Kontrolle kann sich lohnen, wie<br />

der vorliegende Fall zeigt. Halmer rät:<br />

„Spätestens nach dem Einzug in die<br />

neue, oft überteuerte Wohnung,<br />

lohnt es sich, noch einmal nachzuprüfen:<br />

Ist esüberhaupt legal, was<br />

man da unterschrieben hat?“<br />

Ulrich Paul<br />

erlebt viel Kreativität bei der<br />

Mietengestaltung in Berlin<br />

NACHRICHTEN<br />

Häftlinge legen zahlreiche<br />

Brände in Gefängnissen<br />

In der Zeit vonJanuar 2015 bis Mai<br />

2019 ist es zu 54 Bränden in <strong>Berliner</strong><br />

Gefängniszellen und einigen anderenzuJustizvollzugsanstalten<br />

gehörenden<br />

Räumen gekommen. Das<br />

geht aus Antworten des Senats auf<br />

zwei Anfragen der AfD hervor. Meist<br />

handelte es sich um Brandstiftung<br />

durch die Häftlinge.Ineinigen Fällen<br />

lösten aber auch defekte Tauchsieder<br />

und vergessene brennende<br />

Kerzen das Feueraus.Den Brand mit<br />

dem höchsten Schaden, rund<br />

115 000 Euro,legte ein Gefangener<br />

am 3. Februar 2018 in Tegel. Der<br />

Mann hatte sich in seiner Zelle verbarrikadiertund<br />

dortein Feuerentfacht.<br />

DasLöschwasser der Feuerwehr<br />

beschädigte auch die darunter<br />

liegenden Stockwerke. (dpa)<br />

Trauerfeier für Hans Wall<br />

in der Parochialkirche<br />

DieTrauerfeier für den Anfang Juli<br />

verstorbenen Unternehmer und Mäzenfindet<br />

am 27. Juli in der Parochialkirche<br />

in Mitte statt. Darauf hat der<br />

Verein Denk mal hingewiesen, den<br />

Hans Wall seit seiner Gründung 2003<br />

unterstützt hat. Wall hat sich unter<br />

anderem für den Wiederaufbau des<br />

Turmsder Parochialkircheinder<br />

Klosterstraße eingesetzt. (BLZ)<br />

Amt lässt Badegewässer<br />

auf Quallen prüfen<br />

Nach Berichten über Quallen in der<br />

HavelinBerlin-Spandau lässt das<br />

Landesamt für Gesundheit und Soziales<br />

(Lageso) das Wasser verstärkt<br />

auch auf die Tiereuntersuchen. „Die<br />

Mitarbeiter des Landeslabores werden<br />

bei den Probeentnahmen auch<br />

nach Quallen suchen“, sagte Lageso-<br />

Sprecherin Silvia Kostne.Das Landeslabor<br />

testet die Qualität der<br />

Badegewässer in der Badesaison regelmäßig.<br />

DieB.Z. hatte am Wochenende<br />

über Quallen in der Bucht<br />

„Bürgerablage“ an der Oberhavel in<br />

Spandau berichtet. (dpa)<br />

Schwangerschaftstest bei<br />

Pandaweibchen Meng Meng<br />

DiePandadame Meng Meng ist erstmals<br />

per Ultraschall auf eine mögliche<br />

Trächtigkeit untersucht worden.<br />

DieBilder hätten aber kein eindeutiges<br />

Ergebnis geliefert, sagte Zoo-<br />

Sprecher Maximilian Jäger.Auch die<br />

tägliche Messung des Schwangerschaftshormons<br />

Progesteron im<br />

Urin habe noch keine eindeutige Information<br />

geliefert. DerUltraschalltest<br />

habe bereits am Freitag stattgefunden.<br />

Weil die Pandas im <strong>Berliner</strong><br />

Zoonoch jung und unerfahren in<br />

Liebesdingen sind, haben Experten<br />

Anfang Aprilnachgeholfen: Meng<br />

Meng wurde künstlich besamt. (dpa)<br />

Sollte Meng Meng trächtig sein, könnte<br />

es noch dieses Jahr Nachwuchs geben. DPA

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