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Berliner Kurier 09.08.2019

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SEITE19<br />

BERLINER KURIER, Freitag, 9. August 2019<br />

Geldwäsche in Automaten-Kasinos<br />

DieMafia<br />

gewinnt immer<br />

Kriminelle können ihreDrogeneinnahmen nahezu risikolos in<br />

„sauberes“ Geld umtauschen. Berlins Behörden sind machtlos<br />

Bei der Razzia am<br />

vergangenen Mittwoch<br />

wurden auch technische<br />

Geräte beschlagnahmt.<br />

Fotos: Pudwell<br />

Von<br />

P. DEBIONNE<br />

Mit schusssicheren<br />

Westen stehen<br />

mehrere Einsatzkräfte<br />

der <strong>Berliner</strong><br />

Polizei vor einem Spielcasino<br />

in der Gitschiner Straße in<br />

Kreuzberg. Nicht auf dem Bild<br />

zu sehen: Weitere Polizisten,<br />

die die Daddelhölle auf den<br />

Kopf stellen und alles penibel<br />

durchsuchen. Der Grund:<br />

Kurz zuvor hatten Rauschgiftfahnder<br />

einen Dealer beobachtet,<br />

der nach erfolgreichem<br />

Geschäftsabschluss in den Laden<br />

marschiertwar. Schon länger<br />

stehen die überall in der<br />

Stadt verteilten Automaten-<br />

Kasinos im Visier der Fahnder.<br />

Denn die für Glücksspiel zuständigen<br />

Behörden<br />

gehen<br />

davon aus,<br />

dass viele der<br />

Spielhöllen<br />

reine Geldwaschanlagen<br />

sind.<br />

Erst in der<br />

Nacht zu<br />

Mittwoch<br />

schnappte die<br />

Polizei einen<br />

Rauschgifthändler<br />

kurz<br />

nach einem<br />

Drogengeschäft<br />

in<br />

Kreuzberg.<br />

Die Ermittlungen<br />

führten<br />

die Fahnder<br />

in das besagte<br />

Automaten-Kasino<br />

in<br />

der Gitschiner<br />

Straße. Dort konnten Drogen,<br />

Bargeld sowie ein Festplattenrekorder<br />

sichergestellt<br />

werden. Ob und wie weit die<br />

Betreiber des Kasinos in die<br />

krummen Geschäfte des Festgenommenen<br />

eingeweiht oder<br />

sogar beteiligt waren, wird<br />

jetzt ermittelt. Doch dass Kasinos<br />

grundsätzlich beliebte Orte<br />

sind, um Geld zu waschen,<br />

wissen die Behörden.<br />

So heißt es in einem internen<br />

Dokument der „Obersten<br />

Glücksspielaufsichtsbehörden<br />

der Länder“ in Bezug auf das<br />

aktuellen Geldwäschegesetz,<br />

dass Glücksspiel sowohl wegen<br />

„hoher Transaktionsbeträge,<br />

die oftmals auch in bar gezahlt<br />

werden“ als auch wegen<br />

der „hohen Umlauf- und<br />

Transaktionsgeschwindigkeit,<br />

mit der Gelder umgeschlagen<br />

und verschoben werden können“,<br />

besonders attraktiv für<br />

„Verschleierung und Strukturierung<br />

illegitimer Vermögenswerte“<br />

sei. Im Klartext:<br />

Die Daddelautomaten der<br />

rund 470 <strong>Berliner</strong> Spielhöllen<br />

eignen sich hervorragend zur<br />

Geldwäsche.<br />

Wie funktioniert das in der<br />

Praxis? Ein Ermittler erklärt<br />

das dem KURIERso: „Ein Dealer<br />

geht mit seinem Bargeld, also<br />

vielen kleinen Scheinen, in<br />

so ein Kasino. Damit füttert er<br />

dann die Automaten und<br />

drückt sofort auf Auszahlung.<br />

Dann hat er fast denselben Betrag<br />

wie vorher in der Tasche,<br />

kann aber sagen, dass er das<br />

Geld gewonnen hat, wenn er<br />

gefragt wird. Das Geld ist somit<br />

saubergewaschen“.<br />

Zwar müssen die Betreiber<br />

der Kasinos bei der Steuer<br />

auch anhand von sogenannten<br />

Ausleseprotokollen unter anderem<br />

angeben, wie hoch Umsatz<br />

und Gewinn der einzelnen<br />

Automaten sind. Doch diese<br />

Ausleseprotokolle können<br />

nach Angaben der Senatsfinanzverwaltung<br />

vom „Unternehmer,<br />

seinen Angestellten<br />

oder Beauftragten“ erstellt<br />

werden. Und dass diese Angaben<br />

nicht immer stimmen,<br />

zeigt eine Antwort der Finanzverwaltung<br />

auf eine Kleine Anfrage<br />

des Abgeordneten Marcel<br />

Luthe. So wurden im Jahr<br />

2017 insgesamt 727 dieser Ausleseprotokolle<br />

von den zuständigen<br />

Finanzbehörden genauer<br />

überprüft. Bei 90 davon kam<br />

es zu Beanstandungen.<br />

„Wenn der Senat die Bekämpfung<br />

dieser Form von Organisierter<br />

Kriminalität ernst<br />

nehmen würde, hätte es erheblich<br />

mehr Kontrollen gegeben,<br />

die derartige Manipulationen<br />

zur Geldwäsche aufdecken“,<br />

so Luthe. Da der Senat aber<br />

„mit der Spielbank Berlin von<br />

der größten Automatendichte<br />

in Berlin profitiert“, vermutet<br />

der FDP-Mann, sei „das Interesse<br />

an engmaschigen Kontrollen<br />

eher gering“.<br />

Die Glücksspielaufsichtsbehörde<br />

geht zudem davon aus,<br />

dass illegale Gewinne aus<br />

krummen Geschäften teilweise<br />

auch „in die Rechnungslegung<br />

des Spielbetriebs integriert<br />

werden, indem höhere<br />

als die tatsächlich erzielten<br />

Einnahmen ausgewiesen werden“.<br />

So wird aus Geld, dass<br />

mit dem Verkauf von Rauschgift<br />

verdient wurde plötzlich<br />

ganz legales Geld.<br />

Einige Kasinobetreiber würden<br />

sogar „die gesamte Geschäftstätigkeit<br />

des Glücksspielveranstalters<br />

lediglich simulieren“.<br />

In Wahrheit würden<br />

„die in der Buchhaltung<br />

aufscheinenden Gelder allesamt<br />

aus illegitimen Tätigkeiten“<br />

stammen.

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