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Berliner Kurier 25.08.2019

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14 SERIE BERLINER KURIER, Sonntag, 25. August 2019<br />

und NABU und die Zoologische<br />

Gesellschaft Frankfurt gehören,<br />

hat seit dem Jahr 2000 Teile<br />

von vier ehemaligen Truppenübungsplätzen<br />

gekauft und<br />

sich selbst überlassen. Die Bundesregierung<br />

hat 2007 beschlossen,<br />

dass bis 2020 zwei<br />

Prozent der Landfläche in<br />

Deutschland Wildnis werden<br />

sollen –essind bis jetzt 0,6 Prozent.<br />

Aus einer Senke abseits des<br />

Waldwegs steigt Rauch auf.<br />

Jenny Eisenschmidt hält den<br />

Geländewagen an. Der Rauch<br />

kommt aus dem Boden, das<br />

Feuer hat sich in ein Moor gefressen.<br />

Ein Moor besteht aus<br />

den Pflanzen an der Oberfläche<br />

und einer dicken Schicht zersetzter<br />

Pflanzenteile darunter,<br />

dem Torf. Torf brennt so gut,<br />

dass es als Brennmaterial abgebaut<br />

wird. Ein Brand im Moor<br />

ist schwer zu löschen, er<br />

schwelt unterirdisch weiter.<br />

Moore wachsen langsam, jedes<br />

Jahr um einen Zentimeter.<br />

Jenny Eisenschmidt schätzt,<br />

dass unter ihren Füßen acht<br />

Meter Torf liegen –macht 800<br />

Jahre. Moore binden C0 2 und<br />

Methan. Ein Brand setzt große<br />

Mengen davon frei.<br />

Dieses Wissen hat Jenny Eisenschmidt<br />

keine Ruhe gelassen.<br />

Mehrmals ist sie, ausgerüstet<br />

mit Spaten und einem speziellen<br />

Rucksack, in den 25 Liter<br />

Wasser passen, zu den glimmenden<br />

Mooren gegangen und<br />

hat Gräben ausgehoben. Sie<br />

wollte wenigstens versuchen,<br />

der Glut Einhalt zu gebieten.<br />

Es spricht einiges dafür, dass<br />

die Feuer gelegt wurden. Die<br />

Stiftung Naturlandschaften hat<br />

mehrere Anzeigen gegen unbekannt<br />

erstattet, die Polizei hat<br />

einen Fahndungsaufruf herausgegeben.<br />

Es hat immer wieder<br />

mal gebrannt in der Lieberoser<br />

Heide, aber seit drei Jahren<br />

brechen auffällig viele Feuer<br />

aus –und immer auf den Flächen<br />

der Stiftung.<br />

Die Lieberoser Heide soll zu<br />

einer Attraktion heranwachsen,<br />

soll Touristen bringen. Eine<br />

„Internationale Naturausstellung“,<br />

kurz INA, ist geplant.<br />

Ein junges Team von Stadtentwicklern<br />

ist beauftragt worden,<br />

sie zu konzipieren; es hat ein<br />

Büro in Lieberose.<br />

Die Lieberoser Heide –<br />

24000 Hektar Wald, offene<br />

Flächen und Moore, zusammenhängend,<br />

ohne Straßen dazwischen<br />

–sei einmalig in Europa.<br />

So steht es in der INA-<br />

Broschüre. Auch der Ort Lieberose<br />

soll Teil der INA werden.<br />

Es gibt ein leerstehendes<br />

Schloss, da könnte eine Ausstellung<br />

einziehen.<br />

Axel Becker lenkt das Auto<br />

vom stillen Waldweg auf die geschäftige<br />

Bundesstraße, es sind<br />

nur ein paar Minuten bis Lieberose.<br />

Es geht vorbei an dem<br />

Marktplatz mit Kopfsteinpflaster<br />

und Rathaus, vorbei am<br />

Eiscafé und hinein in die<br />

Schlossgasse, an deren Ende ein<br />

mächtiger blassgelber Bau sitzt.<br />

Unverkennbar das Schloss. Einer<br />

der vier Flügel wurde 1945<br />

zerstört, der frühere Rittersaal<br />

klebt noch als Ruine an einer<br />

SchlossLieberose steht zum Verkauf.Zuwelchem Preis es zu haben ist,steht<br />

noch nicht fest.Die Gemeinde hofft,dassesinöffentlicher Hand bleibt.<br />

Es gibt Häuser in Lieberose, die aussehen, als hätten sie ihreZukunft schon<br />

hinter sich, wie diese ehemalige Fleischerei.<br />

Seite. Der hohe Turm, der das<br />

Gebäude weithin sichtbar<br />

machte, ist 1975 eingestürzt.<br />

Direkt gegenüber, in einem<br />

Haus, das mal zu den Verwaltungsgebäuden<br />

zählte, ist das<br />

Forstamt untergebracht. Axel<br />

Becker setzt sich an den Holztisch<br />

im Garten. Da sitzt schon<br />

sein Kollege Romeo Buder,<br />

ebenfalls Förster. „Ausbaufähig“<br />

und „stehengeblieben“,<br />

das sind so Worte, die fallen,<br />

wenn man sie nach dem Ort<br />

Lieberose fragt.<br />

1500 Einwohner –inklusive<br />

der Menschen in den eingemeindeten<br />

Dörfern –zwei Kirchen,<br />

ein Schloss und der Wald.<br />

Lieberose sei immer schon ein<br />

bisschen am Rand gewesen,<br />

sagt Romeo Buder. Am Rand<br />

des Landes, die Grenze zu Polen<br />

ist nah. Am Rand des Verwaltungsbezirks<br />

Frankfurt zu<br />

DDR-Zeiten, des Bundeslands<br />

Brandenburg jetzt. Am Rand<br />

des Spreewalds mit seinen Kanälen<br />

und Touristen, die hier<br />

vorbeifahren, aber selten anhalten.<br />

Es gibt Häuser in Lieberose,<br />

die aussehen, als rechneten sie<br />

nicht mehr mit einer Zukunft.<br />

Und welche, die Optimismus<br />

ausstrahlen. Das Café Markt 6<br />

gehört dazu. Heinz-Gerd Hesse<br />

hat es als Treffpunkt vorgeschlagen,<br />

er war lange der Apotheker<br />

des Orts, jetzt führt er<br />

manchmal Besucher durchs<br />

Schloss.<br />

Vom Café Markt 6geht schon<br />

um halb acht Uhr morgens eine<br />

flirrende Energie aus, das liegt<br />

an der blonden Frau hinter dem<br />

Tresen. „Guten Morgen, Sonnenschein!“,<br />

begrüßt sie einen<br />

jungen Mann. „Na, Ingelein,<br />

wie geht’s?“, fragt sie eine alte<br />

Dame in geblümter Schürze.<br />

Ob sie Lust hat, ein bisschen<br />

über Lieberose zu reden?<br />

„Gern. Sie sprechen übrigens<br />

mit der Bürgermeisterin.“<br />

In den nächsten eineinhalb<br />

Stunden wird Petra Dreißig viel<br />

erzählen, dabei immer wieder<br />

hinter den Tresen schlüpfen,<br />

um Kunden zu bedienen, und<br />

nicht ein einziges Mal den Eindruck<br />

erwecken, das sei vielleicht<br />

zu viel auf einmal. Man<br />

bekommt eine Ahnung, was sie<br />

in Lieberose bewirken könnte.<br />

Ein Glücksfall sei die Frau<br />

Fotos: Markus Wächter<br />

Naschhausen<br />

Rom<br />

Herzsprung<br />

Eisdorf<br />

Lederhose<br />

Lieberose<br />

Jenny Eisenschmidt vonder<br />

Stiftung Naturlandschaften<br />

und Oberförster Axel Becker<br />

sorgen sich um die Lieberoser<br />

Heide. Es brechen seit drei<br />

Jahren auffällig viele Feuer<br />

aus. Die Stiftung vermutet<br />

Brandstiftung.<br />

Nächste Woche<br />

Vogelsang<br />

Wüstenhain<br />

Klein Bademeusel<br />

Wetterwitz<br />

Altliebel/Rietschen

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