Berliner Kurier 25.08.2019

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18 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 25. August 2019 PET-Flaschen oder Plastikschalen sich auch im Blut und im Darm ablagern –mit der wachsenden Gefahr von Langzeitschäden im menschlichen Organismus. Obst und Gemüse kauft Nadine Schubert lose. Und für Wurst und Käse bringt sie eigene Boxen mit an die Theke. „Lebensmittel in mitgebrachte Behälter zu füllen, ist nicht verboten“, sagt sie. „Die Verkäuferin darf sie nur nicht anfassen. Das sind Maßnahmen, die in jedem Supermarkt funktionieren.“ Eben nicht nur in Städten mit einer höheren Dichte an Öko-Geschäften oder Spezial-Anbietern wie „Unverpackt-Läden“, die im Stil alter Krämerläden inzwischen sogar ausschließlich Lebensmittel ohne buntes, oft mehrschichtiges Drumherum anbieten. Vieles macht Nadine Schubert selbst. Frischkäse zum Beispiel: „Man benötigt eine Schüssel, ein Sieb, ein Tuch und ein Glas Joghurt mit 3,5 oder 10 Prozent Fett. Dann hängt man das Sieb in die Schüssel und legt es mit dem Tuch aus. Joghurt ins Tuch kippen und über Nacht abtropfen lassen.“ Am nächsten Tag ist der Joghurt streichfähiger Frischkäse und kann nun nach Belieben, zum Beispiel mit Salz, Pfeffer und Schnittlauch, gewürzt werden. Auch Quark, den manche Naturkostläden inzwischen auch lose im Sortiment haben, stellt Nadine Schubert selber her: einen Liter Milch zwei Stunden bei 100 Grad in einer Backofenform aus Glas mit Deckel erhitzen und anschließend im noch warmen Ofen stocken lassen, nach etwa einem Tag abseihen. Selbst was früher im Müll landete, weiß Nadine Schubert heute zu nutzen. Kaffeesatz zum Beispiel. „Er fällt in fast jedem Haushalt an und ist viel zu schade für den Biomüll“, sagt sie. „Getrocknet ist Kaffeemehl ein Geruchskiller im Kühlschrank, Scheuermittel in Haus und Garten und er- „Lebensmittel in mitgebrachte Behälter zu füllen, ist nicht verboten. Die Verkäuferin darf sie nur nicht anfassen.“ setzt Schleifkörper aus Mikroplastik als Körperpeeling.“ Außerdem halte Kaffeesatz Schnecken aus Beeten fern. Seine beste Eigenschaft sei allerdings: Kaffeesatz entzieht der Luft Schadstoffe und bindet sie. Schubert: „Ein Schälchen davon in jedem Zimmer ist also gut fürs Raumklima.“ Eierschalen sind laut Nadine Schubert „ein tolles Hausmittel. Sie bestehen zu 90 Prozent aus Calciumcarbonat, also kohlensaurem Kalk, der sehr vielseitig einsetzbar ist, beispielsweise als Scheuermittel oder Fleckenentferner“. Die Schalen müssten dafür kurz ausgespült, getrocknet und zerstoßen werden. Eierschalen eigneten sich auch zum Kaffeekochen –einige Schalen im Kaffeepulver machen den Kaffee milder – und als Schneckenvertreiber im Garten. Mehr noch: „Die dünne Membran aus gereinigten Eierschalen kann zur Verbesserung der Wundheilung sogar auf kleine Verletzungen der Haut aufgetragen werden.“ Das Badezimmer der Schuberts wirkt hell, klar und aufgeräumt. „Die Reduzierung auf das Wesentliche, was unser Körper benötigt, ist eine optische Bereicherung und steigert zudem unser Wohlbefinden“, sagt sie. In vielen Kosmetika und Pflegeprodukten nisteten geradezu chemische „Bomben“, selbst die boomende Naturkosmetik komme nicht ganz ohne Zusatzstoffe aus. Besonders belastend, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Körper seien Duschgels, Zahnpasta und Shampoos, die mit Mikroplastik angereichert sind. Das sind winzige Kunststoffteilchen, nicht größer als fünf Millimeter. Ein handelsübliches Gesichtspeeling kann bis zu 330000 Plastikpartikel enthalten, wiesen US-Forscher jüngst nach. Ob zum Waschen von Händen, Körper und Haar oder zum Baden –Nadine Schubert verwendet ausschließlich Naturseife am Stück. Statt Flüssigshampoo portioniert sie Haarseife in kleine Stücke und reibt die aus natürlichen Ölen und Natronlauge bestehende Substanz mit Wasser einfach ins Haar. Als pflegenden Badezusatz rät sie, ein bis zwei Esslöffel Olivenölseife ins Wasser zu geben. Auch von den herkömmlichen Haushaltsreinigern hat sich Nadine Schubert verabschiedet. Die sind nicht nur aufwendig in Plastik verpackt, sondern enthalten zudem jede Menge, in der Natur schwer abbaubare Chemikalien. Also macht sie sich Reinigungsmittel selbst. Als Basismaterial empfiehlt sie Pflanzenölseife. „Dieser Alleskönner besteht zu 100 Prozent aus natürlichen Inhaltsstoffen und kann die Grundlage für viele Arten von selbst hergestellten Wasch- und Reinigungsmitteln, Fleckenspray, Geschirrspülmittel oder WC-Reiniger sein.“ Sie empfiehlt, die Seifenstücke in größeren Mengen zur Vorratshaltung zu kaufen: „Ich verarbeite sie ganz einfach mit meiner Küchenreibe zu Flocken, um diese schließlich für verschiedene Putz-Mischungen zu nutzen.“ Die Rosskastanie ist aus dem Haushalt der Schuberts auch nicht mehr wegzudenken. „Die Saponine (Seifenstoffe) in den Samen der Kastanie machen das Gewächs zu einem effektiven Waschmittel aus der Natur“, sagt Nadine Schubert. Das Seifenbaumgewächs sei auch eine vielseitig verwendbare Arzneipflanze: Der Sud der Kastanie helfe „Pflanzenölseife kann die Grundlage für viele Arten von selbst hergestellten Reinigungsmitteln sein.“ als Spülung, Fußbad oder Wickel bei geschwollenen Beinen und Armen. Patienten mit Schuppenflechte und trockener Haut verwendeten Kastaniensalbe oder zur Behandlung betroffener Stellen. „Ein guter Standmixer häckselt die Kastanien ohne Probleme in kleine Stücke. Diese werden dann auf Backbleche verteilt und getrocknet“, sagt Nadine Schubert. „Nach zwei Tagen erhalten Sie ein knuspriges Kastanienmüsli, das Sie in Vorratsgläsern aufbewahren können.“ Ihr Tipp für ein wohltuendes Bad: zwei Esslöffel Kastanienmüsli in ein Schraubglas geben, den Sud abseihen und ins Badewasser gießen. An vielen Stellen im Haus der Schuberts ist Soda-Pulver im Einsatz, „ein vielseitiger, umweltfreundlicher Reiniger, der oft sogar ganz pur verwendet wird“. Man kann Gartenmöbel, Messerklingen oder auch die Sohlen weißer Turnschuhe mithilfe einer Zahnbürste (aus Holz) reinigen. In Wasser gelöst, reinigt Soda Fett von Herdplatten und Küchenfliesen. Und es ersetzt den aggressiven chemischen Abflussreiniger vollständig: einen Esslöffel Soda ins Klo geben und einfach mit heißem Wasser nachspülen. „Es gibt für nahezu alles eine Alternative“, sagt Nadine Schubert. Sie empfiehlt, das Einkaufsverhalten und das Alltagsleben Schritt für Schritt umzustellen, um Frustrationen zu vermeiden, wenn mal etwas nicht klappt. „Wer aber einmal angefangen hat, wird zufriedener.“ Uwe Killing Nadine Schubert: „Noch besser leben ohne Plastik“, Ratgeber für einen schadstoffreduzierten Haushalt und Alltag, 112 Seiten, Oekom-Verlag, 13 Euro Glas und Holz statt Plastik: Viele Dinge im Haushalt lassen sich leicht durch Produkte ersetzen, die umweltverträglicher sind. 90 %von uns habenPlastik im Blut Rund 140 Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen derzeit in den Weltmeeren, schätzungsweise rund 8Millionen kommen proJahr hinzu. Eine Million Seevögel verenden jährlich durch Kunststoffe. 89 Milliarden Liter Wasser werden jährlich weltweit in Plastikflaschen abgefüllt,80Prozent davon landen auf dem Müll. Rund 450 Jahre dauert es, bis eine Plastikflasche zerfällt. 320000 Coffee-to-go-Becher gehen jede Stunde über deutsche Ladentheken, für ihre Herstellung werden jährlich 11000 Tonnen Kunststoff verwendet. Mikroplastik soll sich im Blut von90Prozent aller Menschen befinden (Studie Uni Bonn).
19 Fünf Tipps, mit denen Sie die Welt ein kleines bisschenrettenkönnen Rezept Zahnpasta 1 EL Kokosöl erwärmen und 1TLXylit und 1TLCalciumcarbonat sowie 20 Tropfen Pfefferminzöl hinzugeben. Gut verrühren und in ein Schraubglas füllen. Zur Entnahme eignet sich ein Espressolöffel oder ein Holzspatel. Die Zahncreme wird während des Abkühlens fest, kann bei Hitze aber auch wieder schmelzen. Rezept Haarkur 1ELgeraspelte Olivenölseife, 1TLOlivenöl, 1TLHonig und 100 ml Wasser in einen Topf geben, leicht erhitzen. Dabei umrühren, sodass eine homogene Masse entsteht. Die fertige Kur kann in einen Pumpspender (etwa aus Keramik) gefüllt werden. Zur Anwendung die Kur auf die nassen Haare auftragen und 5bis 10 Minuten einwirken lassen. Anschließend Haare wie gewohnt waschen. Rezept Rasiercreme 2ELKokosöl, 1TLSheabutter und 1TLMandelöl im Wasserbad schmelzen und vermengen. Bewahren Sie sie in einem Schraubglas auf. Die Rasiercreme hinterlässt ein angenehmes Gefühl auf der Haut und macht ein Aftershave überflüssig. Eine weitere Portion auf dem glatt rasierten Männergesicht sorgt für Extrapflege. Rezept Waschmittel Ich rühre 50 Gramm Seifenflocken mithilfe eines Schneebesens in einem Eimer mit 4 Liter heißem Wasser an (alternativ: Standmixer). Dann gebe ich 8 Esslöffel (150 Gramm) Waschsoda hinzu, rühre erneut kräftig und lasse die Masse mindestens 2 Stunden ruhen. Dann kann ich die entstandene Emulsion in ein leeres Gefäß umfüllen. Für eine Waschmaschinenladung benötigen Sie nur 200 Milliliter der Waschemulsion. Vor Benutzung den Behälter jedes Mal gut schütteln, damit die Inhaltsstoffe durchgemischt werden. Dieses Waschmittel eignet sich für jede Temperatur, sowohl für weiße als auch für farbige Wäsche. Zur intensiven Behandlung weißer Wäsche gebe ich 1 Teelöffel Sauerstoffbleiche (z.B. von Heitmann) zusätzlich ins Waschfach. Um „Esgibt für nahezu alles eine plastikfreie Alternative“, sagt Nadine Schubert. VieleLebensund Reinigungsmittel stellt sie inzwischen selber her. ein Woll-und-Feinwaschmittel zu erhalten, lässt man einfach das Soda weg – dieses eignet sich nicht für Wolle, da es die Fasern aufquellen lässt. Rezept Schuhwachs Regionaler kann man kaum ein Pflegeprodukt beziehen, denn Imker gibt es überall. Besorgen Sie sich bei einem lokalen Imker einfach ein paar gereinigte Platten Bienenwachs. Die können Sie nicht nur zur Herstellung von Kerzen, sondern auch zur Produktion eigener Kosmetika verwenden. Warmes Wachs, gemischt mit Leinöl, schützt auch Holzmöbel sehr gut: 100 ggeschmolzenes Bienenwachs mit 400 ml Leinöl verrühren. Abgekühlt erhält es zudem die Konsistenz von Schuhcreme und kann mit einem Baumwolltuch aufgetragen werden. Umweltschutz kann jeder,indem er zum Beispiel Mehrwegbeutel aus Stoffstatt Einwegbeutel aus Plastik nutzt (oben) –oder Naturseife zur Herstellung vonReinigungsmitteln (unten). Fotos: Lea Schreiber/zvg(4),imago stock&people, iStockphoto
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