Leseprobenheft BuchBerlin 2019
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Aqua Tofana<br />
Schlüsselszene<br />
Der Zuschauerraum des ›Frankfurter Schauspielhauses‹ war bis auf<br />
den letzten Platz gefüllt. Man gab Goethes ›Faust‹. Die Kerker-<br />
Szene näherte sich dem Höhepunkt und das Spiel damit auch<br />
dem Ende der Tragödie.<br />
Die Gretchendarstellerin Eliza Burger war eine bemerkenswerte<br />
Schauspielerin und die Vorstellung nicht zuletzt deshalb<br />
ausverkauft. Gleiches Interesse brachte das Publikum auch dem<br />
Faust-Darsteller entgegen, der sie soeben beschwor: »Besinne dich!<br />
Nur einen Schritt, so bist du frei!«<br />
Mephisto drohte ungeduldig, Faust zu verlassen, sofern dieser<br />
ihm nicht endlich folge. Dessen Blick aber war auf Gretchen<br />
gerichtet, die ihn wie einen Geist anstarrte. In ihren Augen lag<br />
blankes Entsetzen, als sie in höchster Not aufschrie: »Dein bin ich<br />
Vater … rette mich … ihr Engel … ihr heiligen Scharen ... lagert euch<br />
umher ... mich zu bewahren.«<br />
Röchelnd presste die Darstellerin mit letzter Kraft aus sich<br />
heraus: »Heinrich, mir graut’s vor dir!«<br />
Manchem Zuschauer lief bei diesem Szenario ein Schauer über<br />
den Rücken.<br />
Im grauen Büßerhemd, das Haar aufgelöst, sank Gretchen aufs<br />
Strohlager. Es schien, als wolle Faust zu ihr hineilen, aber<br />
Mephisto zerrte ihn mit sich.<br />
Langsam senkte sich der Vorhang, doch vergeblich wartete das<br />
textkundige Publikum auf den letzten, verzweifelten Ruf<br />
Gretchens: ›Heinrich … Heinrich …‹<br />
Nach einem Augenblick atemloser Stille brandete Beifall auf. Die<br />
Schauspieler erschienen jedoch nicht vor dem Vorhang, um den<br />
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