Leseprobenheft BuchBerlin 2019
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„Warten Sie“, sagte Rose. „Vielleicht is was zu hör’n.“<br />
Berta Gehre hatte nicht viel Hoffnung. „Wenn da was Schweres<br />
druffliegt, könn’ die Zeiger nich weiter.“ Beide lauschten in die<br />
Stille … nichts! Nun legte Rose das Ohr auf jeden Sack und bei<br />
Nummer zehn rief sie: „Hier isse drin!“ Ein Schnarren war zu<br />
hören …<br />
Die Uhr lag mit dem Zifferblatt nach unten auf der Öffnung<br />
eines alten Topfes. Das hatte es den Zeigern ermöglicht, sich zu<br />
bewegen. Die Ketten waren auch noch dran, allerdings fehlten die<br />
Gewichte und deshalb mussten die Frauen das sperrige Eisenund<br />
Blechzeug Stück für Stück aus dem Sack holen, ehe sie die<br />
Zapfen fanden. Erleichtert trug Rose die von ihr so oft<br />
verwünschte Uhr heim, wo Hilde sich inzwischen eingefunden<br />
hatte. „Du Dussel, was haste dir denn dabei gedacht?“, schimpfte<br />
Rose und hängte den Regulator an den alten Platz zurück.<br />
„Na, du hast immer gesagt, die is kaputt“, maulte Hilde.<br />
„Und wenn! Die Uhr gehört’m Vater. Du kannst nich<br />
verschenk’n, was nich deins is. Und noch eens!“ Rose hob den<br />
Zeigefinger und schnitt damit energisch die Luft in zwei Teile.<br />
„Mit der Uhr wird keener totgeschoss’n! Was denkt ihr denn, was<br />
die aus’m Zeug machen, das ihr sammelt? Gewehr- und<br />
Kanonenkugeln! Und damit schießen se nich uff Spatzen,<br />
sondern uff Menschen!“<br />
Lydia hätte nun gern den Topfdeckel zurückgehabt und Else war<br />
froh, dass sie sich gar nicht erst die Mühe gemacht hatte, nach<br />
Eisen zu suchen. Erich aber dachte: „Drei Nägel und ’ne<br />
Schraube, das reecht nich für ’ne Kugel“, und fühlte sich deshalb<br />
frei von jeder Tötungsschuld.<br />
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