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Leseprobenheft BuchBerlin 2019

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voran. Bis zum Abend schaffte sie es jedoch noch, ein dünnes<br />

Federbett für die Kinder zurechtzustopfen. Die heil gebliebenen<br />

Sofakissen steckte sie in Bezüge, die sie noch im Schrank<br />

vorgefunden hatte. Für das Federbett fand sich nichts Passendes.<br />

Die Kinder hatten Hunger. Woher sollte Trudl etwas Essbares<br />

nehmen? Als habe sie etwas geahnt, brachte Käthe zwei Gläser<br />

Pflaumenkompott herüber. Martha Vogt war bald nach der<br />

Ankunft mit den Töchtern im Keller verschwunden und sie<br />

hatten nach oben getragen, was an eingeweckten Vorräten noch<br />

zu finden war.<br />

„Da unten ist es sauberer als hier oben”, berichtete Käthe. „Es<br />

sind schon welche vor uns im Keller gewesen, aber die kannten<br />

Frau Weigts Lager für schlechte Zeiten nicht. Die Vorräte sind<br />

jetzt drüben bei uns. Sie werden ein Weilchen reichen, wenn wir<br />

sparsam sind.” Und dann erzählte sie, dass sich im Mittelzimmer<br />

ganz eindeutig jemand aufhalte. „Vater vermutet, dass es Trieblich<br />

ist. Offenbar will er von uns nicht gesehen werden.”<br />

Die Kinder schliefen, eins zu Häupten eins zu Füßen, auf der<br />

Couch. Trudl verbrachte die Nacht in einem heil gebliebenen<br />

Sessel, bedeckt mit ihrem Wintermantel, den sie unter einem<br />

Haufen Federn gefunden hatte. Sobald es draußen hell wurde,<br />

war sie wieder auf den Beinen, räumte und säuberte weiter. In der<br />

Waschküche im Hof lief das Wasser besser als oben im Hausflur.<br />

Sie füllte eine Wanne und walkte die Wolldecken durch.<br />

Nach einigem Suchen fand sie eine Wäscheleine und Klammern.<br />

Der Tag versprach warm zu werden, also würden die Decken gut<br />

trocknen. Während sie aufhängte, läuteten auch an diesem<br />

zweiten Pfingstfeiertag die Glocken. Waren Pfarrer Smaczny und<br />

die Grauen Schwestern in Liegnitz geblieben? Gern wäre Trudl bis<br />

zur Kirche gelaufen, aber sie wagte sich nicht auf die Straße. Die<br />

Angst, noch einmal vergewaltigt zu werden, war zu groß. Bärbel<br />

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