Leseprobenheft BuchBerlin 2019
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Es stellte sich heraus, dass Hilde die Seife bei der Weidauer-<br />
Tochter gegen Kamm und Spiegel eingetauscht hatte. Anna<br />
versohlte Hilde den Hintern, sperrte sie in die Kammer ein und<br />
strich ihr das Abendbrot. Aber das brachte den kostbaren Besitz<br />
nicht zurück und der Trödelkram – denn etwas anderes war es<br />
nicht – ließ sich nicht versetzen.<br />
Die vierjährige Frida war während des Strafgerichts unter den<br />
Tisch geflohen, dessen Schutz sie nun ganz allein genoss, denn<br />
auch Otto ging inzwischen zur Schule. Sie verstand nicht, was<br />
geschah, aber die zornige Mutter erschreckte sie. Dass Hilde<br />
nichts zu essen kriegen sollte, begriff sie allerdings schon. Von<br />
diesem Teil der Strafe nahm Rose jedoch am Abend Abstand.<br />
Mehr als eine Brotschnitte mit ungesüßtem Apfelmus kriegten die<br />
Kinder ja nicht und mit leerem Magen fiel schon Erwachsenen<br />
das Einschlafen schwer, um wie viel mehr erst Kindern.<br />
Zur Zeit der Kartoffelernte ereignete sich auf einem Feld hinter<br />
Naundorf Furchtbares. Alfred hatte es von Ewald erfahren, der<br />
die Nachricht aus der Nachtschicht mitbrachte, und posaunte nun<br />
stolz in der Schule herum: „Die hahm Beckern abjemurkst!“<br />
Keiner glaubte ihm, aber bis Mittag wurde es traurige Gewissheit.<br />
Um die noch nicht abgeernteten Felder vor Dieben zu schützen,<br />
waren die alten Männer des Dorfes vom Gemeindevorsteher<br />
beauftragt worden, nachts zu wachen. Dem alten Becker war ein<br />
Kartoffelfeld zugeteilt worden. Weil die von der Grube<br />
Heimkehrenden stets den kürzeren Weg quer über die Felder<br />
nahmen, hatten sie den Alten gefunden – erschlagen. Vielleicht<br />
wären die Schuldigen nie entdeckt worden, wenn nicht der dürre<br />
Klaus in eben jener Nacht auf eigene Faust Wachmann gespielt<br />
hätte.<br />
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