Berliner Kurier 06.09.2019
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*<br />
POLITIK<br />
Im Namen<br />
der Kinder<br />
Anne Hidalgo<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Jörg<br />
Kallmeyer<br />
Die RichteramLandge-<br />
richtDetmold haben<br />
zwei Männern,die über<br />
Jahrehinweg Dutzende<br />
Kindersexuell missbraucht<br />
haben, einenkurzen Prozess<br />
gemacht. Und dasUrteil<br />
fällt so hart aus, wieesdie<br />
Gesetze in Deutschland<br />
eben ermöglichen. Wenigs-<br />
tensdie Justiz also hatfunk-<br />
vonLügde.<br />
tioniert im Missbrauchsfall<br />
Das sollteselbstverständlich<br />
seinineinem Rechtsstaat –<br />
aber dieHorrorgeschichten<br />
vom Wohnwagen, in dem<br />
Kindergequält wurden,ha-<br />
ben vieleSelbstverständlichkeiten<br />
zerstört. Mit Lügde<br />
wird daher immer eine<br />
tiefe Verstörungund Fassungslosigkeitverbunden<br />
sein. Aufden Behörden, der<br />
Polizei undallen, die mit<br />
Kindern zu tun haben,ruht<br />
jetzt eine neue Last: Ist<br />
künftig ausgeschlossen, dass<br />
Jugendamtsmitarbeiter Kinder<br />
in falsche Hände geben?<br />
Ist ausgeschlossen,dass sie<br />
alle Hinweiseauf Missbrauchignorieren?<br />
Versprechen<br />
kanndies niemand.<br />
Aber Politik und Behörden<br />
sollten sichersein, dass sie<br />
wirklichallesdafür tun, dass<br />
sichein solcher Fall von<br />
Staatsversagennicht wiederholt.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Anne Hidalgo, Pariser Bürgermeisterin,<br />
pocht auf einen<br />
neuen gesetzlichen Rahmen<br />
in Frankreich, um die Nutzung<br />
von<br />
umstrittenen<br />
E-Tretrollern<br />
besser<br />
zu regeln.<br />
Das<br />
neue Mobilitätsgesetz,<br />
das laut Hidalgo<br />
auch<br />
die E-Scooter<br />
umfasst,<br />
wird seit Monaten diskutiert,<br />
ist aber bisher nicht verabschiedet<br />
worden. In Paris<br />
werden bisher vorschriftswidrig<br />
abgestellte E-Tretroller<br />
als Sperrmüll betrachtet<br />
und entsorgt.<br />
Foto: Eric Risberg/dpa<br />
Fotos: C. Kaiser/dpa, Stefan Puchner/dpa, Alex Brandon/AP/dpa | Quelle: R+V-Versicherung<br />
Überforderung<br />
des Staats durch<br />
Flüchtlinge<br />
Die Ängste der Deutschen<br />
im Langzeitvergleich<br />
Gesamtdurchschnitt aller Ängste<br />
39 %<br />
1994<br />
Viele Ängste lassen die<br />
Deutschen bereits kalt<br />
Aktuelle Studie: DasLand wird gelassener, doch der Flüchtlingszustrom macht weiterhin Sorgen<br />
Berlin – „German Angst“ war<br />
in den USA lange ein Spottbegriff<br />
– der Deutsche als bibbernder<br />
Angsthase. Das hat<br />
sich abgeschwächt, aber trotz<br />
sinkender Flüchtlingszahlen<br />
und abgekühlter Debatte ist<br />
die größte Sorge der Deutschen<br />
nach wie vor die Migration<br />
in die Bundesrepublik.<br />
52 %<br />
2003<br />
Laut einer neuen Studie haben<br />
56 Prozent der DeutschenAngst,<br />
dass der Staat durch die große<br />
Zahl der Flüchtlinge überfordert<br />
ist –ganz knapp Platz eins der<br />
diesjährigen Umfrage im Auftrag<br />
der R+V-Versicherung. Fast<br />
ebenso viele Bürger (55 Prozent)<br />
fürchten, dass es durchden weiteren<br />
Zuzug zu Spannungen<br />
zwischenDeutschen und hier lebenden<br />
Ausländern kommt. Allerdings<br />
lässt die Angst in beiden<br />
Fällen deutlich nach: Im Vorjahr<br />
hatten jeweils 63 Prozent der Befragten<br />
dieseÄngstegeteilt.<br />
Überhaupt sind die Deutschen<br />
in diesem Jahr deutlich<br />
optimistischer und weniger<br />
angstgeplagtalsindenvergangenen<br />
Jahren: Die Stimmung sei<br />
insgesamt so gut wie seit 25 Jahren<br />
nicht mehr, heißt es in der<br />
Auswertungder repräsentativen<br />
Umfrage „Die Ängste der Deutschen“<br />
vom Sommer dieses Jahres,<br />
die seit 1992 jährlich durchgeführt<br />
und für 2019 am Donnerstag<br />
in Berlin vorgestellt<br />
wurde. 30 Jahre nachdem Mauerfall<br />
wurde ein Unterschieddabei<br />
aber wieder größer: In Ostdeutschland<br />
sind alle Ängste<br />
weiter verbreitet als in Westdeutschland.<br />
Besonders die Ängste vor Terroristen<br />
und vor Donald Trump<br />
plagen heute weniger Menschen<br />
als vor einem Jahr –die Sorge,<br />
dass die Politik des US-Präsidenten<br />
die Welt gefährlicher macht,<br />
liegt dennoch mit ebenfalls 55<br />
Prozent gleichauf mit der vor<br />
Ausländern.<br />
Traditionell groß ist auch die<br />
Spannungen<br />
durch Zuzug von<br />
Ausländern<br />
Gefährlichere<br />
Welt durch<br />
Trump-Politik<br />
39 %<br />
2019<br />
Sorge, dass die Politiker von<br />
ihren Aufgaben überfordert<br />
sind.Mitaktuell47 Prozentsteht<br />
sie in diesem Jahr auf Platz vier<br />
und damit auf Augenhöhe mit<br />
Terror und Extremismus: Gewalttätige<br />
Ausschreitungen militanter<br />
Extremisten fürchtet<br />
immerhinnoch jeder zweite Befragte.<br />
Am meisten ängstigt die Befragten<br />
der als extrem gewaltsam<br />
eingestufte islamische Extremismus<br />
(38 Prozent). Als erheblich<br />
geringer gilt die Bedrohung<br />
durch den Rechtsextremismus<br />
(25 Prozent).Fast unbekümmert<br />
scheinen die Befragten<br />
den Linksextremismus zu<br />
bewerten (4 Prozent).<br />
Neu in der Top-10-Liste platziert<br />
ist die Furcht vor hohen<br />
Mieten: In Zeiten explodierender<br />
Immobilienpreise und Mieten<br />
sagte fast jeder zweite Bürger<br />
(45 Prozent), er sorge sich,<br />
dass Wohnen in Deutschland<br />
unbezahlbar wird. Ebenso gefürchtet<br />
ist die eigene Pflegebedürftigkeit<br />
im Alter. Deutlich<br />
weniger Sorgen machen sich die<br />
Deutschenhingegenum ihre Gesundheit.<br />
Nur etwa jeder Dritte<br />
(35 Prozent, Platz 15) hat Angst<br />
davor, schwerzuerkranken.<br />
Der langjährige Platz eins der<br />
1990er- und 2000er-Jahre hat<br />
dagegen seit 2011 stark anBedeutung<br />
verloren: Vor steigenden<br />
Lebenshaltungskosten<br />
fürchten sich nur noch 43 Prozent<br />
der Deutschen.<br />
Vergleichsweise weit hinten<br />
platziert, aber doch von 41 Prozent<br />
der Befragten geteilt ist derweil<br />
die Angst davor, dass der<br />
Klimawandel dramatische Folgen<br />
fürdie Menschheit hat.<br />
Einen Krieg mit deutscher Beteiligung<br />
fürchtet noch etwa jeder<br />
vierte Deutsche (24 Prozent,<br />
Vorjahr: 35 Prozent) –sowenige<br />
wie nie zuvor seit Erhebungder<br />
Umfrage. Für die Studie wurden<br />
rund 2400 Männer und Frauen<br />
im Alter ab 14 Jahre befragt.