Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
SEITE13<br />
BERLINER KURIER, Sonntag, 13. Oktober 2019<br />
Torsten Hartung<br />
steht am Torder<br />
Strafanstalt Tegel,<br />
wo er wegen<br />
Mordes einsaß.<br />
Fotos: adeo-verlag/zvg(8), Rolf Kremming (3)<br />
deckerlehre, er war glücklich.<br />
Doch er konnte seine<br />
Aggressionen nicht zügeln.<br />
Erbekam zehn Monate ohne<br />
Bewährung wegen Körperverletzung,<br />
kurz darauf dreizehn<br />
Monate wegen Körperverletzung<br />
und Raub. Anke<br />
trennte sich von ihm. „Ich<br />
war maßlos enttäuscht“, sagt<br />
er, „und das Tier in mir<br />
schwor Rache.“<br />
Neun Jahre später traf er<br />
Anke wieder. Sie war geschieden<br />
und hatte zwei<br />
Kinder. Und da nahm er Rache:<br />
„Ich spielte ihr Liebe<br />
vor, nur um mein verletztes<br />
Ego zu befriedigen. Ich habe<br />
sie sogar meinen Kumpels<br />
zum Sex angeboten.“<br />
Ich bin sprachlos. Und frage<br />
mich, was da noch kommt.<br />
Nachdem Anke ihn verlassen<br />
hatte, lernte Hartung<br />
Antje kennen. Sie war ein<br />
schmales, blondes Mädchen.<br />
Im September 1983 zog das<br />
Paar nach Chemnitz. Alles<br />
war so, wie er es sich erträumt<br />
hatte. Fast alles. Er<br />
betrog sie. „Für mich galt<br />
nur: Ich sehe eine, die ist<br />
hübsch, die greife ich mir.“<br />
Heute wisse er, dass er all<br />
diese Frauen nur benutzte.<br />
„Es war meine persönliche<br />
Rache an meiner Mutter.“<br />
Antje blieb bei ihm, sie<br />
wollte mit ihm in den Westen.<br />
Beide stellten einen Ausreiseantrag.<br />
Ihrer wurde bewilligt,<br />
seiner abgelehnt.<br />
„Ich schrieb Bundeskanzler<br />
Kohl einen Brief, und Antje<br />
trennte sich pro forma von<br />
mir, denn wir wussten, die<br />
Stasi hatte uns im Auge.“<br />
Eines Nachts zog er mit<br />
Seitenschneider und Taschenlampe<br />
los und ließ sich<br />
hinter dem ersten Grenzzaun<br />
schnappen. Er wollte<br />
sich verhaften und vom<br />
Westen freikaufen lassen.<br />
Sein Plan ging auf.<br />
Nach achtzehn Monaten<br />
Haft, im März 1988, wurde<br />
Hartung in den Westen abgeschoben.<br />
Ein paar Monate<br />
später zog er mit Antje in eine<br />
gemeinsame Wohnung.<br />
Doch dann lief es wieder<br />
nicht wie erhofft. Er packte<br />
die Meisterschule nicht, und<br />
übrig blieben 14000 Mark<br />
Schulden bei seinem Chef.<br />
Mit seiner eigenen Firma<br />
ging er pleite. Und Antje<br />
trennte sich von ihm, er hatte<br />
sie zu oft betrogen.<br />
Er schaut mich lange an,<br />
schiebt die Flasche Bier zur<br />
Seite und stützt seine Arme<br />
auf den Tisch. „Hinter mir<br />
lagen nur Ruinen und ich<br />
war emotionales Ödland“,<br />
sagt er. „Ich bin ganz bewusst<br />
ein Krimineller geworden.“<br />
Er habe sich damals<br />
„für das Böse“ entschieden,<br />
„einen Pakt mit dem<br />
Teufel“ geschlossen und<br />
dem versprochen: „Achtzehn<br />
Monate will ich leben<br />
wie ein König, dann kannst<br />
du mich haben.“<br />
Mit alten Kumpels aus dem<br />
Knast drehte Hartung ein<br />
paar Dinger. Eines Tages<br />
lernte er den „Paten von Riga“<br />
kennen. „Ein bisschen<br />
Small Talk, ein gegenseitiges<br />
Abklopfen, dann die Frage:<br />
Könnt ihr Autos besorgen?<br />
Aber Nobelkarossen. Ruft<br />
an, wenn ihr liefern könnt.“<br />
Doch bevor er sich auf den<br />
Deal mit dem Paten einließ,<br />
wollte Hartung eine solide<br />
Grundlage schaffen. Und die<br />
hieß: Geld, möglichst viel. Er<br />
hatte gehört, dass polnische<br />
Autohändler mit viel Bargeld<br />
nach Deutschland kamen,<br />
um Gebrauchtwagen<br />
zu kaufen. Er besorgte Polizeiuniformen,<br />
Leuchtkellen,<br />
Gaspistolen und bastelte<br />
mithilfe eines Kinderstempelkastens<br />
Polizeiausweise.<br />
„Gleich der erste Einsatz<br />
war ein Volltreffer“, erzählt<br />
Claudia und Torsten sind seit<br />
zwölf Jahren ein Paar.<br />
Hartung. Mit einem dunklen<br />
BMW und Blaulicht stoppten<br />
sie auf der A12 einen<br />
Kleinbus mit Anhänger.<br />
„Wir erklärten den verängstigten<br />
Polen, es hätte einen<br />
Überfall gegeben und es sei<br />
Geld geraubt worden. Wir<br />
müssten ihre Banknoten mit<br />
den Nummern der gestohlenen<br />
Scheine vergleichen.“<br />
Dann hieß es: Beine spreizen,<br />
Hände aufs Autodach!<br />
Hartung tastete alle ab und<br />
„sicherte“ Geldscheine. Anschließend<br />
stellte er „Quittungen“<br />
mit dem Stempel<br />
„Polizeidirektion Berlin“<br />
aus. „Wir haben in drei Monaten<br />
100000 Mark gemacht.“<br />
Es ist inzwischen 15 Uhr.<br />
Torsten Hartungs Ehefrau<br />
Claudia bringt neue Getränke.<br />
Er erzählt weiter: „Es ist<br />
völlig egal, ob du einen<br />
Waschmittelkonzern oder<br />
ein Verbrechersyndikat leitest.<br />
Die Fähigkeiten, die du<br />
Bitte umblättern