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STAHL + TECHNIK 11 2019 Leseprobe

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30 | STATEMENT<br />

Eisenerzpellets werden im Hamburger<br />

Werk mit aus Erdgas gewonnenem<br />

Wasserstoff zu Eisenschwamm reduziert<br />

(Foto: ArcelorMittal)<br />

wir dabei zunächst durch Druckwechseladsorption<br />

(DWA) aus dem Restgas<br />

unserer DRI-Bestandsanlage. Dieser<br />

Wasserstoff hat eine Reinheit von über<br />

95 %. Da er noch aus Erdgas stammt,<br />

bezeichnen wir ihn als „grauen Wasserstoff“<br />

und erproben damit den Betrieb<br />

der Anlage. Bei der Nutzung von Wasserstoff<br />

als Reduktionsmittel bleibt als<br />

Nebenprodukt nur noch Wasserdampf,<br />

es werden keine Kohlendioxidemissionen<br />

freigesetzt.<br />

Initiative H 2 H<br />

Mit der „Initiative H 2 H“ testet Arcelor-<br />

Mittal die Produktionsabläufe in einem<br />

industriellen Umfang, um die Prozesse mit<br />

Wasserstoff marktreif zu machen. Dabei<br />

gibt es viel zu tun: Der genaue Aufbau der<br />

Anlage und der Wirkungsgrad müssen<br />

getestet werden. Ebenso, ob die Umstellung<br />

Auswirkungen auf die Qualität des<br />

Eisenschwamms hat und ob es zu Veränderungen<br />

beim Einschmelzverhalten des<br />

Eisenschwammes kommt. Das Element<br />

Wasserstoff hat andere chemische Eigenschaften<br />

als Erdgas, die bei der Umsetzung<br />

berücksichtigt werden müssen. Die<br />

Pläne sind in der Theorie ausgereift und<br />

werden jetzt dem Praxistest unterzogen,<br />

um die neuen Verfahren auszureifen und<br />

marktfähig zu machen.<br />

Betriebswirtschaftlich rentabel ist der<br />

Einsatz von grünem Wasserstoff in der<br />

Stahlherstellung momentan allerdings<br />

noch nicht. Nachhaltig erzeugter Wasserstoff<br />

ist derzeit nicht in größeren Mengen<br />

verfügbar, auch wenn seine Bedeutung in<br />

vielen Branchen und für Projekte im industriellen<br />

Maßstab stark gestiegen ist. Das<br />

Bundeswirtschaftsministerium setzt sich<br />

ebenfalls für die Nutzung und Erforschung<br />

von Wasserstofftechnologien ein und<br />

sieht hier viel Potenzial für die Einhaltung<br />

der Klimaziele. Doch noch ist grüner Wasserstoff<br />

nicht in ausreichender Menge verfügbar.<br />

Daher nutzen wir momentan den<br />

grauen Wasserstoff, dessen Kohlendioxidbilanz<br />

nicht so günstig ausfällt wie bei grünem<br />

Wasserstoff, der mit Strom aus<br />

erneuerbarer Energie per Elektrolyse<br />

erzeugt wird. Die Herstellung von ausreichend<br />

Wasserstoff aus regenerativen<br />

Energien wird noch seine Zeit brauchen.<br />

Kann der graue Wasserstoff durch grünen<br />

ersetzt werden, wird es in Zukunft aber<br />

möglich sein, Stahl fast emissionsfrei zu<br />

produzieren. Voraussetzung dafür ist<br />

jedoch, dass ausreichend grüner Wasserstoff<br />

zu wettbewerbsfähigen Preisen zur<br />

Verfügung steht.<br />

Dieser grüne Wasserstoff könnte mit<br />

Offshore-Windkraftanlagen an der Küste<br />

produziert werden. Die fünf Bundesländer<br />

Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein<br />

und Mecklenburg-Vorpommern<br />

bezeichneten sich selbst in ihrem<br />

Eckpunktepapier zu einer Norddeutschen<br />

Wasserstoffstrategie als „prädestinierte<br />

Region“. Die regenerative Energie könnte<br />

noch in Küstennähe per Elektrolyse in Wasserstoff<br />

umgewandelt und so einfacher<br />

weitertransportiert werden. Dies wäre<br />

jedoch ein Projekt größeren Ausmaßes.<br />

Die Stahlproduktion ist energieintensiv.<br />

Eine Umstellung auf Wasserstoff reduziert<br />

zwar die Emissionen deutlich, nicht jedoch<br />

den grundsätzlichen Energiebedarf. Der<br />

Strom für die Elektrolyse kommt sogar<br />

noch hinzu. Damit dieser Strom zuverlässig<br />

mit Windkraft erzeugt werden kann,<br />

bräuchte ArcelorMittal Hamburg rund 175<br />

große Windräder mit einer Leistung von<br />

850 MW. Der Elektrolichtbogenofen benötigt<br />

zusätzlich in etwa die gleiche Menge<br />

Energie wie die Stadt Kiel. So wird deutlich,<br />

wie entscheidend die Strompreise bei<br />

dieser Frage sind.<br />

Neben den fehlenden Windkraftanlagen<br />

sind auch die Strom- und insbesondere die<br />

Wasserstoffinfrastruktur noch nicht auf<br />

einem Niveau, mit welchem die Stahlindustrie<br />

konsequent auf nachhaltig erzeugte<br />

Energie umstellen könnte. Dies sind nur<br />

einige Beispiele für die vielen Fragen und<br />

Herausforderungen, die bestehen bleiben.<br />

Forschung ist wichtig, um mit der Zeit zu<br />

gehen und zukunftsfähige Herstellungsverfahren<br />

zu entwickeln. Die hohen Strompreise<br />

treiben die CO 2 -Vermeidungskosten<br />

jedoch so stark in die Höhe, dass modernere<br />

Verfahren betriebswirtschaftlich<br />

momentan nicht rentabel eingesetzt werden<br />

können. Hinzu kommen die hohen<br />

Investitionen in alternative Produktionsprozesse<br />

– das Volumen für die Demonstrationsanlage<br />

in Hamburg liegt bei 65 Mio. €.<br />

Diese Mehrfachbelastungen in Kombination<br />

mit immer strengeren Auflagen, wie<br />

den aktuellen Beschlüssen des Klimakabinetts<br />

zum europäischen Emissionsrechtehandel,<br />

setzen die Unternehmen in der<br />

Stahlindustrie zusätzlich unter Druck.<br />

Die Transformation innerhalb der Stahlindustrie<br />

ist theoretisch möglich. Wie sie<br />

sich in der Realität gestalten wird, definieren<br />

nicht zuletzt die politischen Rahmenbedingungen.<br />

Wenn Sektorenkopplung<br />

und der Ausbau der erneuerbaren Energien<br />

nicht gleichermaßen aktiv angegangen und<br />

umgesetzt werden, muss die Branche hinter<br />

ihren Möglichkeiten zurückbleiben.<br />

ArcelorMittal arbeitet fortlaufend daran,<br />

nachhaltiger zu produzieren und investiert<br />

viel in moderne Anlagen, Verfahren und die<br />

Forschung daran. Fehlende politische<br />

Unterstützung kann die Handlungsmöglichkeiten<br />

für Unternehmen in diesem Bereich<br />

einschränken. Dies wäre auch dem Ideenwettbewerb<br />

„Reallabore der Energiewende“<br />

des Bundeswirtschaftsministeriums<br />

nicht zuträglich, der ein Mehr an Forschung<br />

und Investitionen erreichen will. Es wäre<br />

sehr zu bedauern, wenn der Elan und die<br />

Initiativen der Industrie ausgebremst würden.<br />

ArcelorMittal ist entschlossen, seinen<br />

Beitrag zur Umsetzung des internationalen<br />

Klimaabkommens zu leisten. Mit einer soliden<br />

Wasserstoffinfrastruktur und bezahlbarem<br />

regenerativ erzeugten Strom ist eine<br />

grünere Zukunft nur eine Frage der Zeit.<br />

Arcelor Mittal Hamburg geht mit dem Bau<br />

der Demonstrationsanlage für Stahl mit<br />

Wasserstoff voran. Doch die Ziele der<br />

Pariser Klimaschutzkonferenz einzuhalten,<br />

ist eine Gemeinschaftsaufgabe, zu der alle<br />

Akteure ihren Beitrag leisten müssen.<br />

<strong>STAHL</strong> + <strong>TECHNIK</strong> 1 (<strong>2019</strong>) Nr. <strong>11</strong>

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