Loccumer Pelikan 4/2019
Mensch und Tier
Mensch und Tier
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
46 praktisch<br />
Im Schulzoo der<br />
SLS gibt es drei<br />
Hunde, Kaninchen,<br />
Meerschweinchen,<br />
Wüstenrennmäuse,<br />
Hühner und ein Pony.<br />
© Veronika Kuntz<br />
durch das Leben mit der Natur und den Tieren<br />
erlebt, wird er geläutert und schließlich zur<br />
Belohnung wieder zurückverwandelt. Diese<br />
märchenhafte Erzählung ist reine Fiktion, doch<br />
beinhaltet sie nicht auch reale pädagogisch relevante<br />
Ansätze?<br />
Dass Tiere bei der Entwicklung von Kindern<br />
und Jugendlichen einen positiven Einfluss haben<br />
können, zeigen viele Untersuchungen 2 und ist<br />
etwas, das wir jeden Tag an unserer Schule erfahren<br />
dürfen.<br />
Die SLS verfügt über den Primarbereich<br />
und die Sekundarbereiche I und II, außerdem<br />
werden auch Schüler*innen inklusiv an Regelschulen<br />
von uns beschult. Ca. einhundert<br />
Schüler*innen besuchen von der ersten bis zur<br />
zwölften Klasse unsere Schule. Die Schülerschaft<br />
ist in vielerlei Hinsicht heterogen, viele<br />
Kinder haben einen Migrationshintergrund. Der<br />
Grad der Beeinträchtigung ist sehr unterschiedlich<br />
und reicht von der schwersten mehrfachen<br />
Behinderung bis zu leichteren Entwicklungsverzögerungen.<br />
Große kulturelle, religiöse und soziale<br />
Vielfalt zeichnet unsere Schule aus.<br />
Einen Beitrag zur gelingenden Integration<br />
leistet unseres Erachtens auch die Tiergestützte<br />
Pädagogik (TGP). Sie existiert an unserer<br />
Schule seit fast 20 Jahren und entwickelte<br />
sich über die Jahre stetig weiter. Begann sie damals<br />
mit der Einrichtung eines kleinen Schulzoos<br />
mit Kaninchen, Meerschweinchen und Fischen,<br />
so umfasst sie heute die Arbeit mit drei<br />
Hunden, Kaninchen, Meerschweinchen, Wüstenrennmäusen,<br />
Hühnern und einem Pony. In<br />
der Vielfalt der Tiere sehen wir zum einen die<br />
2<br />
Vgl. z.B. Beetz et al., 24 ff.<br />
Möglichkeit, dass die Schüler*innen die Tierart<br />
und das individuelle Tier auswählen, mit dem sie<br />
gern ihre Zeit verbringen und so die Förderung<br />
erhalten, die auf ihre individuellen Bedürfnisse<br />
zugeschnitten ist. Denn jedes Tier spricht die<br />
Kinder anders an. Zum anderen ergibt sich die<br />
Chance, verschiedene Bedürfnisse, Individuen<br />
und Interessen der Tiere kennen zu lernen, sich<br />
darauf einzustellen und zu beachten – ganz so<br />
wie die Schüler*innen dies bei Menschen auch<br />
tun müssen und selbst erleben wollen.<br />
Die Schüler*innen lassen sich im Umgang<br />
mit den Tieren besonders gut motivieren und<br />
arbeiten ausdauernder mit. Sie trauen sich mehr<br />
zu und probieren mehr aus. Diese Motivation<br />
mit und für die Tiere zu arbeiten geht so weit,<br />
dass ein Thema auch behandelt werden kann,<br />
wenn ein Tier nicht permanent anwesend ist,<br />
sondern etwas für die Tiere gestaltet wird, während<br />
die Tiere sich woanders aufhalten. Dies<br />
wurde z. B. deutlich, als wir in Naturwissenschaften<br />
im Bereich „Botanik“ 3 Pflanzen bestimmen<br />
wollten. Wir recherchierten, welche<br />
Pflanzen von Kaninchen gefressen werden dürfen,<br />
wie diese Pflanzen aussehen, suchten sie in<br />
der Umgebung der Schule und bestimmten sie.<br />
Wir kennzeichneten die Pflanzen mit einem Kaninchenbild,<br />
brachten versuchsweise Kostproben<br />
mit und beobachteten, ob die Kaninchen<br />
diese fraßen. Zudem gestalteten wir ein Herbarium<br />
für die Pflanzen, welche die Kleintiere fressen<br />
dürfen. Auch hier wurde die große Heterogenität<br />
der Schülerschaft deutlich: Während<br />
manche nicht gegenständlich und sehr großflächig<br />
den Hintergrund anmalten, verzierten andere<br />
detailliert ihr Blatt und beschrifteten es.<br />
Anwesend waren die Kaninchen lediglich zu Beginn<br />
der Einheit, wie immer voller Appetit, und<br />
zum Ende der Einheit – begeistert fressend. Die<br />
Schüler*innen wollten unbedingt die richtigen<br />
Pflanzen für die Kaninchen finden. Daher erarbeiteten<br />
sie den Aufbau von Bäumen und Büschen,<br />
verschiedene Blattformen und Rindenbeschaffenheit<br />
mit einer Ausdauer und Akribie,<br />
die wir sonst selten erleben.<br />
Die Ziele der tiergestützten Förderung können,<br />
wie das Beispiel zeigt, entsprechend dem<br />
Kerncurriculum den inhaltsbezogenen Kompetenzbereichen<br />
einzelner Fächer zugeordnet<br />
werden, gehören jedoch bei unserem Konzept<br />
schwerpunktmäßig dem Bereich der Personalen<br />
Bildung des Kerncurriculums für den Förderschwerpunkt<br />
geistige Entwicklung an. Dieser<br />
umfasst Kompetenzen in den Bereichen Identi-<br />
3<br />
Vgl. Kerncurriculum für den Förderschwerpunkt geistige<br />
Entwicklung, 99.<br />
<strong>Loccumer</strong> <strong>Pelikan</strong> | 4/ <strong>2019</strong>