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Loccumer Pelikan 4/2019

Mensch und Tier

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46 praktisch<br />

Im Schulzoo der<br />

SLS gibt es drei<br />

Hunde, Kaninchen,<br />

Meerschweinchen,<br />

Wüstenrennmäuse,<br />

Hühner und ein Pony.<br />

© Veronika Kuntz<br />

durch das Leben mit der Natur und den Tieren<br />

erlebt, wird er geläutert und schließlich zur<br />

Belohnung wieder zurückverwandelt. Diese<br />

märchenhafte Erzählung ist reine Fiktion, doch<br />

beinhaltet sie nicht auch reale pädagogisch relevante<br />

Ansätze?<br />

Dass Tiere bei der Entwicklung von Kindern<br />

und Jugendlichen einen positiven Einfluss haben<br />

können, zeigen viele Untersuchungen 2 und ist<br />

etwas, das wir jeden Tag an unserer Schule erfahren<br />

dürfen.<br />

Die SLS verfügt über den Primarbereich<br />

und die Sekundarbereiche I und II, außerdem<br />

werden auch Schüler*innen inklusiv an Regelschulen<br />

von uns beschult. Ca. einhundert<br />

Schüler*innen besuchen von der ersten bis zur<br />

zwölften Klasse unsere Schule. Die Schülerschaft<br />

ist in vielerlei Hinsicht heterogen, viele<br />

Kinder haben einen Migrationshintergrund. Der<br />

Grad der Beeinträchtigung ist sehr unterschiedlich<br />

und reicht von der schwersten mehrfachen<br />

Behinderung bis zu leichteren Entwicklungsverzögerungen.<br />

Große kulturelle, religiöse und soziale<br />

Vielfalt zeichnet unsere Schule aus.<br />

Einen Beitrag zur gelingenden Integration<br />

leistet unseres Erachtens auch die Tiergestützte<br />

Pädagogik (TGP). Sie existiert an unserer<br />

Schule seit fast 20 Jahren und entwickelte<br />

sich über die Jahre stetig weiter. Begann sie damals<br />

mit der Einrichtung eines kleinen Schulzoos<br />

mit Kaninchen, Meerschweinchen und Fischen,<br />

so umfasst sie heute die Arbeit mit drei<br />

Hunden, Kaninchen, Meerschweinchen, Wüstenrennmäusen,<br />

Hühnern und einem Pony. In<br />

der Vielfalt der Tiere sehen wir zum einen die<br />

2<br />

Vgl. z.B. Beetz et al., 24 ff.<br />

Möglichkeit, dass die Schüler*innen die Tierart<br />

und das individuelle Tier auswählen, mit dem sie<br />

gern ihre Zeit verbringen und so die Förderung<br />

erhalten, die auf ihre individuellen Bedürfnisse<br />

zugeschnitten ist. Denn jedes Tier spricht die<br />

Kinder anders an. Zum anderen ergibt sich die<br />

Chance, verschiedene Bedürfnisse, Individuen<br />

und Interessen der Tiere kennen zu lernen, sich<br />

darauf einzustellen und zu beachten – ganz so<br />

wie die Schüler*innen dies bei Menschen auch<br />

tun müssen und selbst erleben wollen.<br />

Die Schüler*innen lassen sich im Umgang<br />

mit den Tieren besonders gut motivieren und<br />

arbeiten ausdauernder mit. Sie trauen sich mehr<br />

zu und probieren mehr aus. Diese Motivation<br />

mit und für die Tiere zu arbeiten geht so weit,<br />

dass ein Thema auch behandelt werden kann,<br />

wenn ein Tier nicht permanent anwesend ist,<br />

sondern etwas für die Tiere gestaltet wird, während<br />

die Tiere sich woanders aufhalten. Dies<br />

wurde z. B. deutlich, als wir in Naturwissenschaften<br />

im Bereich „Botanik“ 3 Pflanzen bestimmen<br />

wollten. Wir recherchierten, welche<br />

Pflanzen von Kaninchen gefressen werden dürfen,<br />

wie diese Pflanzen aussehen, suchten sie in<br />

der Umgebung der Schule und bestimmten sie.<br />

Wir kennzeichneten die Pflanzen mit einem Kaninchenbild,<br />

brachten versuchsweise Kostproben<br />

mit und beobachteten, ob die Kaninchen<br />

diese fraßen. Zudem gestalteten wir ein Herbarium<br />

für die Pflanzen, welche die Kleintiere fressen<br />

dürfen. Auch hier wurde die große Heterogenität<br />

der Schülerschaft deutlich: Während<br />

manche nicht gegenständlich und sehr großflächig<br />

den Hintergrund anmalten, verzierten andere<br />

detailliert ihr Blatt und beschrifteten es.<br />

Anwesend waren die Kaninchen lediglich zu Beginn<br />

der Einheit, wie immer voller Appetit, und<br />

zum Ende der Einheit – begeistert fressend. Die<br />

Schüler*innen wollten unbedingt die richtigen<br />

Pflanzen für die Kaninchen finden. Daher erarbeiteten<br />

sie den Aufbau von Bäumen und Büschen,<br />

verschiedene Blattformen und Rindenbeschaffenheit<br />

mit einer Ausdauer und Akribie,<br />

die wir sonst selten erleben.<br />

Die Ziele der tiergestützten Förderung können,<br />

wie das Beispiel zeigt, entsprechend dem<br />

Kerncurriculum den inhaltsbezogenen Kompetenzbereichen<br />

einzelner Fächer zugeordnet<br />

werden, gehören jedoch bei unserem Konzept<br />

schwerpunktmäßig dem Bereich der Personalen<br />

Bildung des Kerncurriculums für den Förderschwerpunkt<br />

geistige Entwicklung an. Dieser<br />

umfasst Kompetenzen in den Bereichen Identi-<br />

3<br />

Vgl. Kerncurriculum für den Förderschwerpunkt geistige<br />

Entwicklung, 99.<br />

<strong>Loccumer</strong> <strong>Pelikan</strong> | 4/ <strong>2019</strong>

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