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Bilder:visitBerlin, Foto:DagmarSchwelle; visitBerlin; Foto:Günter Steffen; BBU<br />
Eine offene Atmosphäre, in der jeder nach<br />
seiner Façon leben kann, macht Berlin zum<br />
beliebten Reiseziel. Dass müsse so bleiben, um<br />
die Stadt für Besucher wie Einwohner weiterhin<br />
lebenswert zu machen, sagt BBU-ChefinKern.<br />
IM GESPRÄCH MIT<br />
MAREN KERN<br />
Maren Kern istChefin desVerbandesBerlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU), desgrößten und ältestenwohnungswirtschaftliche<br />
Verbandesder Hauptstadtregion.<br />
Berlinist eines der Top-Reiseziele in Europa. Wie<br />
sollsichdie Stadtentwickeln,damitsie attraktiv für<br />
Gästeund lebenswert fürdie Einwohnerbleibt?<br />
Am wichtigsten ist eine offene Atmosphäre,<br />
glaube ich. Die Menschen müssen sich hier<br />
weiterhin willkommen fühlen. Im Auge zu<br />
behalten ist die Infrastruktur. Interessant<br />
fände ich, wenn es auch beim Tourismus eine<br />
engere Kooperation zwischen Berlin und<br />
Brandenburg gäbe, weil man ja geschichtlich<br />
sehr eng miteinander verzahnt ist.<br />
Wasschätzen Sie an unserer Stadt?<br />
Dass hier alle nach ihrer Façon leben können.<br />
<strong>Berliner</strong>findet sich ein Stück weit immer<br />
wieder neu. Im Zuge ihrer sehr wechselvollen<br />
Geschichte hat die Stadt oft Unglaubliches<br />
geleistet –wie das Zusammenwachsen<br />
in den letzten 30 Jahren. Deshalb bin ich<br />
überzeugt, dass wir ihr derzeitiges Wachstum<br />
bewältigen können, mit allem was dazugehört<br />
–mehr Wohnungen, mehr und bessere<br />
Infrastruktur,eine stärkere Verwaltung.<br />
Maren Kern<br />
Berlin wird im Jahr 2030 voraussichtlich 430.000<br />
Einwohner mehr haben als noch im Jahr 2010.Wie<br />
reagieren die Wohnungsunternehmen darauf?<br />
Ganz klar: mit Neubau. Unsere Mitgliedsunternehmen<br />
wollen in den nächsten fünf<br />
Jahren rund 45.000 neue Mietwohnungen<br />
bauen, ein Zuhause für mehr als 100.000<br />
Menschen. Allerdings stammen diese Planungen<br />
aus der Zeit, als noch nicht über einen<br />
„<strong>Berliner</strong> Mietendeckel“ nach-gedacht<br />
wurde. Wir nehmen an, dass der die Investitionsmöglichkeiten<br />
unserer Mitglieder um<br />
eine Milliarde Euro pro Jahr verringern würde.<br />
Das wären fast 6.200 neue Wohnungen<br />
pro Jahr.<br />
Bleiben die Mieten für Ur-<strong>Berliner</strong> und Hinzugezogene<br />
mit geringerem Einkommen bezahlbar?<br />
Berlin ist zum Glück eine der günstigsten<br />
Metropolen in Deutschland und Europa.<br />
Die Mieten sind mit durchschnittlich 6,72<br />
Euro laut Mietspiegel vom Mai 2019 nicht<br />
nur deutlich niedriger als in Hamburg,<br />
München oder Köln, sondern auch als in<br />
Freiburg oder Heidelberg. Bei unseren Unternehmen<br />
–sie stehen mit ihren 715.000<br />
Wohnungen für 43 Prozent des <strong>Berliner</strong><br />
Mietwohnungs-bestandes – liegen die<br />
Durchschnittsmieten mit 6,15 Euro sogar<br />
ein ganzes Stück unter dem Durchschnitt.<br />
Weil nicht genug neu gebaut wird, können<br />
schwarze Schafe die Lage ausnutzen,umbei<br />
neuen Verträgen abstruse Mieten zu verlangen.<br />
Hier muss die Mietpreisbremse durchgesetzt<br />
werden.<br />
Welche Rolle spielen die Genossenschaften?<br />
Berlin ist mit seiner mehr als 130 Jahre zurückreichenden<br />
Genossenschaftstradition<br />
und seinem Bestand von rund 200.000 Genossenschaftswohnungen<br />
so etwas wie die<br />
„Genossenschaftshauptstadt“. Wir haben<br />
einige der ältesten und auch der größten<br />
Genossenschaften in Deutsch-land. Seit jeher<br />
leisten sie einen ganz wichtigen Beitrag<br />
zur Wohnraumversorgung breiter Bevölkerungsschichten<br />
– mit Bestandsmieten von<br />
5,60 im Durchschnitt. Die Politik müsste<br />
viel mehr dafür tun, damit auch sie deutlich<br />
mehr bauen können. Derzeit sind es rund<br />
600 Wohnungen pro Jahr,bauen würden sie<br />
gerne 2.000. Das geht nur mit entsprechenden<br />
Rahmenbedingungen –womit wir wieder<br />
beim „Mietendeckel“ wären. Außerdem<br />
brauchen sie mehr bezahlbares Bauland.<br />
Wie schätzen Sie die Entwicklung auf dem Immobiliensektor<br />
in denkommenden Jahren ein?<br />
Das ist im Moment kaum vorherzusagen.<br />
Da sind nicht nur der Mietendeckel, sondern<br />
auch die Enteignungsdiskussion oder Forderungen,<br />
dass die Grundsteuer nicht mehr auf<br />
die Betriebskos-ten umgelegt werden soll. Das<br />
würde zuLasten nicht nur des Neubaus, sondern<br />
auch beispiels-weise des Klimaschutzes<br />
gehen. Das kann nicht Ziel der Politik sein.<br />
DasInterview führte Angelika Giorgis