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entlang der ehemaligen Grenze.<br />
Oben auf dem Brocken angekommen<br />
schaut Schmidt zuerst<br />
in die Richtung seiner Heimatstadt<br />
Wernigerode. Diesen<br />
Blick liebt er besonders. „Die<br />
Wolkenbildung ist heute sehr<br />
schön“, sagt er.<br />
Auf dem Berggipfel gibt es immer<br />
eine Sache, die er erledigt.<br />
Zielstrebig läuft er zum „Brockenwirt“,<br />
einem Restaurant,<br />
was ihm nur bedingt gelingt,<br />
weil er erneut zu häufig angehalten<br />
wird. Die Wanderer auf<br />
dem Gipfel erkennen den berühmten<br />
Rekordhalter, der es<br />
dreimal ins Guinnessbuch<br />
schaffte, und wollen ein Foto<br />
mit ihm.<br />
In der Gaststätte geht er zur<br />
Theke, um sich seinen Stempel<br />
für seinen 249. Brocken-Pass,<br />
in dem Platz für 36 Stempel ist,<br />
abzuholen. Jetzt hat er den<br />
Nachweis für seine 8804. Besteigung<br />
des Berges. Jeder Gipfelstürmer<br />
kann sich seit 1990<br />
den Aufstieg in dem Lokal abstempeln<br />
lassen.<br />
Vielleicht war der Brocken-<br />
Pass ein Grund für seine Bergsucht.<br />
„Wenn man so eine Karte<br />
hat, möchte man sie vollkriegen“,<br />
sagt er. Damals startete<br />
Schon oft stand<br />
Benno Schmidt<br />
hier oben, und<br />
immer wieder<br />
ist es anders.<br />
Durchschnittlich<br />
300 Tage im Jahr<br />
wanderterauf<br />
den Brocken.<br />
ein kleiner<br />
Wettstreit unter den Wanderern.<br />
Irgendwann gab es den<br />
Klub der Hunderter: Menschen,<br />
die schon mehr als 100-<br />
mal auf dem Berg waren.<br />
Ein Mann aus dem West-Harz<br />
war besonders eifrig. In einem<br />
TV-Beitrag beschrieb er sich als<br />
Brocken-König. „Während der<br />
Wessi schon oben ist, keucht<br />
der Ossi noch unten“, zitiert<br />
Benno Schmidt aus dem TV-<br />
Beitrag. Das habe ihn geärgert.<br />
Fortan nutzte er jede Gelegenheit,<br />
um auf den Brocken zu<br />
wandern. „Schaffte ich es an einem<br />
Tag mal nicht auf den<br />
Berg, bin ich am nächsten Tag<br />
zwei- oder dreimal gelaufen,<br />
erzählt Schmidt. Eines Tages<br />
änderte der Brockenwirt die<br />
Regeln, so gab es pro Tag nur<br />
noch einen Stempel.<br />
Durchschnittlich 300 Tage im<br />
Jahr verbringt Schmidt auf<br />
dem Brocken. Damit hat er alle<br />
Wettstreiter hinter sich gelassen.<br />
Der Brocken ist für ihn zur<br />
Berufung geworden. Er ist<br />
Wanderführer, als Umweltschützer<br />
für den Nationalpark<br />
Harz aktiv, er erhielt die Ehrennadel<br />
und den Landesverdienstorden<br />
des Landes Sachsen-Anhalt.<br />
Sogar der Extrembergsteiger<br />
Reinhold Messner<br />
schrieb in seinem Buch über die<br />
Begegnung mit dem Harzer.<br />
Auf seinen Wandertouren hat<br />
Brocken-Benno schon vieles erlebt.<br />
Ein Pfarrer habe ihm mal<br />
Gottes Segen erteilt, Bands sangen<br />
mitten im Wald Ständchen<br />
für ihn, ein Blinder und eine Japanerin,<br />
die kein Wort Deutsch<br />
sprach, kauften sein Buch.<br />
Wünsche erfüllt er auch: „Für<br />
eine Taufe in Nordhausen habe<br />
ich Brocken-Wasser mitgebracht.“<br />
Im hohen Alter wandert Brocken-Benno<br />
etwas langsamer,<br />
aber dennoch unermüdlich.<br />
Einzig eine Prostatakrebs-Erkrankung<br />
zwang ihn einst zu einer<br />
Pause. Sowie er sich erholt<br />
hatte, wanderte er weiter. „Solange<br />
ich laufen kann, will ich<br />
auf den Brocken. Am liebsten<br />
würde ich dort irgendwann<br />
einfach umfallen“, sagt er.<br />
Nächstes Ziel: Seinen 88. Geburtstag<br />
am 22. Mai möchte<br />
Benno Schmidt mit seinem<br />
8888. Aufstieg feiern. „Das ist<br />
ein Problem, weil es nicht mehr<br />
viele Aufstiege bis dahin wären.<br />
Ich muss jetzt kürzer treten.“<br />
Madlen Schäfer