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Berliner Zeitung 21.01.2020

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10 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 17 · D ienstag, 21. Januar 2020<br />

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Berlin<br />

Am 31. Oktober 2020 soll der Flughafen Berlin Brandenburg,kurz BER, ans Netz gehen. Doch mit einer Anfangskapazität von 22 Millionen bis 24 Millionen Passagieren pro Jahr gilt er als zu klein. Darum entsteht ein weiteres Terminal.<br />

BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />

BER-Nachbargemeinden scheitern vor Gericht<br />

Klage gegen Erweiterung des Flughafens abgewiesen. Ein anderes Verfahren, in dem es auch um den Weiterbetrieb Schönefelds geht, wird fortgesetzt<br />

VonPeter Neumann<br />

Die Verhandlung im Oberverwaltungsgericht<br />

Berlin-Brandenburg<br />

war<br />

nicht einmal zweieinhalb<br />

Stunden im Gange,dakündigte<br />

sich schon eine Niederlage an. „Es<br />

gibt ernste Zweifel an der Zulässigkeit<br />

der Klage der Gemeinden“, sagte<br />

Joachim Buchheister, der Vorsitzender<br />

Richter des Sechsten Senats,kurz<br />

nach 12 Uhr. Am Nachmittag verkündete<br />

er das Urteil: Die Klage, die<br />

Blankenfelde-Mahlow, Eichwalde,<br />

Großbeeren und Schulzendorf gegen<br />

die Erweiterung des Flughafens<br />

BER eingereicht haben, wurde abgewiesen.<br />

Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht<br />

wurde nicht zugelassen.<br />

Über eine weitereKlage zu<br />

dem Thema wirdweiter verhandelt.<br />

Der Rohbau des BER-Terminals<br />

T2 ist fertig, nun wirdamAusbau gearbeitet.<br />

Wenn alles gut geht, stehen<br />

in dem spartanisch wirkenden<br />

Zweckbau ab Ende Oktober 2020 voraussichtlich<br />

zwölf Check-in-Schalter<br />

zur Verfügung –dringend benötigte<br />

Zusatzkapazität für den BER.<br />

Eurowings, Norwegian und andere<br />

Billigflieger werden das Terminal<br />

nutzen. Doch die vier Anwohnergemeinden,<br />

die sich in der Schutzgemeinschaft<br />

Umlandgemeinden<br />

Flughafen Schönefeld zusammengeschlossen<br />

haben, und der Bürgerverein<br />

Brandenburg-Berlin (BVBB)<br />

bewerten den Baudes T2 kritisch.<br />

Sie sehen das Terminal, das dem<br />

BER Zusatzkapazität von sechs Millionen<br />

Passagierepro Jahr verschafft,<br />

im Zusammenhang mit dem geplanten<br />

weiteren Ausbau des neuen<br />

Schönefelder Flughafens. 2040 soll<br />

der BER jährlich 58 Millionen Fluggäste<br />

abfertigen können –sosieht es<br />

der Masterplan der Flughafengesellschaft<br />

FBB vor. Doch für diesen Plan,<br />

der auf T2 aufbaut, hätte es ein Planfeststellungsverfahren<br />

geben müssen,<br />

an dem auch die Gemeinden zu<br />

beteiligen wären, so die Gemeinden.<br />

Zudem habe es für das T2 keine Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

gegeben.<br />

Auch der Bürgerverein wehrt<br />

sich gegen die Salamitaktik der FBB.<br />

Verein muss nun allein kämpfen<br />

Wieberichtet haben die Gemeinden<br />

und der Verein gegen die 31. Änderung<br />

des BER-Planfeststellungsbeschlusses,der<br />

den Baudes Terminals<br />

ermöglicht, Klage eingereicht. „Zudem<br />

hat der BVBB bei der Kreisverwaltung<br />

Dahme-Spreewald gegen<br />

die Baugenehmigung Widerspruch<br />

eingelegt“, so Rechtsanwältin Franziska<br />

Heß, die den Bürgerverein vertritt,<br />

am Montag während des ersten<br />

Verhandlungstages im Oberverwaltungsgericht.<br />

Wenn die Klage ge-<br />

Zahl der Fluggäste<br />

an <strong>Berliner</strong> Flughäfen (Tegel und Schönefeld) in Millionen<br />

22,2<br />

2010<br />

23,9<br />

2011<br />

25,2 26,2<br />

2012<br />

2013<br />

27,9<br />

2014<br />

29,5<br />

32,8 33,3<br />

2015 2016 2017 2018 2019<br />

„Wir haben die Klage<br />

sehr ernst gemeint.<br />

Vondem Bau des Terminals T2<br />

sind die Gemeinden und<br />

ihre Bürger durchaus betroffen.“<br />

Michael Schwuchow (SPD),<br />

Bürgermeister der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow<br />

34,7 35,6<br />

BLZ/GALANTY<br />

wonnen wird, wäre auch die Baugenehmigung<br />

hinfällig –und das Terminal<br />

dürfte erst einmal nicht geöffnet<br />

werden. Bevoresans Netz gehen<br />

kann, wären Teile des Planänderungsverfahrens<br />

zu wiederholen.<br />

Seit dem am Montag ergangenen<br />

Zwischenurteil ist allerdings klar,<br />

dass der Verein seine Interessen im<br />

Oberverwaltungsgericht nun allein<br />

vertreten muss. Während der BVBB<br />

als anerkannte Umweltorganisation<br />

eine Klagebefugnis besitzt, wie das<br />

Gericht bestätigte, mussten die Gemeinden<br />

nachweisen, dass sie in ihrenRechten<br />

verletzt worden sind. So<br />

sehr sich die Rechtsanwälte Franz<br />

Günter Siebeck und Markus Hofmann<br />

anlässlich mehrere Nachfragen<br />

des Vorsitzenden Richters auch<br />

bemühten: Es gelang ihnen nicht.<br />

Er sehe nicht, dass die 31. Änderung<br />

des Planfeststellungsbeschlusses<br />

die Planungshoheit und dasWohnungseigentum<br />

der Kommunen beeinträchtigt,<br />

so Buchheister. Zwar<br />

könnte Fluglärm ein Negativfaktor<br />

sein. Doch beim Bau des Terminals<br />

T2 gehe es darum, dass der BER mehr<br />

Passagiere abfertigen kann. „Fluglärm<br />

entsteht durch Flugbewegungen,<br />

nicht durch Fluggäste“, sagte der<br />

Gerichtspräsident. Er bezog sich auf<br />

die Zahl von 360 000 Starts und Landungen<br />

pro Jahr, von der im BER-<br />

Planfeststellungsbeschluss die Rede<br />

ist. Es sei nicht absehbar, dass der<br />

Wert überschritten und der Lärmzunehmen<br />

werde.<br />

Kommt die dritte Startbahn?<br />

„Wir haben die Klage sehr ernst gemeint“,<br />

sagte Michael Schwuchow,<br />

Bürgermeister von Blankenfelde-<br />

Mahlow. DerBau desT2sei der erste<br />

von mehreren Schritten, die Kapazität<br />

des BER zu erweitern. „Davon<br />

sind die Gemeinden und ihreBürger<br />

durchaus betroffen.“ Er befürchtete,<br />

dass die Belastung immer weiter zunimmt:<br />

Irgendwann werde dann<br />

eine dritte Start- und Landebahn als<br />

notwendig erscheinen, so der SPD-<br />

Politiker. Planer Dieter Faulenbach<br />

da Costa, der den Bürgerverein berät,<br />

kritisierte das Urteil:„Es zeigt das<br />

Dilemma der Gemeinden.“ Siebekämen<br />

keine Chance,den BER-Ausbau<br />

aufden Prüfstand zu stellen.<br />

An diesem Dienstag wird die Verhandlung<br />

im Oberverwaltungsgericht<br />

fortgesetzt. Der Bürgerverein<br />

klagt auch gegen die 27. Änderung<br />

des Planfeststellungsbeschlusses.<br />

Sieerlaubt es,den jetzigen Flughafen<br />

Schönefeld weiter zu betreiben.<br />

Peter Neumann<br />

würde sich wundern, wenn<br />

der Bürgerverein gewinnt.<br />

Das Wirtschaftswunder von Schönefeld<br />

Der Flughafen wird bis zu 70 000 Arbeitsplätze sichern, sagen Ökonomen. Am BER wird der Probebetrieb vorbereitet<br />

VonPeter Neumann<br />

Heimlich, still und leise hat Anfang<br />

Januar eine weitere Phase<br />

auf demWegzur Eröffnung des Flughafens<br />

BER in Schönefeld begonnen.<br />

In Vorbereitung des Probebetriebs,<br />

der im Aprilstarten soll, machen sich<br />

Beschäftigte der Flughafengesellschaft<br />

FBB und deren Partner mit<br />

den Anlagen vertraut. Schilder, die<br />

seit kurzem amBahnhof Flughafen<br />

Schönefeld stehen, leiten sie zu den<br />

Bussen, die sie zum BER fahren.<br />

„Wir sind in den Schulungsprozess<br />

eingestiegen“, bestätigte FBB-<br />

Chef Engelbert Lütke Daldrup am<br />

Montagabend beim ersten Wirtschaftsgespräch<br />

am neuen Flughafen,<br />

zu dem mehr als 130 Teilnehmer<br />

zum Willy-Brandt-Platz am BER gekommen<br />

waren. Dortging es darum,<br />

wie viele Arbeitsplätzeder Flughafen<br />

Hier lang zur BER-Schulung: Schild am Bahnhof Flughafen Schönefeld<br />

PETER NEUMANN<br />

tem gebe es am BER viel Raum für<br />

Wachstum<br />

München und andere Beispiele<br />

zeigten, dass Flughafenregionen ein<br />

„Magnet für Hochqualifizierte“<br />

seien, sagte Lehrs Ko-Autor Oliver<br />

Rottmann, Professor an der Universität<br />

Leipzig. Das fördere Innovationen<br />

in der regionalen Wirtschaft. Für<br />

international tätige Unternehmen<br />

sei die Nähe zu einem Flughafen zudem<br />

ein wichtiger Standortfaktor.<br />

„Wir sind uns klar: Die Entwicklung,<br />

von der wir hier sprechen, ist<br />

davon abhängig, dass der BER tatsächlich<br />

aufmacht“, sagte der Flughafenchef.<br />

Doch er sei zuversichtlich,<br />

dass der Flugbetrieb am 31. Oktober<br />

2020 beginnt. „Wir haben fast alles<br />

fertig, und zwar richtig fertig“, betonte<br />

Lütke Daldrup. Nur zwei Themen<br />

seien übrig geblieben: Für die Sicherheitskabel<br />

und die Sicherheits-<br />

schaffen und sichern wird. Zwei<br />

Wirtschaftswissenschaftler aus Leipzig<br />

stellten die Ergebnisse ihrer Studie<br />

zu diesem Thema vor.<br />

Derzeit sichereder Luftverkehr in<br />

Tegel und Schönefeld insgesamt<br />

rund 40 000 Vollzeitarbeitsplätze,<br />

sagte Thomas Lehr vom Beratungsunternehmen<br />

Conoscope. Davon<br />

befinden sich 18 000 auf den Flughäfen.<br />

Für 2035, wenn der BER anderthalb<br />

Jahrzehnte in Betrieb ist, sei mit<br />

insgesamt 60 000 bis 70 000 Arbeitsplätzen<br />

zu rechnen. Die Zahl der direkten<br />

Vollzeitstellen werde sich<br />

mehr als verdoppelt haben – auf<br />

38 400.<br />

Er wies darauf hin, dass diese Zahl<br />

konservativ geschätzt sei. „Es wird<br />

spannend sein zu sehen, wie sie sich<br />

tatsächlich entwickelt“, sagte Lehr.<br />

Er erwarte einen „Niveausprung“.<br />

Anders als im jetzigen Flughafensysstromversorgung<br />

müssten die Prüfung<br />

im März 2020 abgeschlossen<br />

werden. Auch bei den Dübeln, für die<br />

Bescheinigungen einzuholen sind,<br />

seien Fortschritte zu verzeichnen.<br />

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer<br />

der Industrie- und Handelskammer<br />

(IHK) Berlin, mahnte den baldigen<br />

Ausbau der Abfertigungskapazität<br />

an. „Der BER ist zu klein geplant, das<br />

kann nicht so bleiben.“ Er warnte<br />

den <strong>Berliner</strong> Senat und die Brandenburger<br />

Landesregierung davor, die<br />

nächtliche Ruhezeit am BER auszuweiten.<br />

Sicher war es eine „Eselei“,<br />

den Flughafen stadtnah zu bauen, so<br />

Eder. Doch jede weitere Einschränkung<br />

der Betriebszeiten bedeute,<br />

dass der BER insbesonderefür Interkontinentalverbindungen<br />

unattraktiv<br />

wird. „Eigentlich“, so der Wirtschaftsvertreter,„bräuchten<br />

wir eine<br />

24-Stunden-Betrieb am BER.“

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