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Berliner Zeitung 21.01.2020

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 17 · D ienstag, 21. Januar 2020 – S eite 18<br />

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Sport<br />

Aufstehen lernen: Javairo Dilrosun macht das passende Gesicht zur heftigen Niederlage gegen den FC Bayern.<br />

IMAGO IMAGES/BERND KÖNIG<br />

Gift gesucht<br />

Hertha BSC will im Kampf gegen den Abstieg die Offensive stärken, doch Trainer Jürgen Klinsmann nimmt auch seine derzeitigen Spieler in die Pflicht<br />

VonMichael Jahn<br />

Als Schiedsrichter Tobias<br />

Stieler, 38, am Sonntagabend<br />

das Duell zwischen<br />

Hertha BSC und dem FC<br />

Bayern abgepfiffen hatte, feierten<br />

die Münchner Profis ausgelassen mit<br />

ihren zahlreichen Fans unter den mit<br />

74 667 Zuschauern ausverkauften<br />

Olympiastadion. Das Gegenprogramm<br />

fand in der Ostkurve statt.<br />

Herthas Spieler trabten niedergeschlagen<br />

in Richtung ihrer treuesten<br />

Anhängerschaft, wagten sich aber<br />

nicht über die blaue Tartanbahn hinaus,<br />

weil sie nicht wussten, wie die<br />

Reaktion nach der 0:4-Niederlage<br />

ausfallen würde. Die Stimmung<br />

blieb ruhig und gedämpft, die Kurve<br />

hatte sich schnell geleert.<br />

Es war für die <strong>Berliner</strong> schwierig,<br />

Spiel und Resultat einzuordnen in<br />

die laufende Saison. Waresein herber<br />

Rückschlag auf dem vor Weihnachten<br />

vorsichtig eingeschlagenen<br />

WegRichtung gesichertes Mittelfeld?<br />

Waren die Bayern eine, gar zwei<br />

Nummernzugroßfür Hertha BSC?<br />

Fakt ist, Hertha steckt mitten im<br />

Abstiegskampf und sollte die Pläne,<br />

die schon in der nächsten Saison in<br />

Richtung Europa League führen sollen,<br />

zumindest öffentlich zurückstellen.<br />

Oft wird allerdings vergessen,<br />

dass Klinsmann stets betont hatte,<br />

das es „erstmal einzig und allein um<br />

den Klassenerhalt geht“. Und das<br />

man dafür sehr hartarbeiten muss.<br />

DerTrainer fing auch unmittelbar<br />

nach Spielende mit der Aufbauarbeit<br />

an, die seine Spieler betrifft. „Ich<br />

habe gleich in der Kabine gesagt:<br />

,Männer,das 0:4 braucht ihr euch gar<br />

nicht in die Köpfe bringen lassen.<br />

Das passiert. Man kann gegen Bayern<br />

verlieren’.“ Davon berichtete<br />

Klinsmann am Montag. Auch davon,<br />

dass er seinen Profis sagte,dass man<br />

die dringend nötigen Punkte vor allem<br />

gegen Mannschaften aus der<br />

unteren Tabellenhälfte und aus dem<br />

Mittelfeld holen müsse.<br />

Dennoch hatten sie sich bei Hertha<br />

etwas mehr erwartet im Duell gegen<br />

die Bayern, einen Punkt gegen<br />

den Favoriten hätte etwa der Trainer<br />

„mega“ gefunden. Zwar hielt die<br />

Mannschaft dann auch defensiv eine<br />

Stunde lang sehr gut mit, setzte zudem<br />

einige kleine Nadelstiche,„aber<br />

ich hätte mir natürlich etwas mehr<br />

Giftigkeit gewünscht“, gab Klinsmann<br />

am Tagnach der Niederlage<br />

zu.„Wir haben auf einige Konter spekuliert<br />

und gehofft, dass ein Ding<br />

reingeht. Im Moment hat das Resultat<br />

schon gewurmt.“<br />

Das 0:4 war nämlich die höchste<br />

Heimniederlage von Hertha gegen<br />

den FC Bayern seit einem 0:6 am 17.<br />

März2012. Zwei Monate später stieg<br />

Berlin damals nach den Relegationsspielen<br />

gegen Fortuna Düsseldorf<br />

(1:2; 2:2) ab.<br />

Es gab auch andereZeiten, die gar<br />

nicht so lange zurückliegen, als unter<br />

dem Trainer PalDardai im Olympiastadion<br />

den Bayern das Leben<br />

schwerer gemacht worden war als<br />

nun zum Startder Rückrunde.ImFebruar<br />

2019 unterlag Hertha BSC im<br />

DFB-Pokal dramatisch 2:3 nach Verlängerung<br />

erst, und in der Liga wurden<br />

die Bayern im September 2018<br />

gar mit 2:0 bezwungen. Damals<br />

stimmte die Balance zwischen Defensive<br />

und Offensive besser. Das<br />

war ein wesentlicher Unterschied zu<br />

heute.<br />

„Es geht dabei um Qualitätsverbesserung.<br />

Wenn wiretwas finden im offensiven Bereich,<br />

würde uns das enorm helfen.“<br />

Jürgen Klinsmann über die Bemühungen von Hertha BSC und Manager Michael Preetz,<br />

der Mannschaft im Kampf um den Klassenerhalt neue Impulse zu verleihen.<br />

Klinsmann aber hat auch ein<br />

schweres Erbe nach dem erfolglosen<br />

Intermezzo von Trainer Ante Covic<br />

angetreten und Ende November eine<br />

starkverunsicherte Mannschaft vorgefunden,<br />

deren Hierarchie er ge-<br />

rade heftig verändert. Bayerns Thomas<br />

Müller, dem ein Treffer und ein<br />

Assist gelang, sagte später: „Es gab<br />

keine Phase,inder wir zitternmussten.“<br />

Das spricht nicht für den Gastgeber.<br />

DerTrainer fordertnun, dass sich<br />

die Mannschaft mehr zutrauen,<br />

mehr Torgefahr ausstrahlen muss.<br />

Gegen Bayern mussten die beiden<br />

schnellen Angreifer auf den Außenbahnen,<br />

Javairo Dilrosun und Dodi<br />

Lukebakio, auch viel Defensivarbeit<br />

leisten, weil der Druck der Münchner<br />

immer stärker wurde.Klinsmann<br />

will, dass „wir Tore auch mal erzwingen<br />

müssen“. Der55-Jährige meinte<br />

auch eine Szene beim Stand von0:4,<br />

als der eingewechselte Pascal Köpke<br />

eine große Chance vergab, das Resultat<br />

etwas freundlicher zu gestalten.<br />

Es scheint aber,als ob das positive<br />

Denken, dass Klinsmann jeden Tag<br />

vorlebt, auch seine Profis immer<br />

mehr verinnerlichen. So sagte etwa<br />

Kapitän Marvin Plattenhardt: „0:4<br />

hört sich blöd an und ist hoch. Aber<br />

das müssen wir abhaken und das<br />

können wir verkraften.“ Lukas Klünter<br />

machte sich und den Seinen<br />

Hoffnung: „Zwei Drittel des Spiels<br />

haben wir gut umgesetzt, was wir<br />

wollten. Man hat gesehen, wir können<br />

es.“ Klünter hatte den Elfmeter<br />

verursacht. Klinsmann: „Das war der<br />

Knackpunkt im Spiel. Beidiesem Elfer<br />

haben wir den Kopf geschüttelt.<br />

Solch einen Strafstoß möchten wir<br />

auch gernmal bekommen.“<br />

Klinsmann deutete am Montag<br />

an, dass Manager Michael Preetz<br />

weiter auf dem Transfermarkt unterwegs<br />

ist „Micha ist am Arbeiten. Es<br />

geht dabei um Qualitätsverbesserung.<br />

Wenn wir etwas finden im offensiven<br />

Bereich, würde uns das<br />

enorm helfen.“ Mehr Gift wird gesucht,<br />

dennoch: „Unser Kader ist gut<br />

genug, um die Klasse zu halten.“ Die<br />

MissionKlassenerhalt sieht der Trainer<br />

nach dem Rückschlag nicht in<br />

Gefahr.„Dasist keineeinfache Situation.<br />

Wir ziehen uns da hoch, davon<br />

bin ich überzeugt. Aber das ist ein<br />

Prozess, der auch nervenaufreibend<br />

für viele ist.“<br />

Michael Jahn<br />

erinnertsich an eine ähnliche<br />

Krise bei Hertha BSC.<br />

Zurück nach 50 Jahren<br />

Dank ihres überragenden Quarterbacks Patrick Mahomes erreichen die Kansas City Chiefs mal wieder den Super Bowl gegen die San Francisco 49ers<br />

VonMatti Lieske<br />

Zum ersten Mal spielten die Kansas<br />

City Chiefs im Super Bowl, als<br />

der Super Bowl noch gar nicht Super<br />

Bowl hieß. Im Januar 1967 war das,<br />

und sie verloren das Match, in dem<br />

erstmals die beiden Conference-Gewinner<br />

den Titel in der National<br />

Football League (NFL) ausspielten,<br />

gegen die Green Bay Packers. Drei<br />

Jahrespäter waren sie wieder Teil des<br />

Super Bowl, wie das große Spiel inzwischen<br />

auf Anregung des Chiefs-<br />

Gründers und -Besitzers Lamar<br />

Hunt hieß. Diesmal gewann Kansas<br />

City in New Orleans gegen die Minnesota<br />

Vikings und wurde der vierte<br />

Super-Bowl-Champion der NFL-Geschichte.<br />

Danach mussten die Fans<br />

des Teams ein kleines Weilchen warten<br />

bis zum nächsten Anlauf.<br />

„Ohja, 50 Jahre, das war zu lange,<br />

aber jetzt fahren wir wieder zum Super<br />

Bowl“, sagte Team-Besitzer Clark<br />

gleich zum 0:24 in der Vorwoche gegen<br />

die HoustonTexans,als am Ende<br />

noch ein 51:31-Sieg heraussprang.<br />

„Nur 10, keine 24, das war doch<br />

ziemlich gut“, scherzte<br />

Guard Mitchell<br />

Schwartz. Die entscheidende<br />

Szene kam kurz<br />

vorder Halbzeit, als Mahomes<br />

keine Anspielstation<br />

sah, einfach<br />

selbst die Seitenlinie<br />

entlangrannte und den<br />

Touchdown zur 21:17-<br />

Führung herausholte.<br />

Den letzten Aufholversuch<br />

der Titans beendete<br />

der Quarterback<br />

dann mit einem spektakulären<br />

60-Yards-<br />

Touchdown -Pass auf Sammy Watkins.<br />

Kansas City ist dank Mahomes<br />

leichter Favorit imSuper Bowl, der<br />

jedoch zumindest von der Papier-<br />

Ausgezeichnet:<br />

Patrick Mahomes.<br />

AP/CHARLIE RIEDEL<br />

Hunt nach dem 35:24 im heimischen<br />

Arrowhead Stadium gegen die zähen<br />

Tennessee Titans. Zuvor hatte er erleichtert<br />

die nach seinem Vater benannte<br />

Lamar-Hunt-Trophy für den<br />

Gewinn der American Football Conference<br />

(AFC) in die Höhe gestemmt.<br />

Im vergangenen Jahr war das talentierteste<br />

Chiefs-Team seit einem halben<br />

Jahrhundert angleicher Stätte<br />

noch an den New England Patriots<br />

gescheitert, weil ein Abwehrspieler<br />

beim entscheidenden Spielzug ein<br />

paar Zentimeter im Abseits gestanden<br />

hatte. Nun spielen die Kansas<br />

City Chiefs am 2. Februar in Miami<br />

gegen die SanFrancisco 49ers,die im<br />

anderen Halbfinale die Green Bay<br />

Packers mit 37:20 bezwangen.<br />

Diesmal ließ die Chiefs-Mannschaft<br />

um den überragenden Quarterback<br />

Patrick Mahomes Zweifel am<br />

Einzug ins Endspiel nur am Anfang<br />

aufkommen, als sie gleich wieder mit<br />

0:10 in Rückstand geriet. Kein Verform<br />

her ein offenes, spannendes<br />

und punktreiches Treffen zweier<br />

grundverschiedener Teams verspricht.<br />

Die Stärke der Chiefs ist das<br />

Pass-Spiel, mit dem sie<br />

4498Yardsinder Saison<br />

erreichten, doch San<br />

Francisco verfügt über<br />

eine formidable Defense,<br />

die am Sonntag<br />

mit Green Bays Aaron<br />

Rodgers einen der besten<br />

Quarterbacks der<br />

Liga sicherer kontrollierte,<br />

als es die Statistiken<br />

aussagen. Für 326<br />

Yards brauchte Rodgers<br />

39 Pässe, und die Packers<br />

konnten erst<br />

punkten, als das Match<br />

längst verloren war.Probleme hatten<br />

die 49ers allerdings während der Saison<br />

mit beweglichen, lauffreudigen<br />

Quarterbacks, was für Mahomes<br />

spricht.<br />

San Franciscos offensive Stärke<br />

liegt eindeutig im Laufspiel, da waren<br />

die 49ers mit 2305 Yards zweitbestes<br />

Team der NFL nach den Baltimore<br />

Ravens. Gegen Green Bay gelangen<br />

Running Back Raheem Mostert<br />

als erstem Spieler in einem<br />

Play-off-Match mehr als 200 erlaufene<br />

Yards und vier Touchdowns,<br />

seine 220Yardswaren die zweitmeisten<br />

überhaupt. In der zweiten Halbzeit<br />

setzte Coach Kyle Shanahan<br />

praktisch nur noch auf Läufe, Quarterback<br />

Jimmy Garoppolo warf bloß<br />

noch zwei Pässe und lediglich acht<br />

insgesamt. Ähnlich war es schon<br />

eine Woche zuvor gegen die Minnesota<br />

Vikings gewesen, doch Shanahan<br />

wies Spekulationen zurück, der<br />

Quarterback könnte nicht völlig gesund<br />

sein. Die Taktik habe er gewählt,<br />

„weil sie funktionierte“.<br />

Verletzt vom Feld musste Running<br />

Back Tevin Coleman, der gegen<br />

Minnesota noch die Hauptarbeit geleistet<br />

hatte. Viel wird beim Super<br />

Bowl davon abhängen, ob er wieder<br />

fit ist, denn die Chiefs haben gegen<br />

Tennessee gezeigt, dass ihre Verteidigung<br />

funktioniert, wenn sie sich<br />

auf einen Läufer konzentrieren<br />

kann. Derrick Henry, den besten<br />

Running Back der Liga, der in den<br />

drei Spielen zuvor jeweils mehr als<br />

180 Yards erlaufen hatte, hielten sie<br />

bei 69 Yards, ein wichtiger Faktor für<br />

ihren Sieg.<br />

Raheem Mostert, ein begeisterter<br />

Surfer aus Florida, der vorher bei<br />

sechs NFL-Teams durchgefallen war,<br />

hat am Sonntag allerdings bewiesen,<br />

dass er sich vor keiner Defense<br />

fürchten muss. Zunächst genoss der<br />

27-Jährige aber den Augenblick. Dies<br />

sei der glücklichste Tag seines Lebens,<br />

sagte er, bevor er in Hinblick<br />

auf mögliche familiäre Verwicklungen<br />

schnell hinzufügte: „nach der<br />

Hochzeit und der Geburt meines<br />

Sohnes.“

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