2020/09 - Feuerwehren_ADK_2017
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40 NOTFALLSEELSORGE<br />
FOTO: AMREI GROSS<br />
Hilfe in schweren Stunden<br />
Seelsorge Wenn Menschen sich durch einen Unfall oder durch Verletzung oder Tod von<br />
Angehörigen in akuten Krisen befinden, leisten Notfallseelsorger Hilfe. Von Amrei Groß<br />
Ein schwerer Unfall, ein Suizid<br />
eines Angehörigen, eine Reanimation<br />
– und dann? Nach<br />
der Überbringung einer Todesnachricht<br />
durch die Polizei, verheerenden<br />
Bränden oder kritischen<br />
Rettungsdiensteinsätzen bleiben Angehörige<br />
in vielen Fällen hilflos und<br />
voller Fragen zurück. Auf Beamte<br />
und Rettungskräfte aber wartet der<br />
nächste Einsatz, sie können nicht<br />
bleiben. „Wir dagegen haben Zeit“,<br />
sagt der Geschäftsführer der Notfallseelsorge<br />
im Stadtgebiet Ulm und im<br />
Alb-Donau-Kreis, Michael Lobenhofer.<br />
Gemeinsam mit 34 weiteren ehrenamtlichen<br />
Notfallseelsorgern und<br />
Notfallbegleitern steht der Einsinger<br />
Gemeindereferent Menschen in belastenden<br />
Situationen bei. „So, wie<br />
eine Wunde Versorgung erfordert,<br />
braucht auch die Psyche in vielen<br />
Fällen Behandlung“, erklärt er. „Im<br />
Einsatz versuchen wir, für die Betroffenen<br />
ein soziales Netz zu knüpfen“,<br />
beschreibt der Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Gruppe, Holger<br />
Oellermann, worauf es in der<br />
psychosozialen Notfallversorgung<br />
ankommt. Es gelte, Menschen, die<br />
dem Betroffenen nahestehen, zu informieren<br />
und zu aktivieren. Aber<br />
35<br />
Notfallseelsorger<br />
und Notfallbegleiter<br />
sind im Bedarfsfall<br />
im Stadtgebiet Ulm und<br />
im Alb-Donau-Kreis im<br />
ehrenamtlichen Einsatz.<br />
auch, scheinbar ganz banale Fragen<br />
zu klären: Wie geht es weiter? Wie<br />
komme ich zu meinem Angehörigen<br />
in die Klinik? Was ist bei einem Todesfall<br />
zu tun? „Das sind Themen,<br />
die Angehörige in diesen Momenten<br />
oftmals überfordern“, weiß Oellermann.<br />
Gleichzeitig ließen die Notfallseelsorger<br />
niemanden alleine: „In<br />
Einzelfällen bleiben wir auch über<br />
Stunden bei den Betroffenen“, teilweise<br />
reiche ein Kontakt bis zur Bestattung<br />
eines Verstorbenen. Neben<br />
der Betreuung von Betroffenen stehen<br />
die Notfallseelsorger in enger<br />
Zusammenarbeit mit Feuerwehr und<br />
Hilfsorganisationen auch Einsatzkräften<br />
bei der Verarbeitung belastender<br />
Situationen zur Seite. Manchmal<br />
im Glauben und mit einem Gebet,<br />
manchmal aber auch losgelöst<br />
von jeglichen kirchlichen Aspekten.<br />
„Wir sind für alle Menschen da“, betont<br />
Lobenhofer. Grundaufgabe der<br />
Gruppe sei die psychosoziale Notfallversorgung.<br />
Der seelsorgerische<br />
Aspekt komme ausschließlich auf<br />
Wunsch der Betroffenen dazu.<br />
Seit Mai 2014 verfügt die Ulmer<br />
Notfallseelsorge neben christlichen<br />
Notfallseelsorgern auch über muslimische<br />
Notfallbegleiter. Sie leisten<br />
wertvolle Dienste, wenn Menschen<br />
muslimischen Glaubens betroffen<br />
sind. „Der Umgang mit dem Tod ist<br />
hier anders“, sagt Lobenhofer. Muslime<br />
trauerten „gemeinschaftlicher“;,zudem<br />
seien seine muslimischen<br />
Kollegen in der Lage, Betroffene<br />
ihres Glaubens meist in der eigenen<br />
Muttersprache zu betreuen.<br />
„Das macht in einer Extremsituation<br />
viel aus.“ „Die psychosoziale Notfallversorgung<br />
ist ein ungewöhnliches<br />
Ehrenamt“, gibt Holger Oellermann<br />
zu. Aber die Betreuung von Menschen<br />
in Krisensituationen gebe auch<br />
den Notfallseelsorgern viel zurück.<br />
„Wenn man überlegt, was gewesen<br />
wäre, wenn es die Notfallseelsorge<br />
nicht gäbe, weiß man, warum man<br />
das macht.“<br />
Die Notfallseelsorge für Ulm und<br />
den Landkreis wurde 1998 auf Initiative<br />
des Ulmer Betriebsseelsorgers<br />
Werner Baur ins Leben gerufen. Zwei<br />
bis drei Mal pro Woche werden ihre<br />
Mitglieder zu Einsätzen im Stadtgebiet<br />
und dem Landkreis alarmiert. Sie<br />
alle haben eine intensive Schulung<br />
durchlaufen; die meisten Notfallseelsorger<br />
verfügen zudem über eine<br />
seelsorgliche, beraterische oder therapeutische<br />
Berufsausbildung.